Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Ein Instrument der Eitelkeit

Ein Instrument der Eitelkeit

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Vor einer Woche waren Michael Spindelegger die Diplomatenpässe ein „Pipifax“-Thema. Das blieben sie nicht. Unter dem Druck der Medien, die da ein ergiebiges Privilegienthema gefunden hatten, musste der Außenminister klein beigeben – spätestens als der Skandal zur Farce und Alfons Mensdorff-Pouilly als Halter eines derartigen Dokuments geoutet wurde.

Die Pässe werden ehemaligen Politikern, Ex-Diplomaten, den Klubobleuten, dem hohen Klerus sowie den ­Angehörigen (abseits von Diplomatenfamilien) nun abgenommen. Angeblich passiert das auch mit den so genannten Dienstpässen, die bisher gleich nach Gutdünken von Regierung oder Bundesländern zugeteilt werden konnten. Gut so?

Keinesfalls. Denn erstens haben die Betroffenen offensichtlich nicht begriffen, worin das Problem liegt. Zweitens und damit verbunden: Auch die neuen Regeln sind durch nichts zu begründen.

Erstens. Die Gewichtung der Angelegenheit als „Pipifax“ will er nur „im Vergleich zu den Verhandlungen über das Sparpaket“ vorgenommen haben, so Spindelegger. Umso schlimmer. Denn was im ersten Moment einleuchtet, ist bei präziser Analyse grundfalsch: Die Pässe wiegen weit schwerer. Sie bezeugen einmal mehr das notorische Grundverständnis von Gut und Böse, Rechtens und Falsch, das diese Republik prägt. Wer einen Diplomatenpass verwendet, ohne Diplomat oder zumindest im Auftrag der Republik tätig zu sein, macht sich einer Täuschung schuldig; er täuscht ausländische Behörden über seinen beruflichen Status hinweg und über den Zweck einer Reise. Daran ändern allfällige Gepflogenheiten nichts. Für Ex-Politiker ist das ungehörig, bei Angehörigen wie dem regelmäßig als Waffenlobbyisten reisenden Ehemann von ­Maria Rauch-Kallat ist das eine Riesensauerei (von der ­viele Personen gewusst haben).

Umso unerträglicher die Reaktion einiger Betroffener. Was soll das, wenn Ex-Kanzler Franz Vranitzky jetzt sagt, er brauche den Diplomatenpass, „damit man im Hotel wenigstens weiß, wer ich bin“, wenn er beleidigt hinzufügt, die ­Kritiker der Pass-Privilegien seien „ein Klub der Ahnungslosen“? Schlimmer der ehemalige Innenminister Karl Blecha. Er gibt allen Ernstes an, den Diplomatenpass für seine „Funktion als Vorsitzender des Seniorenrats und Ehrenpräsident der EU-Senioren“ zu benötigen. Wozu? Damit man ihn auch ohne eine Großpackung Kukident bei der nicht vorhandenen Grenzkontrolle in Brüssel vorlässt? Das geflügelte Wort von den Kreisen, die „es sich richten“, wird so Buchstabe für Buchstabe bestätigt. Die ­Bevölkerung fühlt sich verarscht, und man kann es ihr nicht übel nehmen.

Zweitens. Nun, da das Thema erkannt und rauf wie runter diskutiert ist, dürfte sich diese Bevölkerung eine saubere Lösung erwarten. Die bekommt sie mitnichten.

Anspruch auf den Diplomatenpass haben in Zukunft (abgesehen von Diplomaten): Bundespräsident, Regierungsmitglieder, die Präsidenten von Nationalrat, Bundesrat, Rechnungshof und der Höchstgerichte, die Volksanwälte. Man möge den ­Österreichern nun erklären: Warum dürfen Politiker über ihren Diplomatenpass verfügen, wenn sie privat reisen, wenn sie mit der Familie in den Urlaub fliegen? Brauchen sie auf dem Weg zum Sandstrand die beschleunigte Identitätskontrolle, beim Verwandtenbesuch Diplomatengepäck, bei Verkehrsdelikten im Ausland diplomatische Immunität vor der Exekutive (womit ein ehemaliger Politiker unlängst im privaten Umfeld prahlte)?

Und: Welchen Sachverhalt dürfen wir konstruieren, bei dem ein Präsident von Verfassungs-, Verwaltungs- oder Oberstem Gerichtshof einen Diplomatenpass benötigt, um seine Aufgaben unbehelligt von fremden Mächten erledigen zu können? Wann muss ein Volksanwalt, dessen banale Aufgabe die Prüfung der öffentlichen Verwaltung ist, das rote Dokument zum Wohle der Republik Österreich zücken?

Zusammengefasst: Diplomatenpässe für Nichtdiplomaten sind kein Instrument der politischen Tätigkeit, sondern der Eitelkeit. Sie gehören nicht eingeschränkt, sondern abgeschafft.

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