Mira Lu Kovacs alias Schmieds Puls und die Frage: Where do I go next?

Schmieds Puls: „Liebe ist immer noch ein Rätsel“

Die Wut war bisher ein eher stiller Begleiter in der Musik von Mira Lu Kovacs. Melancholie, weiche G

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Die Wut war bisher ein eher stiller Begleiter in der Musik von Mira Lu Kovacs. Melancholie, weiche Gitarrenklänge und eine sanfte Stimme haben die 29-Jährige mit ihren ersten beiden Alben in der heimischen Musikwelt zwischen Indie und Jazz bekannt gemacht. Dafür bekam sie mit ihrer Band Schmieds Puls im Jahr 2016 den FM4-Award bei der Amadeus-Preisverleihung. Ein Jahr später folgte das Album "And To In A" mit Kocacs' neuer "Elektrofunkpunk"-Formation 5K HD. "Das Album ist ein ganzer Plattenladen voller Melodien, einzigartigem Gesang und großen Gefühlen", schrieb profil damals über das Debüt.

Auf Schmieds Puls' neuem Album "Manic Acid Love" sind Kovacs' einzigartiger Gesang und große Gefühle ebenfalls zu finden. Aber zwischen den sanften Tönen ragen immer wieder Schübe der Wut hervor, die fordern, zurückweisen und klarstellen. "Ich habe mir bei diesem Album mehr denn je getraut zu sagen, was geht und was nicht", erzählt die Musikerin über das neue Album.

Am Ende der elf Stücke, wenn die Manie, Leidenschaft und Wut etwas abgeklungen sind, stellt Kovacs jedoch die Frage, wie es weitergeht könnte. Als mögliches Ziel steht die Liebe. Wie der Weg dorthin aussehen könnte, was sie wütend macht und warum es ihr wichtig war, diesmal die Gitarren grölen zu hören, darüber hat profil mit der Musikerin gesprochen.

Interview: Stephan Wabl

profil: Sie waren vor zwei Jahren einige Monate in den USA und Kanada. Haben Sie in dieser Zeit mit der Arbeit am neuen Album begonnen? Mira Lu Kovacs: Ich wollte mir eine Auszeit nehmen. Aber das hat nicht wirklich funktioniert. Ich bin ein paar Tage runtergekommen, habe dann aber bald schon wieder angefangen zu schreiben. Am Ende war mehr als das halbe Album fertig. Das lag auch daran, dass ich beim Reisen einfach gut schreiben kann.

profil: Wo waren Sie unterwegs? Kovacs: Ich war zuerst für drei Tage in Vancouver. Es war Oktober und die Stadt war großartig. Danach bin ich mit dem Bus Richtung Banff gefahren. Das ist in der Nähe eines National Parks. Dort war ich eine Woche mit einer Reisegruppe unterwegs. Das finde ich sehr angenehm, weil ich in solchen Gruppen nichts reden muss. Ich bin da oft die „Grumpy Person“ und die anderen lassen mich in Ruhe. Man ist zwar in einer Gruppe unterwegs, ist aber trotzdem alleine und kommt an die besonders schönen Orte. Diese Gegend war ein echtes Naturspektakel und total schön. Wir sind auf einen Berg hinauf gewandert, es hatte minus 13 Grad und es hat so stark geschneit, dass die Wanderung fast unmöglich wurde. Schließlich sind wir doch oben angekommen…es war wirklich magisch und sehr meditativ.

Ich habe mich im vergangenen Jahr viel damit beschäftigt, wie wichtig es für mich ist, verstanden zu werden.

profil: Das klingt wie ein Song auf Ihrem neuen Album. Kovacs: Ja, „The Walk“. Ich hab großen Respekt vor “traditionellem” Storytelling, obwohl ich das selbst in meiner Musik nicht so mache. Da bin ich eher metaphorisch und beschreibend. Diesmal wollte ich in diese Richtung gehen und etwas erzählen. Aber was sollte ich großartig erzählen? Also habe ich die Wanderung geschildert. Ich gehe, es ist kalt, es schneit, ich gehe weiter, da sind auch andere Leute, die reden nicht mit mir, ich gehe noch ein Stück, ich komme oben an. Aus. Das war eine derart friedliche Erfahrung, wie eine Wolke, die ich festhalten wollte.

profil: Welche Erfahrungen standen noch hinter den neuen Liedern? Kovacs: Ich habe mich im vergangenen Jahr viel damit beschäftigt, wie wichtig es für mich ist, verstanden zu werden. Oder zumindest nicht missverstanden zu werden. Bei den früheren Alben hatte ich noch Angst, zu direkt zu werden. Weil man könnte ja jemanden vor den Kopf stoßen. Geliebt werden möchte schließlich jeder. Aber ich habe mir bei diesem Album mehr denn je getraut zu sagen, was geht und was nicht. Es ist sehr wichtig, seine Grenzen zu wahren und Menschen zu sagen: bis hier hin und nicht weiter. Aber wenn einer Angst hat den Anderen zu verärgern und deshalb nicht sagt, was er möchte, dann bricht die Kommunikation zusammen. Es ist sehr befriedigend wenn Menschen miteinander reden können und es ankommt, was die Beteiligten sagen möchten. Gegenseitiges Verständnis kann sehr mächtig sein. Das ist auch der Grund, warum ich live spiele. Weil ich das Bedürfnis habe einen Raum zu bespielen und einen gemeinsamen Konsens zu finden, zwischen mir und dem Publikum.

profil: Hat diese Entwicklung zwischen den Alben eine Zeitlang gebraucht? Kovacs: Es hat sich schon länger angebahnt. Ich habe mich früher in Gesprächen häufig entschuldigt. Das Wort „Entschuldigung“ ist in fast jedem zweiten Satz gefallen. Ganz unbewusst. Das war so ein Tick. Mir ist es jedoch lieber, wenn ich und andere direkt sein können. Dann kennt sich jeder aus.

profil: „Superior (Fuck You)“, ein Lied am neuen Album, ist sehr direkt. Kovacs: Bei „Superior“ erzähle ich zwar aus der Ich-Perspektive. Gemeint ist aber eine gesammelte Stimme. Da spricht primär eine Gruppe von Frauen. Und das „Du“ ist ein bisschen schizophren gedacht und kann auch als Monolog mit mir selbst verstanden werden, der zum Dialog wird.

Es ist ermüdend, in welche Erklärungsnot man ständig kommt.

profil: Was erzählt der Song? Kovacs: Begegne mir auf Augenhöhe! Ich muss nicht zu dir runterklettern und du musst nicht zu mir rauf kommen oder umgekehrt. Wenn ich in deinen Klub komme, frage mich, wie ich meinen Gitarrensound haben möchte und nicht meinen Schlagzeuger. Feminismus ist für alle da. Auch wenn ich das Wort nicht in meinen Texten verwende. Aber natürlich geht es darum: in der Musikbranche und im Privatleben. Es ist ermüdend, in welche Erklärungsnot man ständig kommt. Reden wir auf Augenhöhe, dann bekommst du auch eine gute Antwort. Ich treffe immer wieder Menschen, die mir etwas nicht zutrauen oder aus der Hand nehmen wollen. Das akzeptiere ich nicht mehr.

Schmieds Puls: Mira Lu Kovacs mit Walter Singer (links, Kontrabass) und Christian Grobauer  (rechts, Schlagzeug).

profil: Sie scheinen häufig wütend zu sein. Kovacs: Wer in unserer Zeit nicht wütend ist, den verstehe ich nicht. Wenn manche sagen: Ich weiß nicht, was dich aufregt. Das kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt momentan sehr viele Gründe, sich aufzuregen. Das heißt nicht, dass man nicht auf sich aufpassen muss und immer wieder ein bisschen Abstand braucht von der Aufregung. Das ist nur gesund. Daher habe ich auch den Vulkan als Coverbild gewählt. Ich möchte nicht implodieren, sondern die Wut lieber rauslassen.

profil: Tun Sie sich schwer damit, Kontrolle abzugeben? Das Album klingt auch danach, loslassen zu wollen. Kovacs: Es ist ein sicherlich ein Album darüber, dass ich lernen möchte, loszulassen. Aber ich bin noch nicht soweit. Zum Beispiel singe ich auf dem ersten Song „The Plan“: „If you leave this to me then I can handle it.“ Dahinter steht der Gedanke, dass es besser wäre, wenn ich alles alleine machen würde. Weil erstens würde es dann sicher besser funktionieren und zweitens kann man sich eh auf niemanden verlassen. Aber fast nichts auf dieser Welt schafft man alleine. Bei fast jedem Schritt hilft dir jemand, und das ist auch völlig okay. Es ist lächerlich, dass ich Angst davor habe, nicht als stark genug zu wirken, wenn ich Hilfe annehme. Aber ich bin noch nicht so offen, wie ich es manchmal gerne wäre. Mit diesem Song mache ich mich aber auch ein bisschen lustig über mich und zeige mit dem Finger auf mich selbst.

Ich mag es, wenn jemand nicht vor einem Streit davonläuft.

profil: Im letzten Stück „The Urge of Night“ singen Sie „I set a date for my transformation“. Geht es darin um diesen Prozess? Kovacs: Das letzte Stück soll ein Tor in jene Richtung sein, wohin ich gehen möchte. „Manic Acid Love“. Das sind diese drei Stationen: Manie, Wut, die Schaffenswut vielleicht auch. Bei der letzten Station, dem Zen-artigen Frieden (Love) bin ich allerdings noch nicht angekommen. Die letzte Nummer ist eine Vorahnung. Jeden Tag zu kämpfen ist sehr anstrengend. Sich wehren zu müssen und immer wieder Grenzen zu setzen, ist wirklich mühsam. Ich habe aber das Gefühl, dass viele Situationen diese Anstrengung von mir fordern. Aber vielleicht kommt die Weisheit mit dem Alter. Das letzte Stück sagt ein bisschen: Hey, it’s gonna be okay. Darin steckt ein friedlicher Gedanke, der auch das Verzeihen und das Versöhnen beinhaltet.

profil: Was bedeutet Liebe für Sie? Kovacs: Liebe ist immer noch ein Rätsel für mich. Was ich bisher versucht habe, war ein stolpernder Versuch. Liebe ist wahrscheinlich leben und leben lassen. Ich will niemanden verändern. Wenn man miteinander schweigen kann, das ist auch schön. Aber auch wenn man miteinander streiten kann. Ich mag es, wenn jemand nicht vor einem Streit davonläuft. Für mich ist das normal und eine Form der Konfrontation. Bei uns zuhause wurde viel gestritten.

Bis auf das Stück „Don’t Love Me Like That“ geht es auf dem Album allerdings nicht um Liebesbeziehungen. Bei „The Plan“ ist der Text symbolisch gemeint für die Beziehung, die man mit sich selbst bis an sein Lebensende hegt und pflegt. Ich bin auch sicher meine härteste Kritikerin. Und niemand kann so böse sein, wie ich zur mir selbst. Aber manchmal muss es krachen, damit es besser wird. Ich habe Dinge selbst manchmal erst begriffen, wenn sie mir jemand in aller Heftigkeit und Emotionalität entgegen geschmettert hat. Da habe ich es erst verstanden, weil dir der ganze Körper vor Wut bebt, dass du dich missverstanden fühlst und ich eine Grenze überschritten habe.

profil: Was steckt in Ihnen, mit dem Sie noch nicht im Reinen sind? Eigene Erwartungen? Kovacs: Ja, zum Beispiel. Und die Frage: Was erwarte ich mir überhaupt, wenn ich ein Ziel erreicht habe? Was habe ich davon, wenn eine Erwartung in Erfüllung geht? Geht es mir dann so und so und ist es wirklich das, was ich eigentlich will? Denn hinter unseren Wünschen verstecken sich oft ganz andere Bedürfnisse. Vielleicht möchte ich für den Rest meines Lebens aber lieber auf einer Wiese liegen und über die komischen Wolken lachen. Das ist ein viel schöneres Bild als über Erfolge nachzudenken.

Das neue Album "Manic Acid Love" erscheint am 7.9. bei "Play Dead Records".

profil: Nicht nur die Texte, auch der Sound auf dem Album ist direkter geworden. Kovacs: Das ist auch aus meiner Emotion heraus gekommen, mir nichts sagen zu lassen. Meine Framus-Gitarre zum Beispiel ist ein kleines Instrument mit einem sehr speziellen Sound. Wenn ich sie selber auf der Bühne spiele, höre ich sie anders, als auf den Aufnahmen zu den früheren Alben. Da klingt sie immer sehr lieb und ein wenig wie ein Banjo. Bei diesem Album wollte ich aber, dass die Leute mein Instrument so hören wie ich es akustisch wahrnehme. Denn da kracht sie, ist rau und hat volle Bässe. Sie klingt natürlich auch schön. Aber nicht weich. Ich wollte, dass man das auf dem Album spürt.

Ich habe einen Riesenspaß daran, wenn die Gitarren grölen.

profil: Ging es Ihnen auch darum, sich selbst herauszufordern? Kovacs: Mir ist es wichtig, dass wir live nicht nur traurige Lieder spielen. Ich habe einen Riesenspaß daran, wenn die Gitarren grölen. Ich wollte bei den neuen Stücken etwas machen, was ich selbst gerne höre, aber bisher nicht in meinen eigenen Sound integriert habe. Es war sehr schön, Klänge zu erzeugen, die nicht nach dem Klingen was man bereits von mir kennt. Bei „Superior“ zum Beispiel schreit die Gitarre, aber ich singe leise und bleibe bei mir. Ein bisschen nach dem Motto: So hast du mich noch nie gehört!

profil: Was wünschen Sie dem Album? Kovacs: Ich wünsche mir, dass die Menschen eine Verbindung zu den ersten beiden Album sehen. Dass „Manic Acid Love“ kein Alien in Werk von Schmieds Puls ist, sondern eine logische Konsequenz.

Zur Person Mira Lu Kovacs (29) hat mir ihrer Band Schmieds Puls die Alben „Play Dead“ (2013), „I Care a Little Less About Everything Now“ (2015) und nun „Manic Acid Love“ (2018) veröffentlicht. Als Teil der Formation 5K HD hat sie im Jahr 2017 das Album „And To In A“ herausgebracht.