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Fühlst du es auch?

Die Dualität der Dinge: Billie Eilishs neues Album, genannt „Hit Me Hard and Soft“, findet und feiert Gegensätze.

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Untergetaucht? Das war Billie Eilish, auch wenn das Cover ihres dritten Albums es suggerieren mag, in jüngster Zeit mitnichten. Schließlich stand sie erst vor knapp zweieinhalb Monaten für einen Gänsehaut evozierenden Auftritt bei der Oscar-Verleihung auf der Bühne, wo sie anschließend ihre bereits zweite Trophäe für den besten Filmsong entgegennahm. Dennoch geriet der Rummel um die Veröffentlichung von „Hit Me Hard and Soft“ erstaunlich überschaubar: Interviews waren Mangelware, auf Vorab-Singles wartete man vergeblich. Das Album erschien ganz oldschool, ohne begleitendes Online-Marketing – paradox für eine Künstlerin, die ansonsten den Faktor der scheibchenweise gefütterten Social Media so souverän wie kaum eine andere einsetzt.

Möglicherweise hat das auch mit dem neuen Interesse an Ungereimtheiten und Widersprüchen zu tun, das Eilish schon im Albumtitel zum Ausdruck bringt. Unlogisch erscheint das nicht: Zwischen den eher selten synchronen Anforderungen von Gen-Z-Rollenvorbild und Selbstfindung hat sich die 22-Jährige als Fragende und Suchende unter den A-List-Popstars der Gegenwart längst etabliert. Die Dualität der Dinge ist hier von Anfang an evident: „Am I acting my age now? / Am I already on the way out?“, fragt Eilish im federleicht souligen Opener „Skinny“ noch nachdenklich, um im folgenden Uptempo-Banger „Lunch“ jedoch gleich offensiv queeres Begehren zu beschwören: „I could eat that girl for lunch“. 

Dieses Wechselbad der Gefühle wird von einer extrabreiten Palette an Soundästhetiken begleitet. Selbstsicher betreten Billie und ihr Bruder, Eilishs ständiger Kollaborateur Finneas, klangliches und kompositorisches Neuland – die produktive Zerlegung von Popsong-Patterns ist ihnen ebenso zur Selbstverständlichkeit geworden wie deren Perfektionierung. In den furiosesten Momenten dieser Sammlung von Hymnen für Stadien und Schlafzimmer reiben sich die Gegensätze sogar aufs Glückseligmachendste aneinander. Der Ausnahmetrack „Chihiro“ reist etwa in ein Zauberland, in dem nach der mit balladesker Bravour durchschrittenen Herzschmerzhölle schlagartig der Himmel voller herrlich flirrender Synthie-Arpeggios hängen darf: magisch. „Do you feel it too?“, will Billie an zentraler Songstelle wissen. Man kommt kaum umhin, mit einem verzückten „Yes!“ zu antworten.