Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Rot-Grün. Budget. ORF.

Rot-Grün. Budget. ORF.

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1. Wien. Ich hatte jüngst in gleich zwei Fernsehsendungen die Wette angeboten, dass Michael Häupl eine Koalition mit der Volkspartei schnüren werde. Es dürfte nicht nur am Wetteinsatz gelegen haben – einmal ein nicht unauffälliges Sakko, bei anderer Gelegenheit Wein kistenweise –, dass sich kein Wettgegner fand: Alle Teilnehmer der Diskussionsrunden – vom Großmeister der politischen Analyse, ­Peter Filzmaier, bis zur Sprecherin der verheirateten Kleinformate, Eva Dichand – waren überzeugt, in Wien würde in Zukunft eine rot-schwarze Koalition regieren.

Haben wir den Bürgermeister unterschätzt? Kann sein. Hängt davon ab, ob die Verhandlungen mit den Grünen nicht nur ein taktisches Manöver sind, um nach deren Scheitern freie Bahn für die einfachere Lösung zu haben.
Denn das wäre eine Zusammenarbeit mit Christine Marek ohne Zweifel. Ihr Gestaltungswille und damit das Zoffpotenzial halten sich in engen Grenzen. Bei den Grünen hingegen gibt es Probleme. Erstens: Maria Vassilakou will wohl nicht bloß um scheinbarer Macht willen regieren. Das schränkt den Führungskomfort des Patriarchen im Rathaus ein, erfordert abseits der Orchideenthemen Kompromisse. Zweitens: Sind die Grünen im stabilen Gleichgewicht oder, wie an der Basis, für eine tägliche Implosion gut? Wird man sehen. Drittens: Rot-Grün in der Stadt stünde im Spannungszustand zu Rot-Schwarz im Bund. Die Situation gleicht zwar nicht der friedlichen Koexistenz mit der schwarz-grünen Lebensgemeinschaft im fernen Oberösterreich. Aber brisanter als das Verhältnis der Bundesregierung zum Landeshauptmann von Niederösterreich würde sich die Mesalliance auch nicht erweisen. Viertens: Was sagen die Wirtschaft, was die schwarzen Banken dazu? Widerstand überwindbar – Stadt und Kapital brauchen sich in jedem Fall weiterhin wechselseitig.

Soll man für Rot-Grün sein? Jedenfalls. Klingt spannend, kann nicht viel ruinieren. Wer eine der beiden Parteien gewählt hat, wird ohnehin nichts dagegen haben. Wer stets auf eine zwangsläufig anarchistisch-marxistische Ausrichtung einer solchen Zusammenarbeit verwiesen hat, kann sich nun endlich bestätigt sehen.

2. Budget.
Häupl haben wir vielleicht unterschätzt, die Regierungsspitze eher nicht: Der wichtigste politische Gestaltungsraum für diese Legislaturperiode bleibt unmöbliert. Die Analyse der Budgetverhandlungen wird ergeben, was zu erwarten war (nicht zu befürchten, denn das hätte einen Rest an Hoffnung vorausgesetzt). Da ist kein Deut von inhaltlicher Anstrengung zu erkennen, keine Zahl, die auf etwas anderes als parteipolitische Interessenwahrung schließen ließe.

Einerseits wird nur Kleingeld gespart. Verwaltungsreform oder das Wegschmelzen großer wie sinnentleerter Transferzahlungen findet nicht statt. Vielmehr wird fehlendes Geld in größtmöglichem Umfang aus neuen Steuern und Abgaben geschöpft werden. Alle gegenteiligen Beteuerungen sind Marketingphrasen. Andererseits bleibt die Neuausrichtung des Landes unversucht, die nun in drei von Wahlen freien Jahren möglich wäre. Eine große Umschichtung in Richtung Bildung und Forschung wird fehlen, ebenso bleibt die katastrophal schlechte Treffsicherheit des Sozialstaates unverbessert. Der Handel zwischen den Parteien behält gegenüber dem Handeln für Österreich die Oberhand.

3. ORF. Der oben stehende Satz gilt eins zu eins auch für den Österreichischen Rundfunk. Am Freitag der vergangenen Woche ist Elmar Oberhauser von Alexander Wrabetz auf unbestimmte Zeit beurlaubt worden. „Die Führung des wichtigsten elektronischen Mediums setzt ein Mindestmaß an vertrauensvoller Kooperation voraus. Dies ist in der Zusammenarbeit mit Herrn Oberhauser derzeit nicht gewährleistet“, argumentierte der Generaldirektor den drohenden Hinauswurf seines Informationsdirektors.

Oberhauser hatte Armin Wolf als neuen Chefredakteur vorgeschlagen, Wrabetz nur Stunden später Fritz Dittlbacher auf diesen Posten gesetzt, Oberhauser diese Entscheidung daraufhin öffentlich kritisiert. Wer hat Recht?

Oberhauser hat Recht. Und das ergibt sich im Umkehrschluss aus dem, was Wrabetz tut. Erstens: Der General erklärt blauäugig, er sei doch bloß dem Votum der Redakteure gefolgt. Das war freilich noch nie ein Kriterium für seine Personalagenda. Zweitens: Dittlbacher sei ein hervorragender Journalist, dem man jetzt durch parteipolitische Punzierung Unrecht tue. Wiederum: Auch bestmögliche Qualifikation als Benchmark ist bei Herrn Wrabetz nicht erinnerlich, der Schutz vor politischer Vereinnahmung durch ihn ein Hohn. Drittens: Allein die Tatsache, dass Wrabetz eine kontroversielle Entscheidung trifft, und zwar in krassem Widerspruch zum inhaltlich zuständigen Informationsdirektor, lässt auf andere Motive schließen. Diese liegen – viertens – im Willen der SPÖ und folgerichtig im Wunsch von Wrabetz, wiedergewählt zu werden.

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