Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer F. f. V.

F. f. V.

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Anfang Dezember wird die elitäre „Financial Times Deutschland“ eingestellt. Die traditionsreiche „Frankfurter Rundschau“ hat Insolvenz angemeldet. Das legendäre US-Magazin „Newsweek“ will nur mehr online publizieren (und damit heimlich zusperren). Kein kleiner Teil der österreichischen Printprodukte kündigt Mitarbeiter. (profil spart, aber es geht uns gut.)

Von einer globalen Krise der Medien zu sprechen ist eine Verniedlichung. Die Anzeigenvolumina gehen auch ohne Rezession seit Jahren zurück; 2013 und 2014 kommt es daher noch dicker. Die Personalkosten steigen. Wer Glück hat, kann seine Leser halten und die Verkaufserlöse über Preiserhöhungen ausbauen; die meisten können das nicht. Fast alle Versuche, mit Zeitungen oder Magazinen im Netz Geld zu verdienen, scheitern; die behaupteten Umsätze der Verlage stammen von kommerziellen Plattformen, die mit Journalismus allenfalls den Namen einer Printmarke gemein haben. Die Werbeeinnahmen von Google übersteigen erstmals jene aller amerikanischen Printmedien zusammen.
So schaut’s aus.

In dieser außergewöhnlichen Situation entstehen außergewöhnliche Ideen. Unter anderem diese: Eine Branche, die über Jahrhunderte Unabhängigkeit predigte und vom Geist großartiger Verleger lebte, ruft nach staatlicher Hilfe. Eine Enquete des Verbands Österreichischer Zeitungen im Wiener Palais Epstein am Freitag der Vorwoche.

Niemals zuvor war bei entsprechendem Anlass in ähnlicher Frequenz das Wort „Presseförderung“ zu hören. Medien seien keine Industrie wie jede andere, sondern öffentliche Infrastruktur, in die zu investieren ist (für Qualitätsmedien mehr, für den Boulevard nix). Der ORF werde ja auch staatlich gefördert und verzerre den Wettbewerb. Google, Facebook, Amazon zahlten in Österreich kaum Steuern. Die österreichische Werbeabgabe sei einzigartig. Das ließen Verleger, Verlagsmanager und Journalisten die anwesenden Politiker mit erhobenem Zeigefinger wissen.

Alles richtig und dennoch grundfalsch. Ein Treppenwitz. Was für eine absurde Idee zu glauben, Politiker hätten Interesse an der Förderung von Qualitätsjournalismus! Was sie für uns haben, ist der Mittelfinger.

Krasse Beispiele. Die „Spiegel“-Affäre in Deutschland samt Verhaftung des Herausgebers, sie feiert in diesen Wochen 50-jähriges Jubiläum. Das Ende der „Arbeiter-Zeitung“, just als sie sich von der Partei losgesagt hatte. Trommelfeuer gegen das profil seit seiner Gründung (Interventionsversuche besonders von Sozialdemokraten und Volkspartei). Die Geiselhaft des ORF ohne weitere Kommentierung.

Mein Versuch, die österreichische „Wirtschaftswoche“ bei ihrer Einstellung 1996 weiterzuführen: Die Industriellenvereinigung erklärte höhnisch, ich sollte doch nicht glauben, man sei an kritischer Berichterstattung interessiert; der bis dahin schmeichelnde Wirtschaftskammerpräsident blieb plötzlich unerreichbar; die gesamte Regierung ebenso.

Der Absurdität nicht genug: Die erwähnte Veranstaltung stand unter einer Art Ehrenschutz von Parlamentspräsidentin Barbara Prammer. Sie sprach die Begrüßungsworte. Das Palais Epstein ist eine Außenstelle des Parlaments. Wir erinnern uns: Im zu Ende gehenden Jahr fand ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss statt. Er war getragen von der Arbeit einer Handvoll redlicher Abgeordneter und einer Handvoll redlicher Journalisten, die solcherart eine Handvoll Skandale aufarbeiteten.

Der größte Skandal bestand freilich nicht in der behandelten Materie, sondern im Abwürgen des Ausschusses durch die Regierungsparteien. Frau Prammer? Sie bezeichnete dieses erzwungene Ende der parlamentarischen und medialen Arbeit als „Zeichen von lebendigem Parlamentarismus“.
Nein, Politiker wollen positive Darstellung, nicht unabhängige Nachricht. Kein Politiker sieht Medien als Verbündete bei der Stabilisierung des Staatsganzen, sie sind ihnen unangenehme wie unberechenbare Widersacher. Die Vierte Macht ist der Politik eine zu viel. Den Boulevard kann die Politik mit Inseraten, Kooperationen, geschäftsdienlichen Gesetzen, geschmeidigen Verordnungen kaufen. Den Qualitätsjournalismus bekommt sie nicht.

Ausgerechnet dieser Qualitätsjournalismus meint nun, seine Unabhängigkeit von der Politik qua Abhängigkeit von einer neuen Presseförderung erhalten zu können. Mit Verlaub: Das ist naiv, das ist Bombing for Peace, Fucking for Virginity, das ist Beelzebub und Teufel, das ist ein Pakt mit ebendiesem. Das ist kein Geschäftsmodell für die neuen Zeiten.

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