Ein profil-Interview mit einer Kurzzeitministerin macht Megawirbel. Gut so

Christian Rainer: Im Zentrum

Im Zentrum

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Am Donnerstag der vergangenen Woche erzählte mir ein befreundeter Geschäftsmann von einer Begegnung mit Claudia Bandion-Ortner. Es habe stattgefunden, kurz nachdem sie ihren Posten als stellvertretende Leiterin des „König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ – KAICIID – angetreten hatte. Auf ihrem Schreibtisch im neu bezogenen Büro seien zwei Bücher gelegen. „Eines davon trug sinngemäß den Titel ,Islam für Anfänger‘, das andere einen ähnlich lautenden“, so mein Bekannter.

Tatsächlich war im Juni 2012, fünf Monate vor Eröffnung des Zentrums, ein 215 Seiten umfassendes Werk mit genau diesem Titel erschienen.
Ich kann die Schilderung nicht überprüfen. Seit der Publikation eines profil-Interviews mit der ehemaligen Justizministerin in der vergangenen Ausgabe ist Bandion-Ortner unerreichbar, und sie gibt auch keine Stellungnahmen ab. In einer Reaktion des KAICIID selbst wurde behauptet, das Interview sei „nicht autorisiert“ gewesen und die Worte wären „aus dem Zusammenhang gerissen“. Dieser Angriff auf die journalistische Integrität, ein gerne gewähltes Mittel politischer Öffentlichkeitsarbeit, erwies sich als nicht zielführend. profil konnte die Autorisierung durch den Mailverkehr im Detail nachweisen. Und die von uns in der Folge online gestellte Tondokumentation machte aus der zu jenem Zeitpunkt bereits abflauenden Diskussion einen veritablen Skandal: Bandion-Ortners Zynismus bezüglich der Hinrichtungspraxis in Saudi-Arabien und ihre Verharmlosung der permanenten und institutionalisierten Menschen- und Frauenrechtsverletzungen sind nun – begleitet von wenig passendem Gelächter – im Internet abrufbar.

Naheliegend ist jedenfalls, dass sich Bandion-Ortner im Jahr 2012 mit Ratgeber-Lektüre auf eine Arbeit vorbereitete, von der sie keine Ahnung hatte.

Nach diesen Vorwürfen mag es merkwürdig klingen, wenn ich festhalten will, dass die Verantwortung der Claudia Bandion-Ortner eine kleine ist: Sie hätte bloß wissen müssen, dass sie dem neuen Job nicht gewachsen ist. Besser noch: Sie hätte wissen müssen, dass niemand diesem Job gewachsen ist.

Den Job, den Bandion-Ortner im KAICIID innehat, darf es nämlich nicht geben, so wie es das KAICIID insgesamt nicht geben darf.
Damit gehen die Vorwürfe an alle, die sich für dieses Zentrum oder für Saudi-Arabien stark gemacht haben. Und die sind breit und hoch aufgestellt: Die österreichische Bundesregierung unter Federführung des damaligen Außenministers Michael Spindelegger skizzierte Rahmenbedingungen (woran sich der nun empörte Bundeskanzler offensichtlich nicht erinnert). Die Parlamentsparteien fassten – unter Protest der Grünen – Beschlüsse. Das Königreich Spanien stand fest an der Seite Österreichs. Alle großen Weltreligionen zeigten sich wohlwollend, der Vatikan sandte seinen zuständigen Kardinal. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon führte die Liste der Ehrengäste bei der Eröffnung in der Hofburg an. (Christa Zöchling, die jenes Interview geführt hat, analysiert in der aktuellen Ausgabe die Position Österreichs gegenüber Saudi-Arabien.)

Bedenken? Hatten wenige. Das Dialogzentrum sei „ein Beitrag zu Toleranz und Vertrauensbildung und diene dem Abbau von Vorurteilen zwischen den Glaubensrichtungen“.

Bitte wie? Erstens: Die Saudis zahlen als Finanziers des Zentrums – vorerst alleine – für „den Abbau von Vorurteilen zwischen den Glaubensrichtungen“? Eine Unwahrheit. Sie zahlen alleine für die Imagepolitur einer sehr spezifischen Glaubensrichtung – des in ihrem Land gepflogenen Islam und der daraus abgeleiteten profanen Konsequenzen. Zweitens: Welche „Toleranz“? In Saudi-Arabien gibt es keine Toleranz, nur Muslime dürfen ihre Religion frei ausüben. Welche „Vorurteile“? Die auf saudischen Gesetzen und saudischer Gesellschaftsordnung beruhenden Menschenrechtsverletzungen sind ein unbestreitbares Faktum, nichts Debattierbares, keine Ansichtssache.

Allenfalls im Dafürhalten von Frau Bandion-Ortner gibt es davon abweichende Meinungen.

Mitte 2012 fragte das in Gründung befindliche KAICIID bei mir schriftlich an, ob ich die Eröffnungsfeierlichkeiten moderieren würde. Ich schrieb am 29. Juli zurück: „Ich muss mit einem klaren ,Nein‘ antworten. Ich halte das ,König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog‘ für ein Feigenblatt, das von den tatsächlichen menschenrechtswidrigen Verhältnissen in Saudi-Arabien ablenkt. Dass ein Bekenntnis zu Menschenrechten und Religionsfreiheit in der Präambel zu der Institutionsvereinbarung enthalten ist, ist eine Skurrilität.“

Das KAICIID ist eine Fehlentwicklung, ein Monument der Verlogenheit, ein Trugbild, dem Österreich und die Welt aufgesessen sind. Es sollte geschlossen werden.

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