Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Das Staatskomplott

Das Staatskomplott

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In diesen Tagen mehren sich die Fälle, in denen österreichische Staatsbürger nicht am Telefon mit profil sprechen wollen und schon gar nicht per Handy. Entsprechend häufig finden persönliche Treffen statt, und das regelmäßig an wenig frequentierten Orten in Agentenmanier. Der Grund für dieses eigenartige Verhalten ist tatsächlich abenteuerlich, aber er ist keineswegs unterhaltsam: Es gibt in diesem Land eine Handvoll Menschen, unter ihnen grundvernünftige Manager und Politiker, die argwöhnen, dass ihre Telefone oder jene der profil-Journalisten abgehört werden. Und zwar durch Personen im Umfeld des Innenministeriums – ohne konkrete Verdachtslage und ohne richterliche Genehmigung. Ehrlich gesagt: Wir halten das für unwahrscheinlich, aber für möglich.

Wenn profil in dieser Woche mit den Worten „Das Staatskomplott“ titelt, dann nicht in journalistischer Zuspitzung oder effekthaschender Übertreibung. Was sich scheinbar bloß an einer Nebenfront des Telekomskandals abspielt, ist in Wahrheit einer der heikleren Skandale in der Zweiten Republik. Die Vorgänge unterscheiden sich von der Fülle an unappetitlichen Vorkommnissen, die der Öffentlichkeit in diesen Wochen bis zum Überdruss reportiert werden, dadurch, dass sie an den fragilsten Stellen jeder Demokratie ansetzen: im Herzen von Innen- und Justizministerium und an der Schnittstelle dieser beiden. Da geht es nicht um Schmiergeldzahlungen zwischen Konzernen oder zwischen Konzernen und politischen Auftraggebern. Da ist vielmehr das Staatsgefüge als solches betroffen; hier sind Grundstrukturen der Republik tangiert; hier dreht es sich möglicherweise um einen Versuch, die von der Verfassung vorgesehene Funktionsweise der Demokratie außer Kraft zu setzen.

Zur Erinnerung und als Exzerpt der Titelgeschichte dieser Ausgabe: Es geht darum, dass Michael Kloibmüller, der Kabinettschef der ÖVP-Innenministerin, Druck auf den Generaldirektor der Telekom – eines Unternehmens mit Staatsbeteiligung im Einflussbereich des ÖVP-geführten Finanzministeriums – ausgeübt haben soll, indem er diesem mit schwerwiegenden persönlichen Konsequenzen gedroht hat. Und zwar für den Fall, dass das Unternehmen die Verwicklungen des Lobbyisten, Waffenhändlers und Ehemanns der ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat, Alfons Mensdorff-Pouilly, in den Telekomskandal offensiv kommunizieren würde. Dieser Versuch politischer Vertuschung ist in einem profil vorliegenden ­Aktenvermerk der Telekom dokumentiert. Kloibmüller bestreitet den Sachverhalt.

Ein Kabinettschef ist freilich nicht irgendwer. Vielmehr ist er einer der wichtigsten Mitarbeiter eines Ministeriums und im Innenministerium noch ein wenig mehr: Kloibmüller ist eine der mächtigsten Personen der Republik, da ihm im Wege seiner Chefin der gesamte Polizeiapparat des Landes untersteht.

Was zum unmittelbaren Anlass für diese Titelgeschichte führt: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Kloibmüller wegen Amtsmissbrauchs und Geheimnisverrats. Der Verdacht: Er soll in Untersuchungen rund um die Telekomaffäre eingegriffen und Ermittlungsergebnisse an Beschuldigte verraten haben. Kloibmüller bestreitet die Vorwürfe.

Und heikel daran ist wiederum besonders: Die Untersuchungen im Telekomskandal werden vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) geführt, das im Innenministerium angesiedelt ist. Das würde bedeuten: Das Innenministerium hintertreibt selbst Untersuchungen des Innenministeriums, die als Grundlage für weitere Schritte des Justizministeriums dienen sollten. Die Exekutive hebelt also die Judikative und damit die Bundesverfassung aus.

Wegen dieses Verdachts wird nun also das Justizministerium in Gestalt der Staatsanwaltschaft (einmal mehr auch das BAK) tätig. Die Staatsanwaltschaft ist freilich der Justizministerin weisungsgebunden. Und das bedeutet: Nun muss die ÖVP-Justiziministerin gegen die ÖVP-Innenministerin (in Person ihres Kabinettschefs) tätig werden – und das mithilfe des BAK, das der Innenministerin zugeordnet ist. Die Innenministerin aber hat die Ermittlungen gegen ihren Mitarbeiter am Donnerstag der Vorwoche mit den Worten „unerträglich und eine Schande“ kommentiert – womit Johanna Mikl-Leitner im Grunde über Beatrix Karl (und ihr eigenes BAK) befunden hat.

Wer glaubt, dass Gewaltentrennung und Rechtsstaat hier noch funktionieren können?

Wikipedia definiert Komplott so: Es ist entweder die Verabredung zu einem Verbrechen, oder es ist die Verabredung zu einer nicht strafbaren, aber moralisch verwerflichen Handlung. Für ein Komplott auf Regierungsebene finden sich neben dem Wort Staatskomplott noch deutlich schärfere Bezeichnungen.

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