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Vorwürfe gegen Kurz: Ehemaliger ÖIF-Geschäftsführer will Kronzeuge werden

Der ÖVP-nahe Ex-Geschäftsführer des ÖIF will der dritte Kronzeuge in Ermittlungen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz werden. Kurz dementiert die Vorwürfe, die Justiz absurderweise die Ermittlungen.

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Manchmal ist das Leben einer Investigativjournalistin ein Klischee. Zum Beispiel dann, wenn man von Menschen, von denen man es nicht erwartet hätte, hochbrisante Informationen zugesteckt bekommt. So beginnt auch diese Recherche, an deren Ende ein potenzieller neuer Kronzeuge gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und eine sich windende Staatsanwaltschaft stehen.

Der noch übrige Rest der türkisen ÖVP ist seit Monaten hochnervös. Grund dafür sind angebliche Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rund um den Integrationsfonds (ÖIF). Es soll – analog zu den bereits bekannten Ermittlungen gegen Kurz – um die unzulässige Beanspruchung des Werbebudgets einer öffentlichen Einrichtung im Sinne der ÖVP gehen. profil fragte bei der WKStA mehrfach nach, ob es diesbezüglich Ermittlungen gebe. Die Justiz dementierte jedes einzelne Mal. Auch schriftlich. Ebenso stritt die WKStA vergangene Woche ab, dass es in der Sache einen neuen Kronzeugen geben könnte, wie die „Kronen Zeitung“ unter Berufung auf Justizkreise spekulierte. Auch an profil wandte sich jemand mit heißem Material.

Sebastian Kurz wurde 2011 Staatssekretär für Integration im Innenministerium. Sein erstes Machtinstrument mit personellen Ressourcen und Geld war der Integrationsfonds.

Die profil vorliegenden Geheim-Dokumente sind darum in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Zeigen sie doch, dass ein ehemaliger Geschäftsführer des Integrationsfonds mehrfach von der Staatsanwaltschaft zu genau dieser Thematik befragt wurde. profil liegt ein eingebrachter Antrag auf Kronzeugenstatus vor.

Einen solchen stellt niemand, der bei Sinnen ist, ohne vorher die nötigen Besprechungen mit der Staatsanwaltschaft geführt zu haben – und eindeutige Signale erhalten zu haben, dass das Vorhaben auch aussichtsreich sei. Immerhin muss man neue Taten aufdecken – und sich reuig zeigen, also seine eigene Schuld eingestehen. In dem Papier ist zu lesen: Ende März 2022 und bei darauffolgenden Terminen wurde der Mann von der WKStA einvernommen, „um diese von Straftaten zu informieren, von denen diese bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis hatte. Dabei legte der Antragsteller ein reumütiges Geständnis in Hinblick auf seinen Tatbeitrag ab und offenbarte der WKStA im Rahmen von insgesamt fünf Vernehmungen zahlreiche neue Tatsachen und legte auch entsprechende Beweismittel vor.“

Auch profil ging ein ganzer Stapel an Beweismitteln zu. Es stellt sich also die Frage: Was genau soll das denn anderes sein als eine Ermittlung? Warum streitet die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen ab?

Kurz und seine Integrationsbotschafter

Kurz nutzte das Thema Integrations zur Imagebildung. Zuerst versuchte er, sich als "Chef der Ausländer" zu etablieren - 2017 schwenkte er zu einer harten Linie beim Ausländerthema und holte genug Stimmen von Rechts, um Wahlen zu gewinnen.

Kurz "politische Spielwiese"

Aber von vorne. Der Integrationsfonds (ÖIF) wurde 1960 vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR und vom Bundesministerium für Inneres unter dem Namen „Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen“ gegründet. 2002 wurde der Fonds aus dem Innenressort mit eigener Satzung und Gremien ausgegliedert. Seine Hauptaufgabe war lange Zeit die Umsetzung der Integrationsvereinbarung. Der zweite Strang drehte sich um die Unterbringung der Neuankömmlinge. Die Aufgaben wandelten sich im Laufe der Jahre, der Fonds transformierte sich in Richtung Bildung.

Die Institution wuchs über die Jahre und war ein Liebkind des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz, der mit dem Thema Integration einst seine ersten politischen Duftmarken gesetzt hatte und später Wahlen gewann.

Kurz war erst 25 Jahre alt, als er im Jahr 2011 unter der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zum Integrationsstaatssekretär ernannt wurde. Die Rollenaufteilung war klar: Mikl-Leitner gab (auch optisch) die gestrenge Innenministerin, die eine harte Linie beim Thema Asyl und Flüchtlinge fuhr. Sie nahm alle Probleme und Angriffe auf sich.

Kurz durfte strahlen. Er sollte als Polit-Jungtalent mit Positivthemen aufgebaut werden. Er ging zum Fastenbrechen der muslimischen Gemeinde. Er ließ sich mit erfolgreichen Migranten aus Wirtschaft und Kultur ablichten. Er postete coole Selfies von Parties auf der Balkanmeile Ottakringer Straße. Er besuchte Schulen und monierte bei Diskussionsrunden, dass Österreich keine Willkommenskultur habe. Kurzum, er etablierte sich als „Chef der Ausländer“.

Vieles davon wurde über den ÖIF organisiert und abgewickelt. Der Fonds war damals Kurz„ erstes Vehikel, um seine politischen Vorstellungen mit Geld und Personal umzusetzen.

Die Rollenaufteilung war klar

Ex-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war Kurz' erste Förderin. Sie teilten sich die Themen Asyl und Migration. Mikl-Leitner nahm alle Negativthemen auf sich, damit Kurz mit Positivthemen glänzen konnte.

Treuer Begleiter

Der Fonds ließ ihn seine gesamte politische Laufbahn nicht los. Kurz nahm ihn später als Außenminister in sein Ressort mit – in Europa außergewöhnlich, das Thema Integration dort anzusiedeln. Und auch als Kurz 2017 schließlich Kanzler wurde, durfte der Fonds mit ins Bundeskanzleramt. Die Chefbetreuung war für die Organisation durchaus gedeihlich: Der ÖIF wuchs über die Jahre um Hunderte Mitarbeiter und Millionen an Budget. Als Kurz 2011 Staatssekretär wurde, hatte der Fonds laut jährlichem Bericht 147 Mitarbeiter, heute sind es knapp 500. Das Budget lag bei rund neun Millionen Euro, es hat sich für 2023 etwa verfünfzehnfacht. Auf dem Weg dahin findet sich freilich eine Flüchtlingskrise im Jahr 2015, im Zuge derer die Migrationszahlen stark anstiegen. Ein Trend, der die vergangenen Jahre nicht abriss.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon seit geraumer Zeit gegen den Integrationsfonds. Laut der Aktenzahl AZ 20 St 9/16k seit dem Jahr 2016. Nach einem kritischen Rechnungshofbericht von 2015 wurde der Verdacht geprüft, ob Immobilien zu günstig veräußert worden waren. Der Fonds transformierte sich ab 2005 von einer Unterbringungs- zu einer Bildungseinrichtung, weil die Erhaltung und Sanierung der in die Jahre gekommenen Immobilien extrem teuer geworden war. Liegenschaften wurden verkauft.

Seit sieben Jahre laufen die Ermittlungen und das noch immer relativ ergebnislos. Der Hauptkäufer der Immobilien hatte zwischenzeitlich keine Lust mehr auf seinen Kauf und wollte ihn sogar zurückgeben.

Im Zuge dieses seit Ewigkeiten laufenden Verfahrens hat es auch Sicherstellungen gegeben. Diesen Datenschatz hat sich die WKStA offenbar noch einmal zur Brust genommen und ist dort auf Ungereimtheiten gestoßen, die zu einem anderen Verdacht passen, der aktuell geprüft wird: Der Ex-Kanzler und sein engstes Umfeld werden als Beschuldigte geführt, weil sie Gelder des Finanzministeriums für parteipolitische Zwecke genutzt haben sollen. Da sollen Umfragen im Sinne der ÖVP und Sebastian Kurz durchgeführt und teils auch manipuliert worden sein, um – gestützt auf ein großes Inseratenbudget – in den Medien der „Österreich-Gruppe“ veröffentlicht zu werden. Und bei „Heute“ und der „Kronen Zeitung“ hätten laut Verdachtslage hohe Inseratenvolumina für genehme Berichterstattung sorgen sollen – alles auf Steuerzahlerkosten. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Der Mann fürs Grobe

Stefan Steiner begleitet Kurz seit seinen ersten politischen Schritten. Er war in seinem Kabinett - und später sein wichtigster Strategieberater. Der neue Kronzeuge (in spe) belastet ihn schwer

Antikorruptionsermittler auf Schatzsuche

Offenbar ortet die WKStA ein Muster, das bis zu Kurz„ ersten Schritten in der Politik zurückreichen soll. Auch vom ÖIF sollen Inserate geschalten worden sein, um Medien (vor allem den Boulevard) gefügig zu machen. Die Rede ist auch von unsauberen Umfragen, welche mit ÖIF-Geldern durchgeführt worden sein sollen, aber dem persönlichen politischen Interesse von Sebastian Kurz gedient hätten. Und der Fonds soll personell auf Türkis umgefärbt worden sein – die damals handelnden Personen sollen jene gewesen sein, die auch später zu Kurz„ engstem Umfeld zählten. Das ist deshalb besonders interessant, weil es aufgrund der Organisationsstruktur des ÖIF damals kein formales Durchgriffs- oder Weisungsrecht seitens des Ministeriums gab. Verantwortlich war ein eigenes Kuratorium.

Das ist nichts, was sich nicht ändern ließe: Unter Kurz wurde zuerst die Satzungen verändert, damit das zuständige Kuratorium entmachtet und ein neuer Aufsichtsrat eingeführt werden konnte. Dessen Vorsitzender wurde Stefan Steiner, damals sein Büroleiter im Integrationsstaatssekretariat, später sein wichtigster Mann in Strategiefragen. Im Aufsichtsrat ebenfalls vertreten war später auch eine gewisse Susanne Knasmüller – heute bekannt als Susanne Raab, ihres Zeichens Integrationsministerin. Ihr Aufstieg war steil und stetig: 2011 startete sie bei Kurz als Referatsleiterin, 2013 rückte sie zur Abteilungsleiterin auf und im türkisen Superwahljahr 2017 wurde sie dann zur Sektionschefin ernannt.

Neue Häuptlinge

Die Geschäftsführung des ÖIF wiederum wurde ab 2011 sukzessive abmontiert – ein neuer, zusätzlicher Geschäftsführer wurde bestellt: Es war Kurz„ damaliger stellvertretender Büroleiter Franz Wolf-Maier, heute bekannt als Franz Wolf, noch immer Geschäftsführer des ÖIF.

Der vorherige, bis Ende 2012 amtierende ÖIF-Chef wurde nun von der WKStA wieder an den Befragungstisch geholt. Er wird im Stammverfahren rund um die Immobilien auch als Beschuldigter geführt – und scheint sich kooperativ gezeigt zu haben. Er legte etliche Beweismittel vor – und schließlich brachte er im Jänner 2023 einen Antrag auf Kronzeugenstatus ein.

Darin steht etwa: „Während seiner Tätigkeit stellte der ASt (Anm: Antragsteller) fest, dass mit Dienstantritt des Staatssekretärs Sebastian Kurz im April 2011 zunehmend erhebliche Summen für nicht den Bedürfnissen und Zielen des ÖIF dienende Zwecke ausgegeben wurden.“ Diese Aussage ist für den Mann nicht unheikel: Immerhin war er als Geschäftsführer für Budget und Ausgaben verantwortlich. Er nennt „in die aufgezeigten Taten verwickelte Personen“. Neben Kurz, Steiner und Franz Wolf auch Gerald Fleischmann (jahrelanger Sprecher von Kurz) und Bernd Brünner (mittlerweile zurückgetretener Generalsekretär des Kanzleramts).

Der Mann, dessen Namen profil nicht nennt, da er seit Langem kein öffentliches Amt mehr bekleidet und sein Anwalt auch auf den Verzicht besteht, spricht in Einvernahmen davon, dass es „laufend Interventionen bei Personalentscheidungen gegeben hat“. profil liegen E-Mails vor, in denen etwa Wolf-Maier, damals noch stellvertretender Büroleiter von Kurz, um die Anstellung einer Person bittet – „befristet wie Silvio Frankl“. Frankl, Ex-Landesgeschäftsführer der Jungen ÖVP Wien blieb dem Integrationsfonds laut seinem Linked-In-Profil nur sechs Monate erhalten. Seine Aufgabe dort laut Wolf-Maier-Mail: „Silvio Frankl wird am Projekt der 100 erfolgreichen Migranten im BMI mitarbeiten.“ Warum das Ministerium ihn nicht selbst beschäftigt und bezahlt hat, ist unklar. Wolf vermittelte dem ÖIF laut profil vorliegenden Mails auch Bewerbern aus der Jungen ÖVP, deren Chef Kurz damals war.

Der Mann fürs Grobe

Gerals Fleischmann ist heute Sprecher der ÖVP. Der talentierte Kommunikator begleitet Kurz seit Jahren und sorgt für das "richtige Bild" in der Öffentlichkeit. Er wird nun ebenfalls belastet und bestreitet die Vorwürfe.

Ambitionierte Öffentlichkeitsarbeit

profil liegt eine Liste mit Inseratenschaltungen vor – sie kamen vor allem den Medien „Heute“, „Österreich“ und „Krone“ zugute. Das bestätigt auch ein Re-Check in Zeitungsarchiven. Dieses Vorgehen verteidigte das Kurz-Umfeld normalerweise mit der hohen Reichweite – Werbung solle möglichst viele Menschen erreichen, und das seien eben die reichweitenstärksten Medien. Unabhängig von der Frage, ob alle Inserate tatsächlich inhaltlich gerechtfertigt waren, liefert diese Argumentation jedenfalls keinen Erklärungsansatz, warum man es offenbar für notwendig erachtete, Anzeigen bei der Zeitung des Präsidiums des katholischen Österreichischen Cartellverbands (ÖCV) zu schalten, der ÖVP-nahe ist. Das Medium heißt Vorort.

Der Integrationsfonds lehnte laut profil vorliegenden Unterlagen eine Anfrage des „Vorort“ zuerst ab: „Lieber Herr XXX, wir haben Ihre Anfrage bzgl. einer Anzeige für Vorort erhalten. Leider ist es uns aus budgetären Gründen nicht möglich, bei Ihnen ein Inserat zu schalten. Sie können sich aber gerne nächstes Jahr nochmals an uns wenden.“

Dieses Mail landete offenbar im Kurz-Büro, denn postwendend richtet der stellvertretende Büroleiter dem ÖIF-Geschäftsführer aus: „Schaltungen von € 5000 durch den ÖIF wären uns hier ein Anliegen.“ In die Kommunikation damals involviert: Stefan Steiner und Axel Melchior, später engster Kurz-Buddy, damals Funktionär bei der JVP.

Aus dem ÖIF-Budget sollten offenbar auch andere öffentlichkeitswirksame Dinge finanziert werden: Wolf schreibt im November 2011 von seiner BMI-Adresse an den ÖIF: „Andreas Kratschmar hat einige Artikel zum Thema Integration für uns verfasst. Ich würde dich darum bitten, dass er dies in die ÖIF-Abrechnungen inkludiert.“ Leistungen, die für das BMI erbracht wurden, sollten also wieder budgetschonend abgerechnet werden. Kratschmar ist übrigens PR-Journalist und Mitglied des ORF-Stiftungsrats auf ÖVP-Ticket.

Derartiger Beispiele gibt es viele. Eine Medienkooperation mit der Tageszeitung „Österreich“ sticht besonders hervor, die sich nach den „Wünschen des BMI“ richten sollte. Wert: 126.000 Euro. Der geständige Ex-ÖIF-Chef sagte aus, dass ab 50.000 Euro eine Genehmigung des AR einzuholen gewesen wäre. Das sei unterlassen worden.

Die türkise Welt

Kurz wollte die ÖVP reformieren. Das tat er mit einem eingeschworenen Küchenkabinett.

Studien und Sonntagsfragen

Der ehemalige Geschäftsführer legt auch Beweismittel zu vom ÖIF finanzierten Studien vor. „Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Dokumente zeigt sich eindeutig, dass die Aussagen des Antragsstellers, wonach den Genannten die zweckfremde Natur der Umfragen bewusst war, äußerst valide sind, zumal systematisch ein politisches Stimmungsbild in der Bevölkerung abgefragt wurde und diese Umfragen auch ÖIF-intern keine Verwendung fanden“, steht im Akt.

In den genannten Umfragen sollen sich laut profil vorliegenden Unterlagen etwa folgende Fragen befunden haben: „Haben Sie von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz schon einmal etwas gehört oder gelesen?“ „Haben Sie von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz eine eher gute oder eher keine Meinung?“ „Wenn am kommenden Sonntag Nationalratswahlen wären, welche Partei würden Sie dann am ehesten wählen?“. Oder: „Können Sie mir zum Schluss bitte noch sagen, welche Partei Sie bei der letzten Nationalratswahl im September 2008 gewählt haben?“

Der Ex-ÖIF-Chef behauptet auch, dass ihm „zu erkennen gegeben wurde, dass ich sie intern nicht verwerten soll, weil sie der strategisch-politischen Positionierung von Sebastian Kurz dienen sollten“.

Die Aufträge dafür seien nicht in den dafür vorgesehen wöchentlichen Meetings erörtert worden, sondern „quasi hinter vorgehaltener Hand an mich herangetragen wurden. Dies primär von Steiner, aber auch Sebastian Kurz“.

Es gibt mehrere Emails, die den Verdacht nahelegen, dass gewisse Abfragen bei Umfragen gewünscht wurden. Etwa: „In Österreich wird immer wieder über eine Neugestaltung des Religionsunterrichts bzw. über die Einführung des Ethikunterrichts für jene Schüler/innen, die keinen Religionsunterricht besuchen, diskutiert. Was denken Sie?“ Es soll explizite Aufträge von Wolf-Maier gegeben haben, die Thematik „Kreuz im Klassenzimmer“ auf ÖIF-Kosten abfragen zu lassen. Eine andere Umfrage beschäftigt sich mit dem Thema „Medienanalyse Staatssekretär Kurz“.

Susanne Knasmüller. Alias Raab

Die Ministerin ist heute für Integrations zuständig. Auf diesen Posten arbeitete sie sich von unten nach oben.

Kronzeugenstatus erbeten

Der Ex-ÖIF-Geschäftsführer bekennt sich zu seiner Verantwortung: „Der Antragsteller gestand selbst zu, an den genannten Taten mitgewirkt zu haben, indem er entsprechende Aufträge erteilte und Zahlungen freigab“. Und: „Der Antragsteller war – abweichend von seiner offiziellen Stellung als Geschäftsführer des ÖIF in der faktischen Hierarchie das letzte Glied der Kette. Der Antragsteller legte über seinen Tatbeitrag ein reumütiges Geständnis ab. Er gestand zu, Aufträge erteilt und die Bezahlung von Rechnungen in Auftrag gegeben zu haben, von denen ihm bewusst war, dass sie der politischen Profilierung des Kurz dienten, jedoch nicht mit den Zielsetzungen und Aufgaben des ÖIF in Einklang zu bringen waren.“

„Aus darglegten Gründen beantragt der ASt ein Vorgehen nach §209a StPO.“ – übersetzt: er bittet um den Kronzeugenstatus. Ob er diesen zuerkannt bekommt, ist ungewiss. Die Staatsanwaltschaft muss diesen für ihn beantragen, das geht dann durch alle Instanzen der Justiz. Wenn er bei einer Lüge erwischt wird, war“s das. Dieses Prozedere gilt auch für Thomas Schmid und Sabine Beinschab – jene zwei Personen, die im Hauptermittlungsstrang ebenfalls um diesen Status baten. Bei Sabine Beinschab ist der Antrag durchgegangen – für Thomas Schmid wurde er seitens der WKStA noch nicht gestellt, das dürfte aber bald passieren. Der Ex-ÖIF-Geschäftsführer wäre dann der Dritte Kronzeuge zu dem Faktenkreis Inserate, Postenschieberei und Umfragen. Für das Alt-Verfahren (ÖIF-Immobilien) hat das übrigens keine Auswirkung, wo der Mann als Beschuldigter geführt wird – er pocht weiterhin auf seine Unschuld.

Der Anwalt des Ex-ÖIF-Geschäftsführers gab sich auf Profil-Anfrage zugeknöpft, wies nur darauf hin, dass der Name seines Mandanten nicht genannt werden dürfe. profil fragte auch bei der WKStA noch einmal: „Gibt es Ermittlungen rund um den Integrationsfonds, die sich mit Inseratenvergaben und Studienaufträgen beschäftigen, sich gegen Sebastian Kurz und sein Umfeld richten? Zuletzt gab es Medienberichte um einen angeblichen Kronzeugen: Gibt es einen solchen, oder einen Antrag auf Kronzeugenstatus?“ Antwort: „Die WKStA führt in diesem Zusammenhang kein Ermittlungsverfahren.“

Gegenwehr

Sebastian Kurz und seine Vertrauten wurden von profil gefragt, ob sie jemals selbst Einfluss auf den Fonds genommen oder politischen Einfluss wahrgenommen haben. Ob Leistungen für das BMI über den Fonds abgerechnet wurden – und warum die Organisation damals umgebildet habe.

Der Sprecher von Sebastian Kurz antwortet: „Wieder einmal werden konstruierte Vorwürfe erhoben, denen jegliche Substanz fehlt. Die Vorgehensweise ist immer die gleiche: Es werden von fragwürdigen Persönlichkeiten falsche Vorwürfe erfunden, um die Ära Kurz in ein negatives Licht zu rücken. Faktum ist, dass es Sebastian Kurz und seinem Team in seiner Zeit als Integrationsstaatssekretär und später als Minister gelungen ist, Integrationsstrukturen und Programme aufzubauen, die noch heute positive Auswirkungen haben, beispielsweise bei der Integration von Vertriebenen aus der Ukraine.“

Von Stefan Steiner heißt es: „Das Thema der Integration ist mir nicht zuletzt aufgrund meines 8-jährigen Aufenthalts in der Türkei, meinem Auslandsjahr in Belgien und meinem Zivildienst in der Ausländerrechtsberatung nach wie vor ein echtes Herzensanliegen. In all meinen Funktionen im Integrationsbereich ­– in den Aufsichtsrat des ÖIF wurde ich erstmals 2012 von der damaligen Innenministerin Mikl-Leitner bestellt – habe ich stets versucht das Thema gesetzeskonform und im Sinne der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund voranzutreiben.“ Der heutige ÖVP-Sprecher Gerald Fleischmann sagt: „Es war eine spannende Tätigkeit, in der mich meine Aufgaben mit Engagement und stets korrekt erfüllt habe.“

„Zu vermuteten Ermittlungen hat der ÖIF keinerlei Kenntnis, der Zusammenhang zwischen den Fragestellungen ist auch bei dieser erneuten Anfrage in wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbar“, heißt es aus dem ÖIF. Und: Neben Aufsichtsrat und Kuratorium werde der Fonds auch von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer und der Fondsbehörde kontrolliert. Die finanzielle Gebarung unterliege der Kontrolle des Rechnungshofes. Stellenbesetzungen und Auftragsvergaben unterliegen klaren Regelungen, die seitens des ÖIF entsprechend eingehalten werden.

Und die heute für den Fonds federführend zuständige Ministerin Susanne Raab lässt von ihrem Sprecher ausrichten: „Die Hintergründe der Anfrage sind für uns nicht nachvollziehbar.“

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.