Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Häupl ist keine Frau

Häupl ist keine Frau

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Die „Kronen Zeitung“ hält sich eine Partei, und der hat sie den 1. Mai vermiest. Die solcherart neu erstandene „Arbeiter-Zeitung“, bei der freilich der Herausgeber der ­eigentliche Parteichef ist und der gewählte Parteichef bloß ein Zuträger von Informationen, titelte am Tag der Arbeit ­propagandistisch: „Exklusivumfrage: Häupl in Wien klare Nummer 1“.
Die „AZ“-Chefredakteure hatten es nicht besser gemacht, wenn es um die Verteidigung der Bewegung gegen die Verhältnisse ging. Die „Arbeiter-Krone“ hätte nämlich ebenso gut formulieren können: „Häupl ist Wiener Bürgermeister“ oder „Häupl wählt SP֓ oder „Häupl ist keine Frau“. Wer hat denn daran gezweifelt, dass die Roten im roten Wien vorne liegen? Nicht einmal Heinz-Christian Strache.

Was SPÖ-Pate Hans Dichand seinen Parteimitgliedern am Tag der Arbeit mit verbaler Überrumpelung an inhaltlicher Erkenntnis zu nehmen suchte, ist der wahre Gehalt jener Umfrage des IMAS-Institutes. Der liest sich so: Die Sozialdemokraten sind seit den letzten Gemeinderatswahlen von 49 auf 41 bis 42 Prozent gefallen. Die Freiheitlichen steigen von 15 auf 25 bis 27 Prozent. Die anderen Parteien bleiben stabil, auch die Volkspartei, die von den Roten in Wien zuletzt mit Krokodilstränen als zerfallsgefährdet bezeichnet worden war.

Als nähme die „Arbeiter-Krone“ Anleihe beim deutschen Satiremagazin „Titanic“, kommentiert Innenpolitiker Peter Gnam die Perspektiven seiner Partei dann auch noch so: „Bleibt als Resümee, dass die SPÖ der FPÖ dankbar sein könnte: Wenn nämlich die Blauen brennende Probleme der Wiener aufzeigen, müssten sich die Roten – wenn sie Erfolg haben wollen – nur dieser Probleme annehmen.“ Da wippt das Rückgrat, da windet der Darm, da stülpt der Magen, da rotiert „Arbeiter-Zeitung“-Gründer Victor Adler am Wiener Zentralfriedhof.

Da ist sie nun, die Umfrage, gemäß derer Strache jetzt zwei Drittel der Stimmen von Häupl erreichen würde. Bis zuletzt hat die SPÖ geschworen, eine solche Meinungslage könne gar nicht entstehen. Da seien Naturgesetze vor. Was nicht sein darf, kann gerade in Wien nicht sein. Mit dieser Umfrage hat es sich freilich nicht. Gewählt wird erst im kommenden Jahr. Bis dahin passiert so einiges. Erstens kommt ein Wahlkampf, den die müden Roten gegen die ausländerfeindlichen, radikal rechten, skrupellosen Freiheitlichen nur verlieren können. Der Wiener Parteitag sei wirklich gut gelaufen, versichert das SPÖ-Management und glaubt es sogar. Man behauptet, eine direkte Linie führe vom Parteitag über mobilisierte Funktionäre zu den Wählern. Nichts Besseres konnte passieren als der Zweikampf Strache gegen den Bürgermeister, den der Herausforderer heraufbeschworen hat. Auch das erklärt uns das Partei-Management und glaubt es ebenso. Man sieht es.

Zweitens rollt eine ökonomische Sturmflut heran. Zwar werden die Banken nicht kollabieren, Geld wird Zahlungsmittel bleiben, die Aktienkurse werden sich erholen. Aber die Wirtschaft rationalisiert ihre Betriebe wie seit zwei Generationen nicht. Da werden schnell einige hunderttausend Leute arbeitslos. Wie viele davon in Wien? Wen werden sie in ihrer Verzweiflung wählen? Nicht die Roten. Das Kalkül, in der Krise schlüpfe der Bürger bei Mutter Stabilität unter den Rock, erwies sich jüngst schon in Kärnten und Salzburg als Rohrkrepierer.

So kann Strache auf 30 Prozent kommen, so kann Häupl in Wien unter 40 Prozent fallen. „Häupl in Wien klare Nummer 1“ wird dann die „Arbeiter-Krone“ jubilieren. Mit 35 Prozent? Ein absurder Gedanke? Es müssen nur mehr wenige Prozentpunkte wandern. Und dann? Rot-Schwarz? Rot-Grün? Oder macht Strache einen ÖVP-Politiker zum Bürgermeister, um es bald darauf selber zu werden? Der Wehrsportüber als Rathausmann.

Die roten Rezepte schmecken nicht. Die Sozialdemokratie scheitert daran, ihre traditionelle Klientel zu binden. Was als Phänomen Haider mit dessen außergewöhnlichem Appeal als vorübergehende Erscheinung kleingeredet worden war, erweist sich als dauerhafter Zustand. Mit Leichtigkeit konnte das mindere Talent Strache den großen Jörg ersetzen. Die Regierungsbeteiligung der Blauen und Orangen hat den österreichischen Rechten den sauren Geruch genom­men. Tabu gebrochen. Die Ro­ten benehmen sich entsprechend, in den Ländern mit mentaler Totalintegration von FPÖ und BZÖ, im Parlament mit einem Wabbeln der aktuellen roten Regierungsriege gegenüber den Rechten. Franz Vranitzkys Ausgrenzungsstrategie der neunziger Jahre war jedenfalls nicht schlechter gewesen.

Österreich ist mit seinem gewaltigen extrem rechten Haufen eine Ausnahme­erscheinung in Europa geblieben. Mit der FPÖ, mit dem BZÖ, mit Andreas Mölzer, mit Ewald Stadler, mit Martin Graf, mit einem Wähleranteil von gut einem Viertel. Auch ohne Jörg Haider.

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