Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Das Wunder des 3. März

Das Wunder des 3. März

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Zwei Lehren ziehen der gemeine Mann und die gemeine Frau sowie viele zu allem Möglichen berufene Kommentatoren aus den Wahlen in Niederösterreich und Kärnten. Eins: Die FPÖ ist am Ende, der Schlussstrich unter das Kapitel Jörg Haider gezogen. Zwei: Die Kärntner haben eindrücklich bewiesen, dass sie nicht sind, wofür sie außerhalb ihrer Trutzmauern bisher gehalten wurden, also mehrheitlich Verehrer von falschen Helden oder selbst Dodeln. So schnell geht es – der Score eines gemischten Doppels von Landtagswahlen, und schon ist die Welt eine andere.

Dem widerspreche ich und behaupte das Gegenteil.

Selbst mein Kollege Herbert Lackner, der ein Wegsiechen der extrem rechten Politik in Österreich für wahrscheinlicher hält als ich (siehe Titelgeschichte), muss ob der Vehemenz schmunzeln, mit der diese Idee in der vergangenen Woche vertreten wurde. Er verweist ironisch auf eine profil-Covergeschichte des Jahres 1989, unter anderem von ihm verfasst, die folgenden gewagten Titel trug: „Jörg Haider. Der Lack ist ab.“ Es war nicht die einzige Gelegenheit, bei der den Freiheitlichen samt später gegründetem BZÖ ein unmittelbar bevorstehendes, wenn nicht manifestes Ende attestiert wurde. Unter den Propheten fanden sich Stammtischintellektuelle ebenso wie honorige Wissenschafter, die Mitbewerber auf dem politischen Markt und zwei Generationen von Journalisten.

Wahr ist vielmehr: In den vergangenen beiden Jahrzehnten waren die Freiheitlichen immer wieder die mit ihren drohungsschwangeren Inhalten bestimmende Kraft im Staat. Sie diktierten die auf Ausländer anzuwendenden Gesetze ebenso, wie sie die mieselsüchtige Haltung der Österreicher gegenüber Europa konservierten und modellierten. Ich behaupte: Neben dem Lagermisstrauen zwischen Sozialdemokratie und Volkspartei ­sowie dem Narkosemittel Föderalismus ist es der permanentängstliche Seitenblick in Richtung FPÖ, der Entscheidungen im Land unmöglich macht.

Der alles durchwachsende Populismuspilz päppelte die Rechten auf stattliche Größe: In regelmäßigen Wellen schwimmt die FPÖ auf Augenhöhe mit SPÖ und ÖVP, landete bei den Nationalratswahlen 1999 auf Platz zwei und bei den Umfragen in den Wochen danach gar an erster ­Stelle.
Warum sollte das plötzlich anders sein? Bloß weil in der Person Frank Stronach mit einem Schlag ein Populist aufgetaucht ist, der über einen mythenbeladenen Lebenslauf und echte Milliarden verfügt? Mit Verlaub und mit den Wünschen für ein langes Leben: Das Ablaufdatum der ­Liste Stronach ist absehbar, mit dem Abtreten des Patriarchen wird die Bewegung zwangsläufig so schnell verschwinden, wie sie kam.
Davon abgesehen ist alles beim Gewohnten geblieben: Heinz-Christian Strache ist weiterhin der ideale Führer einer rücksichtslosen Oppositionspartei – taktisch klug, schmuck anzusehen, wirkungsvoller Brandredner, ohne Widersacher im eigenen Stall. Die Themen sind geblieben – Ausländer, Abzocker, Bonzentum, Europa (derzeit mit Stronach zu teilen); falls die Krise stärker wird und damit der Arbeitsmarkt schwach, werden Straches Chancen exponentiell steigen.

Geblieben ist auch der politische Gegner – schwache Persönlichkeiten mit schwachen Thesen.

Geblieben sind schließlich auch die Wähler.

Was uns nach Kärnten führt, wo am Sonntag, den 3. März im Jahr des Herrn 2013 ein Wunder geschehen sein soll und der gute Geist auf das Land niedergekommen: Der Großteil jener 48,59 Prozent der Wähler, die 2009 für BZÖ oder FPÖ gestimmt hatten, besann sich vom Donner ­gerührt eines Besseren, erkannte reumütig die eigenen Fehler, wandelte sich von glühenden Jüngern der alten (und teuren) Heilslehre zu braven Anhängern dreier ­ordentlicher Parteien und ihrer pragmatischen Kandidaten.

Das halbe Kärnten wurde zu einem ganz anderen Land.

Wer das glaubt, ist wohl selbst heimlicher Kärntner. Wahr ist vielmehr: Die Skandale inmitten der Freiheitlichen waren am späten Ende doch zu viel geworden. Erst Lichtjahre nachdem sich jeder vernünftige Mensch von der ideologisch verseuchten, moralisch korrupten und handwerklich unfähigen Truppe abgewendet hätte, besannen sich die ehemaligen Haider- und Dörfler-Wähler eines Besseren.

Allerdings bei Weitem nicht alle: Die Hälfte von ihnen – 23,25 Prozent für FPK und BZÖ – wählte einmal mehr den rechten Wahnsinn.

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