Pop

Songtexte ins offene Messer laufen lassen: Ein neues Album von Ja, Panik

Die Band Ja, Panik prägt seit fast zwei Jahrzehnten den deutschsprachigen Diskurs-Pop. Nun erscheint ihr siebentes Album, das die Möglichkeit grundlegender Veränderungen feiert – und dazu rät, sich von den Reichen fernzuhalten. Eine Begegnung mit Andreas Spechtl, dem Autor und Sänger der Gruppe.

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Andreas Spechtl lächelt selten. Auf Fotos und in Musikvideos nie, aber auch abseits der Kameras hüllt er sich gern in eine Aura der Melancholie. Er tut das übrigens nicht, um sich wichtig zu machen, er reagiert so nur angemessen auf die Zumutungen der Gegenwart. Er hat ja recht, was gibt es denn zu lachen? Es hagelt üble Nachrichten da draußen, und konsequente Verdrängung ist leider auch keine Option, denn den Wahnsinn um uns herum lässt sie nicht verschwinden.

Interessanterweise aber erscheint Spechtl, Mastermind und Frontgestalt der Band Ja, Panik, im persönlichen Gespräch dann sehr zugewandt, bisweilen gar verschmitzt – und für einen Melancholiker erstaunlich mitteilsam. „Don’t Play with the Rich Kids“ heißt das jüngste, dieser Tage erscheinende Album von Ja, Panik, es ist das siebente seit dem Debüt 2006. Und es setzt, vorwärtsgeschoben von vieldeutigen Texten und biologisch gehärteten Rock-Riffs, einer dystopischen Wirklichkeit aus Rechtsextremismus, Krieg, Kapitalverbrechen und Klimakatastrophe ein paar ungeahnte utopische Momente entgegen (siehe Kritik unten).

Mit Vorschlägen zur Güte war aber nicht unbedingt zu rechnen aus dem Inneren einer Band, die seit 2005 existiert und eine ihrer frühen Singles „Alles hin, hin, hin“ genannt hat. „Wenn man sich unsere Platten in der Reihenfolge ihres Entstehens anhört, haben die etwas fast Bipolares“, setzt Andreas Spechtl zur Selbstanalyse an: „‚Dmd Kiu Lidt‘ wirkt einigermaßen depressiv, ‚Libertatia‘ sehr zuversichtlich, ‚Die Gruppe‘ war dann eher dystopisch, und mit dem neuen Album hegen wir einen gewissen Zweckoptimismus.“ Wenn er nun singe: „Ich glaub schon, dass man uns ändern kann“, dann sei er sich da zwar selbst nicht so sicher. „Aber Utopien sind dazu da, dass man die Welt, die man ersehnt, erst mal übertreiben muss, um dann wenigstens die Schwundstufe davon zu erreichen. Drei Schritte vor, zwei zurück – ein bisschen Weg hat man dann trotzdem gemacht.“

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.