Christian Rainer: Linksordnung

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Trotz Unterstützung durch den „Islamischen Staat“, trotz Baschar al-Assad, trotz afghanischer Taliban! Heinz-Christian Strache hat satt im Flüchtlingsstrom treibend den selbst ausgerufenen Wettkampf gegen Michael Häupl verloren, die Wahl nicht so gewonnen, wie er es sich vorgestellt hatte, wie viele erwarteten. Er hatte versucht, ein denkunmögliches Ereignis zu erzwingen, auf Menschen trampelnd, die vom Frieden träumten, auf dem Rücken vom Krieg traumatisierter Kinder, undifferenziert mitleidslos.

Zusammenhang offensichtlich: Im April lag die FPÖ in einer Ifes-Umfrage 16 Prozentpunkte hinten, im Mai bei Gallup neun Punkte. Mit den Bildern von Zelten und dem Massenandrang von Flüchtlingen schrumpfte der Abstand gegen null in den Bereich der Schwankungsbreite. Dann Wahlkampf, die SPÖ und Häupl mobilisierten. Heute ein Respektabstand wie vor einem halben Jahr.

Gut so. Und überdies: Präsentierte uns dieser Sonntag nicht ein vergängliches Phänomen, wird mit dem Versiegen des Flüchtlingsstroms, mit Winterkälte und deutscher Kälte der Zulauf zur FPÖ nicht ohnehin versiegen?

Das ist leider unwahrscheinlich. Die FPÖ hat kritische Masse erreicht. Musste Jörg Haider noch unaufhörlich spaltbares Material nachschütten, um die Gesellschaft zu spalten, so ist der pöbelnde Populismus nun selbstverstärkend, Strahlung ersetzt Strahlkraft, man berülpst sich gegenseitig. Bei Nationalratswahlen würde Strache heute laut Gallup neun Punkte vor der SPÖ in die nationale Erde krachen. Nicht Bürgermeister Strache also – aber Kanzler?

Was tun, wenn wir das nicht wollen, weil uns das Ende mit Schrecken mehr schreckt als der Schrecken ohne Ende? Zwei Möglichkeiten, eine davon hat sich eben als mögliche Möglichkeit erwiesen.

Denn Michael Häupl ist neben Erwin Pröll die letzte große Führungsfigur jener Generation. Er ist in der Form sprachgewaltig, zeigt Haltung, durch seinen Auftritt gelingt es ihm, Entscheidungskraft in der Sache zu simulieren.

Also erstens: Wenn die Prämisse ist, dass vor allem die unzureichende Politik der Regierenden den Zulauf zur FPÖ kanalisierte, wenn zaudernde Führung ein mit dem blauen Gral kommunizierendes Gefäß wäre, dann ist diese Behauptung nun an der Wiener Wahl zu messen. Messergebnis: Der Kelch könnte an uns vorübergehen.

Denn Michael Häupl ist neben Erwin Pröll die letzte große Führungsfigur jener Generation. Er ist in der Form sprachgewaltig, zeigt Haltung, durch seinen Auftritt gelingt es ihm, Entscheidungskraft in der Sache zu simulieren. Man darf annehmen, dass ein Großteil der Wähler den Unterschied zwischen geschwungener Rede und Sachpolitik nicht erkennt. Die Stadt ist lebenswert bis zum Abwinken, objektiv sicher und sauber. Die Schuldenlast wird erst die Nachgeborenen drücken.

Im Ergebnis: Man könnte nun darauf bauen, dass geeignete Persönlichkeiten das rechte Personal draußen halten. (In Oberösterreich ist das dem properen Josef Pühringer allerdings nicht gelungen.) Gebricht es nur an Werner Faymann und dem jeweils aktuellen ÖVP-Obmann, wenn sie Strache nicht niederhalten? Könnten etwa Christian Kern und Sebastian Kurz mit inhaltsreicher und erkennbarer Politik dem Land ökonomisch, ihren Parteien und damit der demokratischen Stabilität helfen?

Werden wir nicht erfahren. Vielleicht kommt Kurz. Aber Faymann wird den Verlust in Wien als seinen Zugewinn feiern

Die andere Möglichkeit: Blau beteiligen, in die Verantwortung nehmen, koalieren, mitregieren lassen. (Die Finger brennen. Beim Lesen von Christa Zöchlings Zeilen über die Freiheitlichen im Wiener Gemeinderat auch das Herz.) In Wien keine sinnvolle Variante. Aber in Oberösterreich, im Bund? Argumentation dafür: Entzauberung./In der Regierung auf Opposition machen kommt nicht gut an./Sachzwang besiegt Parole./Alltagstaugliche FP-Politiker sind Mangelware.

Also doch der Schüssel-Kurs? Nein. Die Situation ist nicht mit dem Jahr 2000 zu vergleichen. Schüssels Chuzpe, vom dritten Platz aus den Kanzler zu machen, war ausschließlich dem persönlichen Machterhalt geschuldet, widersprach zudem Zusicherungen vor der Wahl, bedeutete auch einen Vertrauensbruch gegenüber der Mehrheitspartei SPÖ. Vor allem jedoch: Der Tabubruch bestand darin, dass Täter und Opfer des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte, massiv in der Verantwortung von Österreichern auf österreichischem Boden verübt, im Jahr 2000 noch im Alltagsleben präsent waren. Die deutschnational-nationalsozialistischen Wurzeln der freiheitlichen Bewegung waren damals ihr Stützapparat und folgerichtig anders bedeutend als heute. Haider wandelte zwischen diesen Welten.

15 Jahre später steht zwar ein Mann an der Spitze, der im Neonazi-Milieu verkehrte, aber der Fokus der FPÖ ist geändert: eine außergewöhnlich erfolgreiche und außergewöhnlich unappetitliche xenophobe Truppe. Deshalb will man nicht mit ihr zusammenarbeiten. Aber man könnte.

Gelernt an diesem Wahltag: Es gibt doch eine Alternative – starke Persönlichkeiten.

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