Im Kriegsmodus

„House of Cards“, Staffel fünf: Im Kriegsmodus

Was passiert, wenn die Realität die Fiktion überholt?

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Das Faszinierende an „House of Cards“ war stets das wohlige Schaudern, das die Taten seiner Figuren erregten. Ein hochrangiger Südstaaten-Senator (Kevin Spacey als Frank Underwood), der es mit allen Mitteln bis ins höchste Amt im Staat schafft. Mord, Erpressung, Psychospielchen, selbst die eigene Frau aus gutem Hause ist über weite Strecken nur Mittel zum Zweck. Freunde? Werden ausgetauscht. Politische Mitstreiter? Überrollt. Die frustrierte Ehefrau? Darf sich mit dem jungen Redenschreiber vergnügen – solange sie ihre eigenen politischen Ambitionen hintanstellt.

Das soll sich nun ändern. In der neuen, bereits fünften Staffel von „House of Cards“, die in Österreich ab dem 30. Mai auf dem Bezahlsender „Sky“ zu sehen ist, deutet vieles darauf hin, dass First Lady Claire Underwood (Robin Wright) bald selbst das Zepter in der Hand halten wird – oder zumindest danach greift. Am Ende der vierten Staffel, und die neuen Folgen schließen hier nahtlos an, meinte man das Ende von Präsident Underwood vor Augen zu haben. Angeschlagen von einem Attentat, das er nur mit Müh, Not und List überlebte, desaströsen Umfragewerten, einem starken Gegenkandidaten und einer investigativen Zeitungsgeschichte, die seine Administration zu Fall bringen drohte, schien sein Schicksal bereits besiegelt.

Doch der kampferprobte Präsident weiß: Angriff ist die beste Verteidigung. Der Terrorakt zweier halbwüchsiger Burschen, die sich dem „Islamischen Staat“ (in der Serie „ICO“ genannt) verschrieben haben, wird zu Beginn der neuen Folgen so geschickt ausgebreitet, manipuliert und künstlich am Leben gehalten, dass am Ende eine ganze Nation unter Schock steht. Im Kongress sucht Underwood derweil nach Mehrheiten für einen möglichen Krieg – und Menschen aus einigen muslimischen Ländern soll die Einreise in die USA erschwert werden. Das kennen wir bereits. Angst zu schüren, so das eiskalte Kalkül des Präsidentenpaares, ist eben die beste Waffe gegen sinkende Umfragewerte.

Gefährlich wird den Underwoods anno 2017 aber nicht nur die eigene Vergangenheit, sondern vor allem die Realität. „Trump übertrumpft uns“, musste Schauspielerin Wright kürzlich in der Talkshow von Ellen de Generes offenbaren. Die Macher der Politshow waren auf einiges vorbereitet, auf Trump nicht. Wie auch? Die neuen Folgen sind seit Monaten im Kasten. Ein Präsident, der vorsätzlich lügt, ständig seine Meinung ändert, einen kruden Beraterstab um sich schart, bei dem man nie genau weiß, wer in seiner Gunst steht oder bereits wieder in Ungnade gefallen ist, all das ist seit der Angelobung des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten keine Fiktion mehr. Die Gewissheit, dass es in der Realität ja nicht ganz so schlimm wie in einer TV-Serie ablaufen kann, hat sich in Luft aufgelöst.

Dass „House of Cards“ mit den täglichen Horror-Nachrichten aus dem Oval Office nicht mithalten kann, ja sogar altbacken wirkt, ist einerseits ein Problem für die Serie, andererseits auch interessant zu beobachten. Wer vom wohligen Schaudern noch nicht genug hat, wird sich wundern, wie ähnlich Fiktion und Realität einander geworden sind.

Über die Frage, ob nun „House of Cards“ oder doch Donald Trump die längere Halbwertszeit haben werden, kann nur spekuliert werden. Eines ist indes klar: In Zukunft wird es schwerere Geschütze als Frank Underwood brauchen.

Ausstrahlung: Ab 30.5.2017 parallel zur US-Ausstrahlung auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket verfügbar sowie um 21:15 Uhr, in Doppelfolgen auf Sky Atlantic. Ab 6.6.2017 dienstags, ab 20:15 Uhr, je zwei neue Episoden auf Sky Atlantic

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.