Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Hofnarren der Macht

Hofnarren der Macht

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Hans Dichand schrieb 1996 eine Autobiografie. Das Buch hieß „Im Vorhof der Macht“. Der Herausgeber der „Kronen Zeitung“ bekundete dort, er streichle lieber seinen Hund, als Macht auszuüben. Wer den Titel und die Beschreibung der Vorlieben des alten Herrn für eine Ko­ketterie hielt, der hatte nicht Recht. Koketterie enthält ja ­einen Kern von Wahrheit, jene Selbstbeschreibung aber nicht.

Abzuklären wäre bloß, ob der Autor selbst glaubte, was er schrieb. Ich kenne Herrn Dichand ein wenig. Kann ich die Frage beantworten? Vielleicht so: Nie habe ich einen anderen Menschen getroffen, der alle Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft, in nachgerade naiv anmutender Weise, und dennoch stets bekommt, was er will. Das spräche dafür, dass Dichand jene Worte für durchaus wahrhaftig hielt.
Dass sie nicht stimmten, zeigte sich 13 Jahre später, also in den vergangenen Tagen: Donnergrollen, Gewitter, zum Töten geschleuderte Blitze, neu aufblendendes Rampenlicht – alles aus dem Hochhaus in der Wiener Muthgasse, dem Sitz der „Kronen Zeitung“. Im Vorhof der Macht war eine Wahl gewonnen worden, dann wurde ein Kanzler zum ­Narren gemacht und dessen Job sowie in einem Aufwaschen auch gleich der des Bundespräsidenten neu ausge­schrieben.

Eben erst hatte Dichand seinen Höfling Hans-Peter Martin zum Gewinner der Europa-Wahl gemacht. (Dichand: „Man sagt, dass Hans-Peter Martin … diesen sehr beachteten Sieg ja auch für die ,Krone‘ erreicht hat.“) Ein Nebenschauplatz, denn nun begibt sich Zentraleres. „Beide Prölls an die Spitze“. Das ist der Titel eines Interviews mit dem Herausgeber in „Live“, dem Freitagsmagazin der „Krone“ (das kürzlich noch – sicherlich unabhängig vom Schwiegervater – von Dichands Schwiegertochter gelenkt worden war). Wenige Zeilen reichen für Dichand, um sich von Werner Faymann abzuwenden. Der selbst ernannte „Neffe“, der vor Jahresfrist gemeinsam mit Alfred Gusenbauer per EU-Leserbrief zu Hofe gekrochen ist, wird brutal kaltgestellt: „Was seither passiert ist, zeigt eigentlich, dass ein solcher Weg … nicht so leicht zu gehen ist.“ Statt Faymann sind neue Günstlinge im Spiel: „Ich meine zu spüren, dass die große Wendung kommen könnte, die ich für Österreich erwarte, nämlich, dass beide Prölls, der eine als Bundeskanzler, der andere als Bundespräsident, an der Spitze des Staates stehen.“ Eine Art Salbung. Und Vorhofflimmern zu ­beiden Seiten des Ballhausplatzes. Das riecht nach dem Beginn einer gewaltigen „Krone“-Kampagne. Doch Dichand bleibt gnädig und lässt der Demokratie einen Atemzug: „Dabei ist mir klar, dass diese Wendungen nur als Ergebnisse echter demokratischer Wahlen kommen können.“ Der Iran ist weit.

Was heißt das für die betroffenen Personen, was fürs Land?
Faymann ist persönlich gedemütigt und als Politiker ­lächerlich gemacht worden. Wer seine Seele verkauft, der sollte dafür wenigstens eine Grete bekommen. Wer dachte, mit Hans-Peter Martin und dem Seitenthema Europa sei die Schmach ausgestanden, der hat geirrt. Warum sich Dichand von seinem Patenkind abgewendet hat, ist unklar. Vielleicht bloß, weil er in Sepp Pröll eine bessere politische (und verlegerische) Zukunft sieht. Wohl auch profaner, weil Faymann den „Krone“-Konkurrenten „Österreich“ mit Inseraten füttert. Jedenfalls hätte der es wissen müssen: Dichand hat sich von beinahe jedem Weggefährten getrennt, auch von den loyalsten, von politischen Zöglingen wie Jörg Haider, von den publizistischen wie Richard „Staberl“ Nimmerrichter und Friedrich „Bibi“ Dragon.

Was heißt es für Sepp Pröll? Die Unterstützung der Zeitung wird ihm nicht schaden. Brauchen tut er sie nicht, da er unerwartet übers Jahr an Statur gewann und Faymann in Beliebtheits- und Kanzlerfragen (fast unmöglich für einen Vizekanzler) überholte. Es muss ihm freilich gelingen, sich den bisweilen todbringenden Umarmungen der „Krone“ elegant zu entwinden.
Gefährlicher ist da das Spiel mit Erwin Pröll. Der niederösterreichische Landeshauptmann schien schon bisher nur mehr einen Weg in seinem Leben zu sehen, nämlich Bundespräsident zu werden – hinweg von den Blasmusikkapellen und hin zu den Staatsempfängen. Von Missfallen und Warnungen aus der eigenen Partei will er nichts hören, von seinen demoskopischen Werten in Relation zum Amtsinhaber auch nicht. Prölls unbedingter Wille kann so weit gehen, einen wenig aussichtsreichen Zweikampf mit Heinz Fischer aufzunehmen, der wohl wieder kandidieren wird. Heikel für die Partei; ungünstig auch für den Blutsverwandten, denn Neffe und Onkel als repu­blikanisches Führungsduo klingt diktatorisch. Hans Dichands Unterstützungserklärung hat den älteren Pröll in seinem Streben weiter bestärkt.

Und was heißt es fürs Land? Mein Kollege Herbert Lackner sieht die Verantwortung für den gezielten Eingriff der Publizistik in die Politik tendenziell bei der „Krone“. Ich gebe die Schuld eher den Politikern. Von ihnen erwarte ich ein höheres Maß an demokratischer Disziplin als von einer Massenzeitung. Vielleicht ein naiver Gedanke.

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