Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Korrupter?

Korrupter?

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Die Fakten sprechen gegen Österreich, und so sieht das auch die „Süddeutsche Zeitung“. Das renommierte Blatt widmet am 4. Dezember die Seite zwei des Blattes unserem Land – mit Worten wie diesen: „Österreich und die Korruption. Ein Ex-Innenminister, der wegen Bestechlichkeit angeklagt ist; verdächtige Geldzahlungen im Zusammenhang mit dem Kauf von Kampfflugzeugen; und Regierungsmitglieder, die Zwielichtiges zu erklären haben – Österreich ist lange kein Musterbeispiel an Seriosität gewesen. … Die kleine Republik mit ihrem überschaubaren politischen Personal erschrickt täglich neu darüber, wie sehr sich das Land zu einem Selbstbedienungsladen entwickelt hat.“

Schaut gar nicht gut aus. In dieser Woche startet der spektakuläre Prozess gegen den Ministergatten Alfons Mensdorff-Pouilly, und weil das nicht minder spektakuläre Verfahren gegen den Minister außer Dienst Ernst Strasser in die Verlängerung geht, werden sich die beiden die Gerichts­örtlichkeit in trauter Abwechslung teilen müssen. Ferner waren da noch: ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu diversen Skandalen, der im Handstreich abgedreht wurde; ein ehemaliger Finanzminister, der zwischen billigen Bundeswohnungen, teuren Kampfflugzeugen
und einer unkooperativen Schwiegermutter torkelt; eine Kärntner Bank in Abwicklung und in Verruf; eine niederösterreichische Bank mit Hausdurchsuchungen in der vergangenen Woche; eine Linzer Immobilie; und einiges mehr und darüber hinaus und zur gleichen Zeit. Nicht zu vergessen: alljährlich absteigendes Ansehen auf der Weltkorruptionsskala.
Alsdann: Ist Österreich wirklich korrupter als andere ­Länder?

Sie erwarten jetzt eine überraschende Antwort, also diese: „Nein, ist es nicht. Sieht bloß so aus. Kleines Land, darum große Auffälligkeit. Geht doch um die BAYERISCHE Hypo. Dreht sich um BRITISH Aerospace. Bösboulevardige Journalisten. Offensiv opponierende Opposition.“
Aber leider nein: Österreich ist tatsächlich versiffter als andere westeuropäische, andere westliche Staaten, als das in mancher Hinsicht nahe liegende Deutschland, als die Schnittgröße der Europäischen Union vor ihrer Osterweiterung. Ja, das zeigt jener Korruptionsindex, der mit wissenschaftlichem Instrumentarium erstellt wird. Vielleicht zeigt es auch die persönliche Erfahrung. Jedenfalls zeigen es aber die angeführten Fälle.

Wo sonst kann eine Spitzenpolitikerin über zwei Jahrzehnte in ihren Funktionen inklusive Ministeramt bleiben, während ihr Mann ein deklarierter Waffenlobbyist und wiederkehrend verdächtigter Korruptionist ist? Wo sonst kann diese Politikerin für Materien ressortzuständig sein, für die ihr Mann Geschäfte angelt? Wo sonst wäre Maria Rauch-Kallat nicht alleine wegen uneingeschränkter Unvereinbarkeit und mieser Optik aus der Politik ausgestiegen?

Wo sonst bleibt ein Finanzminister trotz einer Unzahl von Petitessen im Amt? Wo sonst reicht nicht die Kum­-panei mit wirklich schlecht beleumundeten Freunden für ­einen Rücktritt? Wo sonst gibt es statistisch unwahrscheinlichste Privatisierungsergebnisse unter Vermittlung ebendieser Freunde? Wo sonst trägt ein aktiver Finanz­minister klammheimlich das Vermögen der Schwiegermutter im Koffer über Landesgrenzen? Wo sonst widerspricht die Schwiegermutter der Erzählversion des Schwieger­sohnes?

Wo sonst wird eine Landesbank vom Landesfürsten unter Einbeziehung seines politischen und Freundesklüngels wie ein Tanzbär durchs Bundesland geführt – bis zum ­Zusammenbruch des Institutes?

Wo sonst kosten wenigseitige Nichtgutachten zweistellige Millionenbeträge, die dann per Freundschaftsrabatt auf einstellig reduziert werden? Wo sonst wird dieser himmelschreiende Tatbestand von der Justiz ad acta gelegt und bloß durch Zufall dann doch noch vor Gericht und zur ­Aburteilung gebracht?
Wo sonst wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der all das öffentlich diskutieren soll, vom ­Umfeld der potenziellen Täter vorzeitig abgewürgt?

Nirgends sonst. Nur in Österreich.

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