Hubert von Goisern: "Ich glaube dieses Gejammere nicht"

Unter Österreichs Popstars ist Hubert von Goisern eine Anomalie: ein Alpenrocker mit Liebe zur Weltmusik, ein Politprediger mit literarischen Ambitionen. Drei Monate nach seinem Romandebüt veröffentlicht er nun ein neues Album. Ein Gespräch über Corona-Schwarzmalerei, seine ökologischen Utopien und Dialogangebote an die Rechten.

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profil: Den Corona-Shutdown bezeichneten Sie in Interviews als "geil",als eine schöne Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. Muss man nicht recht privilegiert sein, um es so zu sehen können?
Hubert von Goisern: Doch, und ich handelte mir damit eh auch wieder einen Shitstorm ein. Ich verstehe natürlich die Einwände der Leute, denen es weniger gut geht als mir, aber soll ich lügen? Das kommt mir nicht in den Sinn. Ich kenne fast nur Menschen, die dieser Ruhephase etwas abgewinnen konnten. Meine Freunde in Kalifornien und Brasilien leiden sehr darunter. Das ist fürchterlich, was da abgeht, aber das war und ist bei uns in Österreich nicht so. Gut, keiner will's mehr hören, dass eine Krise auch eine Chance sein kann.

profil: Für Sie ist sie das?
HvG: Ja. Es liegt an uns, und ich hoffe, dass wir als Weltgesellschaft den Druck aufbauen können, dass beispielsweise Kerosin endlich versteuert wird. Wie kann denn ein sieben oder acht Jahrzehnte altes Gesetz, das einst den Flugverkehr fördern sollte, noch in Kraft sein? Wieso kosten Zugreisen immer noch das Vierfache mancher Flüge zum selben Ziel? Es kann nicht sein, dass der dreckige Schiffsdiesel weiterhin steuerfrei gehandelt wird! Alle jammern, alles liege darnieder: Aber auf der Autobahn rauscht ein LKW hinter dem anderen her, ein Stau folgt dem nächsten, ohne Ende. Ich glaube dieses Gejammere nicht. Wer versucht, einen Handwerker zu kriegen, schafft es nicht, weil alle ausgebucht sind. Ich glaube inzwischen, dass es die Künstler am härtesten trifft. Und durch diese Krise muss sich die Spreu vom Weizen trennen; was ist wirklich essenziell, was brauchen wir? Was wir nicht brauchen, wird verschwinden. Diese Souvenirstände in den Tourismusorten verkaufen unnötig produzierten Plastikmüll, der die Welt nur belastet. Im Schnitt wird in Europa ein T-Shirt drei Mal getragen, dann wird es entsorgt. Die Nachhaltigkeit, von der wir schon seit zehn Jahren reden, ist jetzt essenziell. Wir müssen effizienter mit unseren Ressourcen und uns selbst umgehen.

profil: War das Schreiben Ihres ersten Romans eine unumschränkt positive Erfahrung oder mitunter auch quälend?
HvG: Quälend war es nicht, aber ich hatte schon meine Stressmomente, in denen ich mir sicher war, dass ich das nicht hinkriegen würde. Mir war nur immer klar, dass ich es fertigschreiben wollte, denn wenn es Schwachsinn war, dann sollte es zumindest ein fertiger Schwachsinn sein. Ob es dann publizierbar sein würde, so sagte ich mir, entscheide ich am Ende. Aber ich wollte nicht darüber nachdenken, wer das dann lesen würde. Das hätte mich unter Druck gesetzt. Ich wollte mir beweisen, dass ich einen Roman schreiben kann. Als ich fertig war, hat Michael Köhlmeier mir die Rutsche zum Zsolnay Verlag gelegt, das war's. Ich ging gar nicht mehr zu anderen Verlagen.

profil: Und Ihr neues Album entstand parallel zur literarischen Arbeit?
HvG: Ja. Während des letzten halben Jahrs am Roman begann ich mich wieder nach der Musik und dem Zusammenspielen zu sehnen. Man wird in dieser Einsamkeit schon schrullig, wie man an vielen Schriftstellern merkt. Immer wenn ich nicht mehr wusste, wie es weitergehen sollte, hab ich eine Gitarre oder eine Trompete genommen oder mich ans Klavier gesetzt-und hab vor mich hin gespielt, ohne komponieren zu wollen, einfach aus Flucht vor der anfänglichen Schreibsperre. Ich hatte ja anfangs keine Ahnung, wie man einen Roman überhaupt baut. Ich wusste nur, dass meine Heldin wegläuft, aber wohin sollte sie reisen? Diese zufälligen musikalischen Ideen, die mir da kamen, hielt ich fest, ließ sie aber liegen. Ich hab 2017 und 2018 sicher 20,30 Ideen für Lieder gesammelt. Sie griff ich auf, als das Buch fertig war.

profil: In dem Song "Brauner Reiter" klagen Sie die Idiotie des Ewiggestrigen an, aber Ihr Lamento klingt eher resignativ als kämpferisch, fast wie ein Angebot zur Versöhnung. Muss man Rechtsextreme nicht bekämpfen?
HvG: Ich bin zu der reflektierten Haltung, die ich in "Brauner Reiter" zur Schau stelle, im täglichen Umgang nicht immer fähig, bin nicht immer so handreichend. Aber im Prozess des Schreibens schaffe ich das.

profil: Halten Sie Nazis für lernfähig?
HvG: Zumindest kann man mir nicht den Vorwurf machen, dass ich sie einfach nur schroff zurückweise. Ich akzeptiere sie nicht, aber ich möchte schon zu verstehen geben, dass es nicht an mir liegt, wenn wir nicht zum Dialog finden. Wenn ich mir allerdings die Postings der FPÖler zu meinen Liedern "A Tag wie heut" und "Brauner Reiter" anschaue, ist ein Dialogangebot vielleicht ohnehin ein bisserl optimistisch gedacht.

profil: Muss Ihr Album nun in die Charts-oder reicht es, dass es da ist?
HvG: Ich mache schon Musik, damit sie auch gehört wird. Aber es ist wie mit meinem Buch: Als es fertig war und mir ein gutes Gefühl gegeben hat, war das Wichtigste schon passiert. Ich freue mich, dass mein Album so geil geworden ist, dass es derart aufgegangen ist, dass wir die Ideen wirklich ohne Einschränkungen umsetzen konnten. Vielleicht hab ich noch zu wenig Distanz dazu, aber ich entdecke bislang keine Enttäuschung: Mein Produzent hat gemeint, dieses Album sei von Anfang an unter einem besonderen Stern gestanden. Es war auch ein Glück, dass im Lockdown plötzlich alle Zeit hatten, um noch die letzten Aufnahmen zu machen.

profil: Eine Art Verbot, sich mit anderen Menschen zu treffen, haben Sie in den Dekreten der Regierung nie gesehen?
HvG: Ich habe mich immer gewundert, wenn mir Leute aufgeregt erzählten, man dürfe nun nicht mehr das Haus verlassen. Für mich waren das Empfehlungen. Jeder, der wegen seiner Corona-"Übertretungen" Strafe bezahlt hat, ist selber schuld. Ich hätte das nie gezahlt.

profil: Das Bußgeld kriegt man jetzt angeblich eh wieder zurück.
HvG: Ja, wenn's wahr ist, Aber man muss kämpfen drum.

 

 

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.