Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Jahr 13 nach dem LIF

Jahr 13 nach dem LIF

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Das Gespenst einer neuen politischen Kraft geht um. Mit erregt zitternder Stimme wird die angeblich unmittelbar bevorstehende Parteigründung an den Tränken und den Trögen der Halbbildungseliten diskutiert. Aufgepasst! Vielleicht gelingt es der einen oder anderen irrlichternden Gestalt ja, eine für das krümmungsbereite Kreuz passende Machtnische zu finden. Dieses Mal ist es Frank Stronach, der spekuliert und über den spekuliert wird.

Schnappt er sich das BZÖ, weil das nachhaltiger wirkt, als bloß ein paar verhaltensauffällige rechte Politiker (eine Tautologie) per Anstellungsvertrag zu verpflichten, wie er es in der Vergangenheit mit Karl-Heinz Grasser, Peter Westenthaler und Mathias Reichhold gemacht hat? Oder startet der Steiermark-stämmige Milliardär gleich eine eigene Unternehmung, wie er es seit seiner Resozialisierung in Österreich mit überschaubarem Erfolg im Fußball- und Pferdesport versuchte? Wo ist schon der Unterschied zwischen einer Partei und ­einem Fußballklub oder einer Galoppbahn?

Jedenfalls ist es skurril, wenn ein bald 80-jähriger Patriarch erklärt, er wolle mit seinem Engagement „eine Revolution des Denkens“ herbeiführen, und es ist beängstigend, dass die Zukurzgekommenen diesseits und jenseits der Dialektgrenze auf einen Erfolg dieses von Selbstzweifeln freien Unternehmers lauern. Es müsse sich „etwas ändern im Lande“, so deren höchst aufwändig aufbereitete Argumente – am besten wohl die eigene Position relativ zu allen anderen auf der Wichtigkeits- und Wohlhabenshierarchieskala. „Ich fühl mich wie ein junger Bua“, so Frank Stronach. Na ja.

Also schauen wir uns die Sache näher an, überlegen wir, welche Art von neuer Partei diesem Land gerecht würde, und versuchen wir, parallel zu diesem Weg etwas über tektonische Verschiebungen im gesellschaftlichen Plattenbau zu erfahren!

Mit der Nationalratswahl 1999 endete die Präsenz des Liberalen Forums im österreichischen Parlament und damit dessen Existenz auf der Wahrnehmungsebene. Die Ursachen für dieses Ende sind mannigfaltig; ihre Zahl ist größer, als es zwingende Gründe für den Beginn des LIF gegeben hatte. So war die Partei nicht aus einer inhaltlichen Notwendigkeit entstanden, hatte sich vielmehr im Trotz und mit mühsam errungenem Klubstatus der FPÖ entsteißt. Das trug dem LIF neben der unklaren programmatischen Ausrichtung auch noch die Geburtsfehler des nur aus Opportunität überwundenen deutschnationalen Erbes und folgerichtig eines zum Teil dubiosen Personals ein. Die widersprüchliche Programmatik und das daraus resultierende Wählerpotenzial konnten dem Rechts-gegen-Links-Showdown im Oktober 1999 nicht genügen: Heide Schmidt hatte sich gesellschaftspolitisch liberal positioniert und wirtschaftspolitisch links bis gar nicht. Das brachte der von der Großindustrie wohlwollend behandelten Gruppierung 168.000 Wähler und 3,65 Prozent – halb so viel wie die Grünen und zu wenig für das Parlament.

Nehmen wir Frank Stronach wider Auftreten und Wortwahl ernst beziehungsweise überlegen wir allgemeiner, wo sich eine neue Kleinpartei mit Großkapital positionieren müsste! Wohin hat sich die österreichische Bevölkerung im vergangenen Jahrzehnt und schon davor bewegt?

Die gesellschaftliche Öffnung geht ihren Weg. Was man da früher als links bezeichnet hätte, gilt nun schlicht als liberal. Dafür sprechen etwa – rezente Beispiele – die Einführung der Neuen Mittelschule trotz konservativer Standesdünkel wie auch die nachgerade wohlwollende Duldung eines homosexuellen Pfarrgemeinderats durch Kardinal Christoph Schönborn persönlich. Zeitgleich ist die Bevölkerung in ihrer Sichtweise der Ökonomie nach rechts gerückt; darüber dürfen die verzweifelten Bemühungen um eine Regulierung der Finanzwirtschaft nicht hinwegtäuschen. Die Vorteile der freien Markt- versus der Planwirtschaft werden nur mehr von Obskuranten bezweifelt, staatliche Eigentümerschaft wird als nachteilig angesehen, ein gefesselter Arbeitsmarkt als persönliche und nationalökonomische Bürde. Das Bürgertum hat also wertkonservative Lebensbilder aufgegeben, die Arbeiterschaft hofft nicht mehr auf Wohlstand durch staatliche Bevormundung. Das Land wurde rechtslinker oder linksrechter.

Die alten Großparteien hecheln dieser Entwicklung hinterher. Oder schlimmer noch für jene: Sie treten auf der Stelle. An den Personen gemessen: Der ÖAABler Michael Spindelegger (und erst recht seine Landeshauptleute) wäre nicht erste Wahl bei der Besetzung eines weltoffenen Citoyens, ebenso wenig wie der im Wiener Zentralstaat sozialisierte Werner Faymann den nonkonformen Antikollektivisten geben könnte.

Da also ist die Nische für eine neue Partei – aber vermutlich nicht für die von einem schwerreichen, schrulligen ­Senior Citizen geführte Bewegung.

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