Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer: Geldpolitik

Geldpolitik

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Die Besteuerung von Bürgern und Betrieben ist das zentrale Stellrad der Politik. Kein anderer Mechanismus greift ähnlich tief in das Fortkommen der Republik ein. Steuern und Abgaben entscheiden das Schicksal einzelner Menschen, von Kindern, von Familien, bestimmen über die Existenz oder Vernichtung von Arbeitsplätzen und Unternehmen, kalibrieren den Zustand des Staates als Ganzes.

Daher ist es empörend, inhuman, verantwortungslos, in welcher Form die Regierungsparteien die Steuerdiskussion führen. Jedes Nebenthema von (sorry!) Schwulenehe über die Mariahilfer Straße bis zum Hundeführschein erhält mehr intelligente Zuwendung durch das Personal der Republik als dieses. Die Steuerdebatte ist ein Schlachtfeld von Klientelinteressen, wird als Beschleuniger für die Regionalwahlen des kommenden Jahres missbraucht, dient der Profilierung einzelner Regierungsmitglieder, soll die beiden schlingernden Parteichefs als Rettungsanker stabilisieren.
Was die Debatte nicht ist: Sie gäbe eine Gelegenheit, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Österreicher zu verorten, ihre Zukunftsaussichten und ihre Defizite. Diese Debatte wäre sogar der zwingende Zeitpunkt dafür, und das Ergebnis der Debatte sollte in einen Konsens darüber münden, wie die Gegenwart korrigiert, wohin das Land gelenkt werden muss.

Das wäre ein Idealfall von Politik. Wir erleben derzeit den Gaufall.

Die Malaise noch einmal vertieft: Auf der einen Seite steht die SPÖ. Sie negiert die Gefahren von Schuldenlast und Budgetdefizit. Zum Teil tut sie das wissenschaftlich fundiert, freilich mit abenteuerlichen Theorien darüber, warum Schulden irrelevant sind oder sogar wachstumsfördernd wirken. (Peter Michael Lingens weist in seinem aktuellen Kommentar zu Recht darauf hin, dass der Verwendungszweck des Geldes relevant ist. Mein Kommentar dazu: Im Zweifelsfall Misstrauen gegenüber der Politik und daher besser keine Schulden – und im Zweifelsfall liegt immer ein Zweifelsfall vor.) Zum anderen kümmert sich die Sozialdemokratie einfach nicht gerne um Haushaltsdefizite, da sie kurzfristig denkt. In Abwandlung von Bruno Kreisky: Lieber höhere Schulden, in der Folge ein paar Arbeitslose weniger und so den nächsten Wahlsieg kaufen.

Da handelt die ÖVP etwas verantwortungsvoller, denkt durchaus an die Last von Zinszahlungen und schlechtem Rating. In der Praxis sind der Partei freilich die Hände gebunden: Ihre durch Länder und Bünde gefesselte Realverfassung lässt Einsparungen bei Verwaltung oder Förderungen nicht zu. Dieses Dilemma kann dann schon mal zu bösen Tricksereien führen wie beim Dreamteam Schüssel- Grasser. Überdies hadert der Parteichef damit, dass er zugleich Finanzminister ist, was ihm – Überraschung! – nicht das erhoffte Durchreißer-Image verleiht.

Die Sozialdemokratie wiederum geht mit Vermögenssteuern schwanger. Nicht unbedingt ein Wunsch des Kanzlers, sondern per Befruchtung durch mächtige SPÖ-Funktionäre gezeugt. Grundsätzlich ist die Idee im Angesicht von hoher Lohnsteuer und immer weiter klaffender Schere zwischen Arm und Reich richtig. Aber sie degenerierte zu Klassenkampf: Statt einer Steuer für den Mittelstand, die genügend Manövriermasse bringen könnte (und die Verteilung großflächig ins Gleichgewicht), steht nur eine Strafsteuer für Millionäre auf dem Wunschzettel. Da wird parteipolitisches Kleingeld geschlagen; das ist für sich alleine sinnlos.

Die Volkspartei hingegen wehrt sich gegen Vermögenssteuern. Mit Berechtigung, weil sie in der diskutierten Form eben unbefriedigend bis unsinnig sind; auch weil ohne Einsparungen dem Höchststeuerland Österreich bloß eine zusätzliche Steuer drohte. Das klingt gut – aber die ÖVP wehrt sich vor allem mit anderem Antrieb: weil ihre Wähler betroffen wären. Die Zahl der Millionäre und Bauern, die SPÖ (oder FPÖ) wählen, ist überschaubar. Wieder Parteipolitik, wieder kein Gedanke an übergeordnete Erfordernisse verschwendet.

Es ist nicht Aufgabe von Journalisten, ein Steuermodell zu entwerfen. Zumal dies komplexe Zahlenmodelle erfordert. Vier Gedanken seien aber erlaubt. Immer noch mehr, als die Regierung zusammenbringt.

Erstens: Jede zusätzliche Verschuldung ist gefährlich, unter anderem, weil sie den Handlungsspielraum der Politik auf null setzt. Vielmehr muss die Schuldenlast kleiner werden.

Zweitens: Auch jede zusätzliche Steuer ist gefährlich. Sie würgt den Konsum ab, bei Unternehmen die Konkurrenzfähigkeit, vielleicht auch den Leistungswillen jedes Einzelnen, jedenfalls die Attraktivität des Landes.

Drittens: Der Großteil aller Förderungen ist unnötig, wird zweckentfremdet, trifft nicht die Richtigen. Abschaffen!

Viertens: Im Gegenzug zu einer Lohnsteuersenkung machen Vermögenssteuern Sinn. Und zwar als Erbschafts- und Schenkungssteuer mit einem sehr niedrigen Freibetrag, zum Beispiel 50.000 Euro: Das bringt viel Geld. Das bestraft nicht jene, die das Vermögen geschaffen haben. Das ist gerecht, weil Erben nichts für ihr Erbe geleistet haben. Und es schließt die Schere zwischen Arm und Reich ein wenig.

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