Wie die Schildkröte

Die deutsche Band Element of Crime bleibt der Melancholie treu

Pop. Die deutsche Band Element of Crime bleibt der Melancholie treu

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Von Philip Dulle

"Natürlich ist das Rock’n’Roll“, sagt Sven Regener: "Rock’n’Roll ist unser Leben.“ Er bestellt schnell eine neue Melange, ehe er sich fröhlich-genervt erkundigt, was das denn sonst sein soll, was seine Band, Element of Crime, da mache: "Zwei Gitarren, Schlagzeug, Bass - also Schlager ist das nicht.“ Und, um es auf den Punkt zu bringen: "Die Schildkröte frisst Salat - und wir machen Rock’n’Roll.“

Beim Plaudertermin mit profil im Wiener Café Westend - mit Regener führt man stets eher gepflegte Plaudereien als harte Interviews - erklärt er gemeinsam mit Gitarrist Jakob Ilja, warum diesmal doch nicht alles ganz anders, aber immer noch spannend ist.

Begonnen hat die Story von Element of Crime wie eine jener Geschichten, von denen diese Band unzählige im Repertoire hat: in den 1980er-Jahren in Westberlin, als rumpelnde Underground-Combo mit Kunsteinschlag und englischen Texten. Den Namen hatte man sich von einem Film des Regisseurs Lars von Trier geliehen. Anfang der 1990er-Jahre sattelte man der besseren Vermarktung wegen auf deutsche Texte um; der Bandname blieb.

Kopf der Combo war und ist Sven Regener, mittlerweile 53 Jahre alt, schwarz gerahmte Hornbrille, schlabbriges Polohemd, kleiner Bierbauch. Mit seiner "Herr Lehmann“-Trilogie (2001-2008), die das Leben eines Berliner Barkeepers erzählt, und dem 2013 erschienenen Nachfolgeroman "Magical Mystery“ (über eine von den Beatles inspirierte Tournee einer rührseligen bis abgewrackten Berliner Technotruppe) avancierte Regener zum gefeierten Autor und Pop-Chronisten, dem es gelang, das Leben im geteilten und wiedervereinigten Berlin, in das er Anfang der wilden Achtziger aus Bremen gezogen war, zu porträtieren; mit Worten, die nicht nur Bilder entstehen lassen, sondern ein Gefühl dafür vermitteln, wie das so war mit dem Rock’n’Roll, dem Blick nach Osten und der trennenden Mauer vor der Nase.

Auch auf "Lieblingsfarben und Tiere“, dem nunmehr 13. Studioalbum, schafft die Band um Regener genau diesen Brückenschlag mit Nonchalance und einem Understatement, das sogar für Element-of-Crime-Verhältnisse stellenweise unverschämt wirkt. Zwischen der Kunst, gerade im Hang zur Perfektion möglichst räudig um die Ecke zu kommen, verstecken sich zehn besonders reizende Balladen, die der frohen Berliner Großstadtmelancholie eine zerzauste Grundnote verpassen. "Wir haben die Songs diesmal ziemlich ausgedünnt“, sagt Regener. Streicher, Synthesizer und Hammondorgel wurden am Ende wieder herausgenommen: "Die anderen Instrumente brauchen ja genug Platz zum Atmen.“ Gitarrist Jakob Ilja fügt an, dass es innerhalb der Band auch keinen Masterplan gebe, wie ein neues Album zu klingen habe. "Wir arbeiten mittlerweile mit einem blinden Verständnis füreinander.“ Die Musik definiere sich "durch die Freiheit“, so Regener: die Freiheit des Songschreibens und das offene Gefüge innerhalb der Band.

Sven Regener erzählt seit jeher, in oft nur zwei, drei Sätzen, die schönsten und traurigsten Liebes- und Alltagsgeschichten. Dass diese Geschichten so hingeworfen wirken, als schüttle sie der Sänger im Studio aus dem Handgelenk, zeichnet Element of Crime bis heute ebenso aus wie der Umstand, dass sie die Romantik (die Band hat 2001 sogar eines ihrer Alben so genannt) besingen kann, ohne im Kitsch zu landen.

Regeners neue Songs sind ruhiger als jene der beiden vorigen Alben; das dient der stillen Euphorie, die "Lieblingsfarben und Tiere“ verbreitet. In dem Song "Dieselben Sterne“ findet er tröstende Worte für jede Lebenslage: "Immer wenn wir durch die Dunkelheit uns treiben / Und verwirren lassen, bis es nicht mehr geht (…) Über dir, über mir - dieselben Sterne“. Und in "Schade, dass ich das nicht war“ zählt Regener auf, was er für seine Angebetete gern gewesen wäre: "der Tankwart, bei dem du zu zahlen vergaßt“ oder "der Priester sogar, dem du die Leviten last“. Anderswo singt er schon fast flehend: "Rette mich vor mir selber. Hauptsache Liebe. Hauptsache Du.“

In all diesen Songminiaturen geht es um die Sehnsucht, das Glück (und natürlich die Liebe) im Hier und Jetzt zu finden. "Das sind eben die Themen“, sagt Regener, "die man nur von Element of Crime bekommt.“ Die Lieder, so Ilja noch, "beschreiben Lebensumstände, innere Zustände, die weder explizit politisch noch banal, sondern die Menschen schlicht bewegen sollen“.

Das Ergebnis ist eine Art von Rock’n’ Roll, der zwischen Chanson-und Gitarrenpopversatzstücken schillert, aber immer noch den Ausgangs- und Endpunkt, das Transportmittel für die Geschichten darstellt, die den Zuhörer treffen: direkt das Herz.

Am 21. Februar 2015 gastiert die Band im Wiener Gasometer.

Element of Crime: Lieblingsfarben und Tiere (Universal)

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.