Christian Rainer: Dann lasst uns eben wählen!

Eine Koalition, die Paartherapie braucht. Regierungsmitglieder, die ihren Narzissmus spazieren führen. Der Koalitionskrach als Dauerzustand. Es reicht.

Drucken

Schriftgröße

Sie können es uns nicht recht machen. Zeigen sie keine Gefühle, beklagen wir ihr fehlendes Charisma. Geben sie sich emotional aufgepimpt, mokieren wir uns über ihren Charakter. Politiker sind öffentliche Sachwalter, die ihren Weg ununterbrochen im Spannungsfeld von Selbstdarstellung und Problemlösung finden müssen. Die Kombination aus Schaustellerei und Management, aus Populismus und Faktentreiberei reibt auf. Nachsicht ist geboten. Wenn wir jede Abweichung vom Idealzustand auf die Feinwaage legen, tun wir der Sache nichts Gutes. Politik besteht aus Zukurzgreifen, Überszielhinausschießen, aus dem enttäuschenden Kompromiss und dem Scheitern bei der Hälfte aller Fälle. Wer sich das antut, ist von Würde und Bürde des Amtes hochgehoben und erniedrigt, belohnt und bestraft genug.

Der permanente Streit ist zum permanenten Inhalt geworden

Allerdings kommt irgendwann der Punkt, an dem wir mit allem Recht die Geduld verlieren dürfen, an dem wir unsere Befindlichkeit gegenüber den Befindlichkeiten unserer Politiker nicht weiter auf Nachsicht und Toleranz kalibrieren müssen. An diesem Punkt ist die Republik, repräsentiert durch die Regierung, in der vergangenen Woche angekommen. Der permanente Streit ist zum permanenten Inhalt geworden, der Grundton ist auf Misstrauen gestimmt, die Höhepunkte der Koalitionstätigkeit sind Eruptionen und Ultimaten. Es reicht.

Ein Wort wiegt da mehr als jedes Positionspapier

Die politische Arbeit ist längst hinter eine Politik der Gefühle zurückgetreten. Es ist weder die kontroversielle Position im Einzelnen noch die unterschiedliche Ideologie im Ganzen, die den Krach erzeugt. Befindlichkeiten und nicht Befunde befeuern das überhitzte Klima. Ein Wort wiegt da mehr als jedes Positionspapier. Zuletzt durfte die völlig unverdächtige Familienministerin den Feuerteufel spielen. Da reichten die Petitessen „Eine Neuwahl liegt ein bisschen in der Luft“ und „Der Kanzler stellt die Inszenierung vor die Arbeit“, um SPÖ und Christian Kern in Rage zu versetzen. Es folgten einmal mehr als Eskalierungsgift eingesetzte Drohungen und Ultimaten. Zu Redaktionsschluss war – hört, hört! – wieder einmal nicht klar, ob die Koalition das Wochenende überleben würde.

Wer trägt die Schuld? Die Frage ist so müßig, als wäre das Ganze eine Ehekrise. Erkundigt man sich bei der SPÖ, dann lautet die Antwort: Die Volkspartei provoziere, indem sie den Partner ohne Unterlass gezielt auflaufen lasse. Beispiele sonder Zahl werden gelistet. Man solle sich doch bloß die Medien ansehen, da fänden sich die Beweise in erdrückendem Umfang dokumentiert. Sucht man dort, ist die Sachlage nicht so eindeutig. Ein Satz von Kern wie „Es gibt zwei Parteien, die das Land verändern wollen – die SPÖ und die FPÖ“ wiegt doch auch schwer, zumal wenn ihn der Kanzler in die Fernsehkameras schleudert.

Bei der ÖVP konzentrieren sich die Antworten folgerichtig auf den SPÖ-Chef. Er habe ein Glaskinn, sei also schnell beleidigt, nehme jede Kritik persönlich. Er sei eben, wie Doris Bures ja einst gesagt habe, kein Politiker, wird bedeutungsvoll angefügt. Zumindest ebenso oft wie umgekehrt (nein, eher öfter) hört man denn auch, Kern wolle ehestmöglich wählen, eine geeignete Absprungbasis finden. Doch auch diese Behauptungen bleiben fern der Objektivierbarkeit. Kerns hohe Sensibilität ist greifbar, aber sie unterscheidet ihn im Positiven von anderen Politikern, verbindet ihn mit Charismatikern wie Sebastian Kurz (der allerdings abgebrüht ist) oder Jörg Haider (der es nie wurde). Und den Absprung sucht die ÖVP vielleicht nicht, ihr Heiland auf Abruf, der Außenminister, kalkuliert aber sicherlich.

So lenkt man kein Land. Dann lasst halt wählen!

Unter dem Strich ist das alles ärgerlich, lächerlich. Eine Koalition, die Paartherapie braucht. Familienaufstellung für die Regierungsmitglieder. Spitzenpolitiker, die ihren Narzissmus spazieren führen. Mangels Einsicht ins Störungsbild ist keine Besserung möglich. So lenkt man kein Land. Dann lasst halt wählen!

Ersparen wir uns hier die Argumente, für wen vorgezogene Neuwahlen aus welchen Gründen nicht sinnvoll sind, verzichten wir auf die Kalkulation, dass es sich SPÖ und ÖVP nicht verbessern können, blenden wir aus, dass wir dann vermutlich eine FPÖ auf Platz eins und in der Konsequenz einen Kanzler Heinz-Christian Strache haben werden! Denn nichts gibt Anlass zu der Hoffnung, dass sich bis 2018 irgendetwas zum Besseren wenden würde. Da ihr es nicht besser könnt, scheidet diese Ehe, lasst uns wählen!