Börsen 2024: Party oder Kater?
Von Monika Rosen
2023 erwies sich als großartiges Jahr für die (meisten) Börsen, speziell wenn man die geopolitischen und auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen in Rechnung stellt. Angeführt wurde die Hitliste von den großen US-Tech-Aktien. Die Nasdaq schoss um sagenhafte 43 Prozent nach oben, das ist eine der besten Leistungen der letzten beiden Dekaden. Dem steht allerdings auch ein Rückgang von 33 Prozent im Jahr 2022 gegenüber. Aber auch in Europa hatten die Anleger Grund zum Jubeln, der DAX beispielsweise legte 2023 fast 20 Prozent zu. In Japan verbuchte der Nikkei mit einem Plus von 28 Prozent die stärkste Performance der Region. Die chinesischen Indizes finden sich hingegen am anderen Ende der Skala, der Hang Seng verlor im alten Jahr über 14 Prozent.
Neben einer Erholung nach den schweren Verlusten 2022 wurde die Rallye vor allem von der Tatsache angetrieben, dass in den meisten westlichen Ländern eine Rezession bisher vermieden werden konnte. Das Wachstum wurde weltweit durch fiskalpolitische Maßnahmen zumindest stabilisiert. Gerade in den USA hat sich der private Konsum einmal mehr als Stütze der Konjunktur erwiesen. Dazu kam ein Rückgang der Inflation, wenngleich hier die Zielwerte der Notenbanken noch keineswegs erreicht sind.
Für das noch junge Börsenjahr 2024 gibt es aktuell daher schon einige Vorschusslorbeeren, die vor allem auf der Hoffnung auf Zinssenkungen beruhen.
Für das noch junge Börsenjahr 2024 gibt es aktuell daher schon einige Vorschusslorbeeren, die vor allem auf der Hoffnung auf Zinssenkungen beruhen. Mit einer Abkühlung der Inflation sowohl in den USA als auch in Europa hat sich zuletzt die Überzeugung durchgesetzt, dass die Phase der Zinsanhebungen auf alle Fälle vorbei ist. Dem aber nicht genug, begannen die Märkte zunehmend auf baldige Zinssenkungen zu spekulieren. Diesbezügliche Hoffnungen erhielten nochmals neue Nahrung, als die US-Notenbank bei ihrer Dezember-Sitzung ihre eigene Prognose für 2024 von bisher zwei auf jetzt drei Senkungen à 25 Basispunkten anhob. Demgegenüber zeigte sich die EZB in ihren Äußerungen etwas restriktiver. Dort hieß es, man will die Datenlage weiter genau beobachten, Zinssenkungen seien derzeit noch kein Thema.
China enttäuscht Erwartungen
Wenn es eine große Fehlprognose im alten Jahr gab, so war es die zur wirtschaftlichen Entwicklung in China. Nachdem das Land Ende 2022 die Covid-Restriktionen fast überfallsartig aufgehoben hatte, erwarteten die meisten Experten, dass der Schritt deutlichen Rückenwind für China und damit auch für seine Handelspartner bringen würde. Der Impuls blieb aber aus, und obendrein geriet der lokale Immobilienmarkt schwer unter Druck. Für 2024 hat das Reich der Mitte eine Belebung des privaten Konsums angekündigt, die Phase der Verarbeitung der Pandemie sei vorbei. Die Weltbank sieht in ihrer aktuellen Prognose jedenfalls weiter erhebliche Risken für die chinesische Konjunktur.
Was die Börsen betrifft, könnte man die Fragestellung für 2024 vielleicht auf folgenden Nenner bringen: Schafft die US-Notenbank die berühmte „sanfte Landung“, also ein Abbremsen der Konjunktur ohne Rezession? Und falls ja, wird das die Aktienkurse weiter beflügeln oder haben die erheblichen Anstiege des Vorjahres bereits alles vorweggenommen?
Generell gehen die Experten mit verhaltenem Optimismus ins neue Jahr, wobei schon auffällt, dass die Jahresendprognosen für den S&P 500 besonders breit gestreut sind: Von einem Plus von knapp zehn Prozent bis zu einem zweistelligen Rückgang ist alles dabei. Viele Beobachter gehen auch davon aus, dass die starke Dominanz der US-Tech-Aktien sich heuer so nicht mehr fortsetzen wird. Vielmehr sollte die Rallye mehr Sektoren erfassen, ein Trend, der sich gegen Jahresende 2023 ja schon angedeutet hat. Die europäischen Börsen hätten wieder einmal die Chance auf eine Outperformance gegenüber den USA. Der Bewertungsabschlag zur Wall Street ist beträchtlich, selbst mit dem weiterhin schwelenden Ukraine-Krieg als latentem Unsicherheitsfaktor. Während also die Rahmenbedingungen für Europa heuer von niedrigem Niveau aus besser werden könnten, kann die USA ihren deutlichen Vorsprung eigentlich nur halten. Daraus könnten sich selektive Chancen für Europa ergeben.
Zur Person
Monika Rosen (61) ist Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft.