Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Kronland

Kronland

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Unter den Mächtigsten des Landes blieb es Christoph Schönborn vorbehalten, den leeren Kondolenzfloskeln einen kritischen Ton beizufügen: „Man musste nicht all seine Entscheidungen und Vorlieben teilen“, schrieb der Kardinalerzbischof in einer veröffentlichten Botschaft unmissverständlich, um sich dann auf ein unverfängliches Lob der Religiosität des Verstorbenen zurückzuziehen. Die Spitzen der Republik hingegen versagten bei dem Versuch, angemessene Pietät mit einem sinnvollen Maß an Wahrheit zu ergänzen. Besser gesagt, sie unternahmen diesen Versuch erst gar nicht. Sie übten sich vielmehr in klangfreien Worthülsen und plumper Anbiederung. Der Bundespräsident: „Hans Dichand war mehr als ein halbes Jahrhundert lang mit großem Einfluss auf dem Mediensektor tätig.“ Der Bundeskanzler: „Hans Dichand war eine der großen Persönlichkeiten des Landes.“ Der Vizekanzler: „Österreich verliert einen seiner herausragendsten Zeitungsmacher, der über Parteigrenzen hinweg geachtet wurde.“ Der Wiener Bürgermeister: „Sein Erfolg wird über seinen Tod hinaus wirken.“ Das ist alles nichtssagend bis erbärmlich. Und so konnte Hans Dichand noch mit seinem Tod beweisen, was er mit seiner Zeitung ein Leben lang zelebrierte: die Willfährigkeit der österreichischen Politiker gegenüber dem Willen der „Kronen Zeitung“. Aber nicht nur das: darüber hinaus ganz allgemein deren Unvermögen zur Auseinandersetzung mit Journalisten.

Zweifellos: Die „Kronen Zeitung“ ist mit drei Millionen Lesern mächtig, gemessen an der Bevölkerungsgröße das gewichtigste Printmedium der Welt. Ihre kampagnenartige Berichterstattung kann das Meinungsklima des Landes daher manchmal beeinflussen, ebenso oft gelingt das aber nicht. Wer in der „Krone“ in günstigem Kontext erwähnt wird, gewinnt leicht an Beliebtheit, manchmal freilich bloß im Bekanntenkreis. Wer nicht vorkommt, verliert an Popularität, oft ist es aber nur die Eitelkeit, die da beschnitten wird. Mag sein, dass die „Krone“ auch Politikerkarrieren beendet hat, allerdings nur in seltenen Fällen. Wegen dieser realen Macht also und mindestens so oft wegen der imaginierten fürchtet das Personal des Landes diese Zeitung. Deshalb wagt keiner vom Staatsoberhaupt abwärts differenzierte Worte über den verstorbenen Herausgeber und sein Lebenswerk. Das duckmäuserische Verhalten der Politiker auf ihr Verhältnis zur „Krone“ zu reduzieren, wie seit Jahren vom Stammtisch wie auch vom Feuilleton gepflogen, greift freilich viel zu kurz. Vielmehr ist dieses Verhältnis, das vor zwei Jahren in einer Unterwerfungserklärung des damaligen und des heutigen Bundeskanzlers an Hans Dichand gipfelte, nur das augenfälligste Symptom einer weit breiteren Unzulänglichkeit des Landes: nämlich der generellen Unfähigkeit der Politiker, einen angemessenen Umgang mit den Medien zu finden. Das stimmt in gleichem Ausmaß wie für die „Krone“ für den ORF, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Hier gibt sich die Politik nicht willfährig, sondern zwingt im Gegenteil Journalisten den eigenen Willen auf. Da wird, oft in Tateinheit mit der Geschäftsführung, die journalistische Unabhängigkeit mit Füßen getreten, sei es im Einzelfall durch Intervention, mittelfristig durch gezielte Personalbesetzung oder auf lange Sicht im Wege der Rechtslage. Das ORF-Gesetz, das in diesen Tagen im Parlament beschlossen wurde, bietet dafür ein blühendes Beispiel: Es bringt trotz anderslautender Beteuerungen genau nichts für die Programmqualität; die finanziellen Zuwendungen an den ORF, die im Zentrum des Gesetzes stehen, wurden durch einen groß angelegten Postenschacher erkauft. Um nichts besser der Umgang der Politiker mit anderen Medien: geprägt von unwürdiger Annäherung statt Konfrontation auf Augenhöhe. Das kann sich dann in Lock- wie auch Drohversuchen über die Inseratenvergabe manifestieren, über Zuwendungen qua Presseförderung oder aber im permanenten Wechselspiel von Zuneigung und Liebesentzug, Demut und Einschüchterung gegenüber Journalisten. Ein Spiegelbild des Verhältnisses zur „Krone“ in allen möglichen Formaten.

Warum das Ganze? Weil es den österreichischen Politikern erstens am Willen fehlt, sich mit dem Unberechenbaren auseinanderzusetzen, also mit dem freien Geist unabhängiger Journalisten. Weil es ihnen zweitens an einem positiven Grundverständnis für Journalismus mangelt. Und drittens, weil ihnen vielfach die intellektuelle Fähigkeit zu einer derartigen Konfrontation nicht gegeben ist. Dieses inakzeptable Verhalten der österreichischen Politiker ist und war das Grundproblem der „Kronen Zeitung“, nicht jedoch die innere Verfasstheit ihres Herausgebers oder einer Redaktion.

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