Sujet der Kampagne #unhatewomen

profil-Morgenpost: #unhatewomen

Wir müssen heute, zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag, über die toxische Beziehung zwischen Hip-Hop und Frauen reden.

Drucken

Schriftgröße

Philip Dulle

Wir müssen heute, zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag, über die toxische Beziehung zwischen Hip-Hop und Frauen reden. Vor wenigen Tagen startete die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes die Kampagne #unhatewomen, mit der sie auf frauenverachtende Raptexte hinweisen will. In einem Video zitieren die Frauenrechtlerinnen gewaltverherrlichende, misogyne und sexistische Texte deutscher Hip-Hop-Größen, die im Netz millionenfach geklickt, gestreamt und geliked werden. Die Message des Videos: „Gewalt gegen Frauen ist nicht immer nur physisch. Auch Sprache kann Gewalt sein.“ Dazu muss man wissen: Hip-Hop ist das aktuell erfolgreichste Musikgenre, dominiert die Kinder- und Jugendzimmer und ist alles andere als ein gesellschaftliches Randthema.

Bezeichnend sind die Reaktionen auf die feministische Kampagne. Der deutsche Rap-Superstar Fler, dessen Texte unter anderem in dem Video zitiert werden, antwortete Frauen und Unterstützerinnen, die diese Kampagne in den sozialen Medien teilten, mit wüsten Drohungen und setzte über Instagram sogar ein Kopfgeld aus („Wer die Nutte ran bringt: 2000 €“). Der jüdische Comedian Shahak Shapira, der online zu Hilfe eilte, wurde zur Zielscheibe antisemitischer Attacken, während sich in den Sozialen Medien ein Kleinkrieg über die Deutungshoheit zwischen Kunstfreiheit und verbalen Gewaltausbrüchen entwickelte. Besagter Rapper soll währenddessen einem RTL-Kameramann am Berliner Kurfürstendamm die Nase blutig geschlagen haben. Mehr Gangsterrap geht nicht.

Das Millionengeschäft Deutschrap, in den letzten Jahren zwischen Kunstanspruch, Provokation und Sexismus changierend, muss erkennen, dass es keine Toleranz mehr für verbale Gewalt unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit geben darf, damit „die Hassrede gegen Frauen nicht zur Normalität wird“, wie das Terre des Femmes formuliert. Dafür braucht es natürlich auch mündige Musikfans, die nicht nur gedankenlos klicken, streamen und liken, sondern die Mucke im Zweifelsfall auch einfach mal abdrehen. Oder wie es die deutsche Kolumnistin und Autorin Sophie Passmann auf Twitter schrieb: „Finde es immer extrem rührend, wenn mieser Sexismus im Rap mit ~Kunstfreiheit~ verteidigt wird, weil: Du darfst als Künstler also alles sein, entscheidest Dich aber dafür, miesester Frauenhasser zu sein, ok cool.“

Musikalisch möchte ich Ihnen zwei Frauen, die jetzt zwar mit Hip-Hop nichts am Hut haben, kürzlich aber schöne neue Studioalben veröffentlicht haben, ans Herz legen. Die österreichische Singer-Songwriterin Violetta Parisini legt nach acht langen Jahren ihr erstes deutschsprachiges Album „Alles bleibt“ vor. Parisini besingt falsche Leistungsversprechen, das Leben als Mutter und erklärt, warum sie keine Lust mehr hat, gesellschaftlichen Konventionen zu folgen. Ein Lebensabschnittsalbum im besten Sinn.

Die zweite Musikerin heißt Agnes Obel, ist gebürtige Dänin, lebt in Berlin und hat vergangenen Mittwoch ein grandioses, zu Recht restlos ausverkauftes Konzert in der Wiener Arena gespielt. Im Interview mit profil sagt sie über die Wirksamkeit von Kunst im Jahr 2020: „Ich kann nachvollziehen, warum vor allem Jugendliche Angst und keine Zuversicht mehr haben. Andererseits glaube ich an die Kraft der Liebe und der Kreativität, wir haben Poesie und Wissenschaft – das kann uns retten.“

In diesem Sinne: Bleiben wir zuversichtlich!

Philip Dulle

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.