Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Kommt die Rechtsregierung?

Kommt die Rechtsregierung?

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In vier Monaten, am 29. September, wählt Österreich einen neuen Nationalrat. Eine so diskret wie heftig diskutierte Frage ist, ob das Land danach wie gewohnt von einer Großen Koalition regiert werden wird – oder ob die Volkspartei noch einmal eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen wagt.

Arithmetisch ist wohl beides möglich. SPÖ und ÖVP werden vermutlich eine absolute Mehrheit zusammenbringen, vielleicht nur knapp. ÖVP und FPÖ alleine schaffen das zwar nicht, aber gemeinsam mit Stronach ziemlich sicher. Das wäre dann eine Rechtsregierung. Nicht nur: Da sich das Team Stronach großteils aus dem BZÖ rekrutiert, das wiederum von der FPÖ abgespaltet wurde, kämen dann indirekt die gleichen Gruppen an die Macht wie zu Beginn des Jahres 2000, als Wolfgang Schüssel mit Jörg Haider koalierte.

Kann sich die – und diese – Geschichte wiederholen?

Betrachten wir zunächst noch die anderen denkbaren Regierungsvarianten! Rot mit Blau hat Werner Faymann glaubwürdig ausgeschlossen, jede Verbindung der Grünen mit der FPÖ ist undenkbar. Rot und Grün werden ebenso wenig eine Mehrheit haben wie Schwarz und Grün. Rot oder Schwarz mit Grün plus Stronach könnte sich ausgehen, aber eher doch nicht. Das BZÖ als Joker? Hat kaum Chancen, wieder in den Nationalrat zu kommen.

Bleibt, wie gesagt, als Alternative zur – noch so genannten – Großen Koalition Volkspartei mit Freiheitlichen und Stronach. Bleibt sie?
Dass diese Frage gerade jetzt massiv auftaucht, hat Gründe.

Erstens: Durch die Koalition der Tiroler ÖVP mit den Grünen und der Salzburger ÖVP mit Grün und Team Stronach – und in diesem Fall vor allem der Grünen mit Stronach – sind den Fantasien nicht mehr die Grenzen der Realität gesteckt; vieles scheint in der fragmentierten österreichischen Landschaft möglich.

Zweitens:
Die ÖVP hat nach den Landtagswahlen in Tirol und Salzburg und der Volksbefragung zur Wehrpflicht Oberwasser, was allerlei Spekulationen auslöst.

Drittens:
Keine der drei Parteien hat eine Zusammenarbeit mit einer der anderen ausgeschlossen. Wiewohl gegenteilige Festlegungen seit Schüssels ­Beteuerungen im Jahr 1999 (er werde als Dritter ganz, ganz sicher in Opposition gehen) im Fall der ÖVP ­ohnehin die Glaubwürdigkeit derer von Münch­hausen hätte.

Viertens – und unter anderem wegen des zuletzt Gesagten: Wir hatten diese Konstellation bereits zwischen 2000 und 2006. Das spricht freilich dafür und dagegen.

Genau genommen sind zwei Fälle zu unterscheiden: Die Volkspartei liegt bei der Wahl vor der SPÖ oder sie liegt dahinter. (Dass sie an dritter Stelle landet, wie 1999, ist möglich, aber unrealistisch, solange Stronach im Spiel bleibt.) In welcher Situation eine Rechtskoalition wahrscheinlicher wird, ist nicht so leicht zu beantworten. Schafft Michael Spindelegger Platz eins und hat er gemeinsam mit der SPÖ über 50 Prozent, dann wird er diese Variante versuchen. Weigert sich die SPÖ oder gibt sie sich auch nur zickig, dann kann er mit der fehlenden Alternative argumentieren – und Österreich hat eine Regierung mit Beteiligung des Herrn Strache. Wird Spindelegger Zweiter, dann müsste und könnte er Wolfgang Schüssels Coup wiederholen – immerhin vom zweiten Platz aus und nicht vom dritten –, um Kanzler zu werden.

Somit zeigt sich: Ob Österreich nach der Nationalratswahl eine Rechtsregierung bekommt, hängt stark an der Person Spindelegger. Und da scheiden sich die Geister. An der Spitze der Sozialdemokraten versichern die Genossen – und eher aus Überzeugung denn aus taktischen Gründen –, dass sie den braven Parteichef für alles andere als brav und selbst aus Position zwei zu allem fähig halten. Zynische Formulierung: „Schließlich ist er Niederösterreicher und ÖAABler.“ Innerhalb der Volkspartei selbst gibt es mehrere Fraktionen: jene, die ähnlich der SPÖ glauben, dass Spindeleggers Wille zur Macht unterschätzt wird und er selbst als Wahlsieger „nach Opportunität“ entscheiden würde. Andere Parteigänger meinen hingegen, dass Spindelegger zwar ideologisch „schmerzfrei ist“, es aber „die ÖVP zerreißen würde“, wenn man mit Strache koalierte. Zumal die Wirtschaft heute skeptisch sei, anders als 1999 – damals agierte die Industriellenvereinigung als Einpeitscher für Blau-Schwarz. Und schließlich: Eine große Anzahl von kleinen ÖVP-Funktionären antwortet auf die Frage nach einer Rechtskoalition mit einer Gegenfrage: Wo denn das Problem sei?

An diesem Punkt und bei dieser Haltung darf man zusammenfassen: Die Erfahrungen zwischen 2000 und 2006 – die Zusammenarbeit mit Gesinnungstätern, Kriminellen und Idioten – haben die Volks-
partei nicht immunisiert. Nicht alles ist wahrscheinlich, aber alles ist denkbar – auch eine Rechts- beziehungsweise Rechtsradikalenregierung.

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