Kino

Exzellente Wahl: Berlinale-Bären an Mati Diop und Martin Gschlacht

Es setzte scharfe politische Töne am Ende der 74. Filmfestspiele in Berlin – und eine Hauptauszeichnung für den Kameramann des österreichischen Wettbewerbsbeitrags.

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Lange bevor am Ende der diesjährigen Berlinale-Preisgala der Goldene Bär des Festivals an die Filmemacherin Mati Diop verliehen wurde, die ihre Faust in die Höhe reckte und ihre Solidarität mit Palästina bekundete, war ein israelisch-palästinensisches Regie- und Freundesduo auf der Bühne gestanden, um die Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm entgegenzunehmen: zwei junge Aktivisten namens Basel Adra und Yuval Abraham – der eine dokumentiert seit Jahren mit der Videokamera die gewaltsame Auflösung seines Dorfes in der Westbank, der andere schreibt als Israeli dissidente Reportagen –, die gemeinsam ausgezogen sind, um der Welt die Tyrannei der israelischen Besetzer, die Zerstörungen des Militärs und der Siedler vor Augen zu führen. Adras und Abrahams Film heißt „No Other Land“, und er ist ganz schlicht, visuell roh gestaltet, aber er zeigt im Detail, wie grauenhaft das Leben entrechteter Familien in Palästina schon vor dem Krieg ablief. 

So dringlich gerade jetzt der Ruf nach Waffenstillstand und Mäßigung der überschießenden militärischen Aggression gegen die Zivilbevölkerung in Gaza auch ist: Die Entscheidung aller Beteiligten, auf der Bühne des Berlinale-Palasts gegen die israelische Kriegsführung zu protestieren und dabei mit keinem Wort all die Unschuldigen zu erwähnen, die am 7. Oktober 2023 in Israel dem palästinensischen Terror zum Opfer gefallen sind – als hätte es diesen nie gegeben –, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack; denn eine Kunstszene, die ein Ende der israelischen Gewalt fordert, ohne die Gewalt der Hamas zu verurteilen (oder überhaupt anzuerkennen), setzt sich dem Verdacht aus, ein eher einseitiges Konzept von Pazifismus zu verfolgen.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.