Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Brust ab

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Angelina Jolie hat – wegen eines hohen Brustkrebsrisikos auf Grund ihrer genetischen Disposition – ihre Brüste amputieren lassen. Eine radikale Präventionsmaßnahme, aber Jolies ganz persönliche Entscheidung, über die andere nicht zu urteilen haben. Was hingegen zur Diskussion steht, sind die Botschaften, die daraus abgeleitet werden. Denn Jolie ist eine öffentliche Person, die ihren Entschluss selber öffentlich gemacht und (in der „New York Times“) erklärt hat. Das bleibt nicht ohne Wirkung. Was also lernen wir daraus?

Die Vokabeln Heldin und Mut, die in zahlreichen Statements, vor allem von Jolies Familie, strapaziert werden, sollten wir gleich vergessen. Man muss nicht mutig und tapfer sein, wenn es um Krankheiten oder ein hohes Krankheitsrisiko geht. Furcht, Traurigkeit und zaghaftes Zurückschrecken vor invasiven Eingriffen sind zunächst einmal normal und erlaubt. Die Anmaßung, mit der Gesunde Kranken oder von Krankheit Bedrohten empfehlen, mit musketierhafter Courage gegen ihr Leiden anzugehen, entspringt purer Bequemlichkeit – man will in den Kummer der Kranken nicht hineingezogen werden. Wie taff Angelina Jolie ist und ob wir uns daran ein Beispiel nehmen sollen, steht also nicht zur Debatte. Für ermutigend und wertvoll halte ich hingegen ihre Aussage, sie fühle sich nach der Operation nicht weniger als Frau denn vorher und sei in ihrer Weiblichkeit nicht beeinträchtigt. Das ist eine wichtige Message in einer Zeit, in der sich junge Mädchen zur Matura eine Brustvergrößerung wünschen, weil medial permanent der Eindruck erzeugt wird, erst Körbchengröße D mache den weiblichen Menschen zu einem annehmbaren solchen. (Nicht, dass frühere Zeiten viel vernünftiger gewesen wären. Ich erinnere mich gut an die Hypes um die so genannten Sexbomben – dralle Damen mit gepushten Kurven – der 1950er- und 1960er-Jahre. Aber immerhin standen mir als Teenager auch knabenhafte Ikonen wie Audrey Hepburn, Jean Shrimpton oder Twiggy als Vorbilder zur Verfügung. Waren zwar ­fragwürdig dünn, aber zumindest oberweitenmäßig einholbar.)

Natürlich darf man nicht beiseitelassen, dass Jolie dank der rekonstruierenden Chirurgie nicht unter der Sichtbarkeit der Amputationsfolgen zu leiden hat. Das ist eine enorme Hilfe, die auch Nicht-Promis heutzutage in Anspruch nehmen können. Da erinnere ich mich ebenfalls an noch nicht gar so lang vergangene Zeiten, als ich mit der Interviewfrage, wie Frauen nach Brustoperationen psychisch geholfen werde, bei einer medizinischen Kapazität auf totale Verständnislosigkeit stieß. Was meinen Sie?, fragte der verdienstvolle Mediziner damals. Diese Frauen sollen einfach froh sein, dass sie mit dem Leben davongekommen sind.

Eine solche Haltung ist heute nicht mehr üblich. Dass Menschen nach schweren Eingriffen nicht auch noch unter massiven Beeinträchtigungen ihres Aussehens leiden möchten, wird allgemein nicht als vermessene Eitelkeit, sondern als begreifliches Bedürfnis gesehen.

Trotzdem: Die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie sind eins, das Gefühl, wesentliche Geschlechtsmerkmale eingebüßt zu haben, ist ein anderes. Da ist es schon ein wichtiges Signal, wenn eine Frau wie Angelina Jolie erklärt, dass sie ihre weibliche Identität von dieser Einbuße nicht bedroht sieht.

Wie notwendig derartige Ansagen sind, zeigt sich nicht zuletzt angesichts vieler Reaktionen auf ihren Entschluss. Beispielhaft die Worte eines Kommentators in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über die angebliche ­Widersprüchlichkeit in Jolies Verhalten, die einerseits Krisengebiete bereise und sich andererseits aus Angst, frühzeitig zu sterben, das Symbol ihrer Weiblichkeit abnehmen lasse.

Symbol ihrer Weiblichkeit. Ohne Brustgewebe keine Frau. So wird es Frauen beigebracht. Aber müssen sie es so akzeptieren? Frau Jolie sagt nein, und das ist eine wichtige Botschaft.

Unbehagen kommt hingegen bei der Frage auf, wie weit Vorbeugung gehen soll oder muss. Bei einer genetischen Disposition, wie Jolie sie aufweist, gehört die Mastektomie zu den Präventivmöglichkeiten, die Patientinnen üblicherweise angeboten werden.
Eine andere sind Vorsorgeuntersuchungen in kurzen Abständen. Sie verhindern freilich den Ausbruch der Krankheit nicht, sondern bewirken im besten Fall, dass die Erkrankung – so sie eintritt – früh bemerkt und behandelt werden kann. Wofür sie sich entscheiden, bleibt den Betroffenen überlassen.

Zu befürchten ist allerdings, dass ein zunehmender Glaube an die umfassende Wirkung von Risikovermeidung Menschen langfristig unter Druck setzen wird. Nicht rechtzeitig kontrolliert? Nicht vorgebeugt? Risikofaktoren missachtet? Ja, dann. Mutwillig erkrankt!

Selbstverständlich ist es gescheit und in unserem eigenen Interesse, von den Möglichkeiten der Vorsorgemedizin Gebrauch zu machen. Aber ergibt sich daraus die Verpflichtung, quasi um jeden Preis gesund zu bleiben? Wie akribisch müssen wir über unsere Körper wachen? Was alles müssen wir voraussehen und verhindern? Mit welchen Mitteln müssen wir unsere Körper warten und in Schuss halten? Und, nicht zuletzt: Was macht so eine ständige Alarmbereitschaft mit unserer Psyche?

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