Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Der Staat als Bankrotteur

Der Staat als Bankrotteur

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Vor einigen Monaten schrieb ich hier, fahrlässige Staaten und nicht gierige Manager trügen Schuld an der Weltwirtschaftskrise. Die Politik hätte versagt, als sie sich einer ihrer Hauptaufgaben im Feld der Ökonomie entledigte, indem sie die Finanzmärkte zunächst nicht sinnvoll regulierte und hernach nicht effektiv kontrollierte. Dies den Unternehmen – im aktuellen Fall zumeist Banken – anzulasten, die per Definition in maximaler Ausnutzung der Rahmenbedingungen agieren, sei dumm. Die Krise sei also nicht Folge von zügelloser Marktwirtschaft, sondern von Politik, die ihre Zügel nicht in der Hand hatte, nicht ein inhärentes Risiko des Turbokapitalismus, sondern ein manifestes Ergebnis falscher politischer Steuerung.

Die Reaktionen auf jenen Leitartikel waren vielfältig und mehrheitlich ungläubig. Ob ich das den ernst meinte, was ich da schrieb, ob ich nicht einsähe, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, auf altbewährte Konzepte zurückzugreifen, wann ich denn bitte endlich die Überlegenheit des Staates bei der Ordnung ökonomischer Zusammenhänge anerkennen wollte?

Ich meine es ernst, ich sehe nicht ein, ich will nichts anerkennen. Ganz im Gegenteil. Ich lege nach. Nur Verblendete können negieren: Die vergangenen Monate haben nicht bloß auf der Metaebene Tonnen an Beweisen für die Unzulänglichkeit staatlichen Wirtschaftens angeliefert – in Form von unbeherrschbaren volkswirtschaftlichen Phänomenen. Überdies legen diese Zeiten auch Zeugnis von den betriebswirtschaftlichen Effekten der gemeinwirtschaftlichen Praxis.

Was prägte die Unternehmensberichterstattung im ersten Halbjahr 2009? Wer geriet in die Schlagzeilen? Drei Kategorien von Konzernen: erstens Firmen, die in den Strudel der Wirtschaftskrise geraten waren oder zu geraten drohten – Kommunalkredit, Erste Bank, Raiffeisen und andere. Zweitens Unternehmen, bei denen sich das Verhältnis zur Gesetzeslage als angespannt erwies, wie Meinl und Immofinanz. Und drittens Flughafen, AUA sowie der ORF. Die 100-Euro-Frage: Was haben die drei zuletzt genannten Unternehmen gemein? Antwort: Sie sind die verstaatlichte Industrie des dritten Jahrtausends, im beherrschenden Eigentum des Staates, folgerichtig gegängelt von Politikern, folgerichtig geführt von politisch berufenem Management, folgerichtig mit der Realität enthobenen Betriebsräten bestückt. Die Voest schickt Grüße.

Der Flughafen: Der Rechnungshof hat eben festgestellt, die Länder Wien und Niederösterreich halten zwar formal bloß eine Minderheit, beherrschen in Wahrheit jedoch die Hauptversammlungen absolut. Da nimmt es nicht wunder, dass der Vorstand aus drei Personen besteht und schon davor bestand, die – den in jenen Ländern jeweils absolut regierenden – Parteien zugeordnet werden können. Wobei „zugeordnet“ ein Hilfsausdruck ist, wenn man erfährt, dass all diese Manager im Vorleben direkt als politische Mandatare oder in Interessenvertretungen tätig waren. Was allerdings wundernimmt: dass keiner der aktuellen Vorstände (und der jüngst ersetzte) über irgendeine Erfahrung im Management von Unternehmen verfügt. Keine Vordienstzeiten. Dann nimmt es allerdings wiederum nicht wunder, dass ein derartiges Management nicht einmal fähig ist, ein Bauprojekt im eigenen Unternehmen zu beherrschen.

Die AUA: Hier liegt der staatliche Einfluss weniger in der Auswahl des Managements als im Fehlen einer sinnvollen strategischen Ausrichtung der Fluglinie über Jahrzehnte. Wie auch soll ein Finanzminister als Eigentümervertreter oder ein Bundeskanzler über Fachwissen des internationalen Luftverkehrs verfügen (abgesehen von den Technikalitäten beim Upgraden von Finanzministern und Bundeskanzlern). Entsprechend belastend ist das Gewicht der Betriebsräte. Das Ergebnis: Die AUA verschwindet. Aber nicht einmal klaglos: Sie wurde nicht nur auf den Wert null abgewirtschaftet. Der Wert ist wohl ein negativer, was nach österreichischen Gesetzen ohne Haftung gar nicht möglich sein sollte, durch die staatliche Mitgift an die Lufthansa aber als erwiesen gelten darf.

Und der ORF: Dort liegt die Krux darin, dass die Politik ihn niemals als ein gewinnorientiertes Unternehmen gesehen hat, sondern als Kommunikationsinstrument ihrer Interessen, was dann auch noch schamlos als „öffentlicher Auftrag“ bezeichnet wurde. Dies inmitten einer globalen Medienindustrie, die kompetitiver ist, als es ein Speed-Dating-Abend mit Silvio Berlusconi wäre. Wenn aber der Auftrag an die Direktion nicht auf Rentierlichkeit lautet, muss es ganz automatisch zur finanziellen Kernschmelze kommen. Der Staat als Marktteilnehmer? Der Markt bewahre uns vor ihm – und vor allen wiedergeborenen Theoretikern, die sich mit der Krise als ­Argumentationswerkzeug einen solchen Staat nun wünschen.

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