Christian Rainer: Resteverwertung

Musk, Zuckerberg, Trump, Nehammer, Kurz, die Grünen, die Lehrer. Was sonst noch geschah.

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Ursprünglich wollte ich einen virenfreien Kommentar schreiben, einen Text unter strikter Aussparung des Wortes "Corona". Ich scheiterte schon in der Planung. Derzeit ist alles mit der Pandemie verbunden, selbst im persönlichen Umfeld: die Amazon-Bestellung, die Autowerkstatt, das neugeborene Kind der Nachbarn, die Schule der Kinder, der Urlaub, das Begräbnis da und die Hochzeit dort. Deshalb hier nun ein Potpourri der Randerscheinungen von Covid-19.

Am vergangenen Dienstag bezeichnete Elon Musk die Corona-Beschränkungen als "faschistisch". Nicht zum ersten Mal platzt dem Tesla-Chef der Kragen. In diesem Fall freilich: Grund genug, jeden Gedanken an einen Kauf seiner Elektroautos zu verwerfen. Faschismus -welchen auch immer -mit der Bekämpfung der Pandemie zu vergleichen, das ist bei einem durchschnittlichen Menschen dumm, beim Visionär und Milliardär Musk ist es verbrecherisch. Dass er den Vergleich gezogen hat, weil eine seiner Fabriken geschlossen wurde, macht die Sache noch obszöner. Mark Zuckerberg hingegen schlägt einen anderen Ton an. Er warnt vor einer schnellen Lockerung der Beschränkungen und meint, die Krise werde lange dauern. Gehen wir nicht davon aus, dass der Facebook-Gründer nur deshalb zu Weitblick und Verantwortungsbewusstsein gefunden hat, weil er auf mehr Kundschaft in Shutdown-Zeiten hofft. Der Rückgang der Online-Werbung wird selbst ihn beschädigen -auf hohem Niveau. Ebenfalls in den USA: Donald Trump schlägt die Injektion von Desinfektionsmitteln zur Heilung von Covid-19 vor. Ich schreibe nicht: Schade, dass der Präsident keinen Selbstversuch unternimmt. Ich schreibe: Wie kann es sein, dass die Hälfte der Amerikaner Trump wieder zum Führer der westlichen Welt wählen wird? Derweil in Österreich: Nun, da die Ausgangssperren aufgehoben werden, stellt sich heraus, was für ein legistischer Schmarrn die zentralen Regeln des Shutdowns waren (so sinngemäß der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk). Als "Punkt 5" der Ausnahmen war die Bewegung der Bürger im freien Raum generell erlaubt - mit Personen aus dem eigenen Haushalt oder mit Sicherheitsabstand. Damit waren aber die vier anderen Ausnahmen (Arbeit, Grundbedürfnisse ) obsolet. Heißt das, jeder hätte jeden jederzeit besuchen können? Vermutlich ja. Der Innenminister, der sonst eine durchaus gute Figur macht, erklärte daraufhin: Allfällige Zusammentreffen und Corona-Partys seien ja nicht wegen der Ausgangsbeschränkungen aufgelöst worden, sondern wegen "Lärmbelästigung". Das ist lächerlich.

Warum bilden die Grünen keinen Gegenpol zu dem bisweilen selbstherrlichen Auftreten des Kanzlers?

In diesem Zusammenhang: Warum tun sich Politiker so schwer, Fehler oder auch nur Unsicherheit einzugestehen? Am schwersten fällt das dem Bundeskanzler. Er spricht lieber davon, dass er sich "100-prozentig sicher ist, dass wir richtig handeln". Wie kann ein erwachsener Mensch so etwas sagen? Es hat Sebastian Kurz viel Kraft und Armin Wolf viel Nachfragen gekostet, bis im "ZIB 2"-Interview am Mittwoch dann doch irgendwann das Eingeständnis des Kanzlers kam, nicht jede seiner Formulierungen sei perfekt gewesen, er habe in dieser Krise auch emotional gehandelt. Na hoffentlich!

Wie steht es in diesem Zusammenhang um die berühmte Angstmache, über deren Notwendigkeit Kurz laut einem Gesprächsprotokoll zu Beginn der Krise sinniert hatte? Für mich nicht eindeutig: Selbstverständlich war Angst notwendig (und daher auch Zuspitzung), um die ÖstereicherInnen in ihre Häuser und Wohnungen zu scheuchen. Punktuell hat Kurz dann übertrieben: "100.000 mögliche Tote." Dafür hätte er eine Studie präsentieren müssen und nicht nur ein Papierl zitieren. Andererseits: Dass jeder von uns "bald einen Corona-Toten gekannt haben wird", ist nicht weit von der Wahrheit entfernt. (In der profil-Redaktion sehen das viele jedoch anders.)

Warum bilden die Grünen keinen Gegenpol zu dem bisweilen selbstherrlichen Auftreten des Kanzlers? Warum erklärt Rudi Anschober nicht, wie jede Entscheidung zustande gekommen ist, welche Wissenschafter eine Gegenmeinung hatten? Ich weiß es nicht. Die Grünen unterwerfen sich der Message Control der ÖVP. Und das kam nicht erst mit Corona, sondern begann am Tag eins der Regierungsarbeit (Beispiel: UN-Migrationspakt). Schließlich die Lehrer: Sie wollen also trotz Corona nicht an den beiden Fenstertagen unterrichten. Oder ist es nur der Gewerkschafter Paul Kimberger, der nicht will, dass die Lehrer wollen? Auf Twitter regte sich Widerstand. Die Mehrheit der Lehrer habe eine andere Meinung, schreibt eine Minderheit der Lehrer. Dann bitte: Liebe durch die Krise nicht in eurer Existenz gefährdete Lehrer: Entledigt euch endlich solcher Vertreter, wählt sie ab! Oder ist euch doch das Hemd näher als der Rock?

[email protected] Twitter: @chr_rai