Kino

Nur keine Abgründe: Das Amy-Winehouse-Biopic „Back to Black“

Das kurze Leben des britischen Pop-Wunderkinds Amy Winehouse im Zerrspiegel des Gefühlskinos: „Back to Black“ hat eine starke Hauptdarstellerin – und eklatante Buch- und Inszenierungsschwächen.

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Auf „Back to Black“, den Versuch einer spielfilmischen Rekapitulation des kurzen, suchtversehrten Lebens der Londoner Ausnahmesängerin Amy Winehouse (1983–2011), lässt sich aus verschiedenen Perspektiven blicken. Man kann diese Produktion als bewusst simplifizierende, als von allen Seiten her abgesicherte, mainstream-bemühte Banalitätensammlung, als Winehouse für Einsteiger begreifen – oder ihn geradezu fahrlässig naiv nennen: Denn es reicht natürlich nicht, wenn ein biografischer Kinofilm, der die Stationen des Aufstiegs und Falls einer jungen Hochbegabten auf die konventionellst denkbare Weise abspult, halbwegs faktentreu und mit möglichst viel „positiver“ Energie arbeitet; die eigene Oberflächlichkeit nehmen die kreativen Kräfte hinter „Back to Black“ möglicherweise gar nicht wahr. 
Tatsächlich erscheint nichts an diesem (in breitem Cockney gehaltenen) Film überraschend, abgesehen nur von der durchaus vitalen, auch gesangsstarken Darstellung der Künstlerin durch die junge Britin Marisa Abela. Regisseurin Sam Taylor-Johnson hakt, als wäre sie überfordert vom emotionalen Potenzial dieser Geschichte, schlicht deren scheinbar konstitutiven Elemente ab: das turbulente, aber liebevolle jüdische Familienleben, dem Winehouse entstammt; die frühen Autonomiebestrebungen der Künstlerin; die Beziehung zu dem instabilen Blake Fielder-Civil, an dessen Seite sie vollends in Abhängigkeit und Ruin schlitterte.

Ein Hauptproblem, das dieses nach einem Winehouse-Song betitelte Unterfangen hat, liegt in der relativen Geheimnislosigkeit des zwar spektakulären, aber lückenlos berichteten Stoffs; daran hat nicht nur die Boulevardpresse, die das private Elend und den öffentlichen Untergang der Amy Winehouse über Jahre bildstark-dröhnend begleitet hat, Schuld und Anteil, sondern beispielsweise auch Asif Kapadias weithin gesehener Dokumentarfilm „Amy“ (2015), der viel verstörendes Material aus einem entgleisenden Leben geliefert hat. Und nicht zuletzt zeugen ja die Liedertexte der Sängerin selbst ganz ungefiltert von den persönlichen Details der Existenz einer zu schnell zum Weltstar erklärten Wunderkinds. 
Die Inszenierung „Back to Black“ ist nun offenbar bemüht, dem Voyeurismus so wenig Raum wie möglich zu geben, auch das Grauen des vorzeitigen Verglühens nicht zu dramatisch auszubreiten, sie verfährt lieber allen gegenüber empathisch, auch auf die Gefahr der Verharmlosung hin: Taylor-Johnson und ihr musikaffiner Drehbuchautor Matt Greenhalgh lassen etwa Winehouses Vater, dargestellt von dem Güte und Arglosigkeit ausstrahlenden Eddie Marsan, als Karrieretreiber vom Haken; und auch das Liebesverhältnis zu Fielder-Civil wird zwar als schmerzhaft und tragisch beschrieben, aber doch stark romantisiert, als ginge es darum, auch in einer destruktiven Beziehung noch herzergreifend lichte Aspekte zu finden. 
Als Gegner bleiben so nur die Paparazzi, die Taylor-Johnson einige Male zu oft als den immergleichen, immer gierigen und gesichtslosen Mob darstellt, der die arme Amy bedrängt; die Diagnose ist jedoch ebenso kurz gegriffen wie reizlos. Von den Abgründen der extremen Labilität, unter der die junge Musikerin litt, von ihrer Selbstzerstörung durch Drogen und Bulimie, von der gut dokumentierten Gewalttätigkeit gegen sich selbst und andere, vermittelt dieser Film so gut wie nichts. 

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.