Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Sportverletzung

Sportverletzung

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Was über Norbert Darabos zu sagen ist, ist mit der Geschichte im aktuellen profil eigentlich erledigt. Ein österreichischer Minister mit Verantwortungsbereich Sport, der nach vier Jahren im Amt die Verantwortlichen dafür sucht, dass Österreichs Sportler in London keine Medaille machen; ein bezahlter Parteifunktionär, der den ehrenamtlichen ÖOC-Präsidenten anschwärzt; ein Politiker, der Sportler kritisiert – das ist entweder naiv oder pervers oder perfid.

Zu ergänzen wäre: Die Sache hat System. Als Verteidigungsminister handelt Darabos nach demselben Muster. Wenn im Heer etwas schiefläuft, ruft er nach den Schuldigen, in Verkennung der Tatsache, dass er selber schuld ist. Wen wundern derartige Psychokapriolen bei einem Minister, der an der Abschaffung seines eigenen Ressorts arbeitet? Das ist nur dann verständlich, wenn Darabos seine Mission als die Verzivildienerung des Landes durch einen Zivildiener versteht. (Ich selbst wurde von der berüchtigten Gewissenskommission, die damals ihr Unwesen trieb, als Zivildiener abgelehnt und musste als Zwangseinberufener daher einen Meineid leisten, das Land mit der Waffe verteidigen zu wollen. Wie krank ist es dann erst, wenn ein Zivildiener als Minister das Land mit Waffen verteidigen lassen würde?)

Darüber hinaus: Darabos beschimpfte Österreichs Sportler als „Olympiatouristen“. Wahr ist vielmehr: Ich habe Darabos in Vancouver neben der damaligen Innenministerin Maria Fekter als Olympiatouristen erlebt. Gebraucht hat die beiden dort wirklich niemand, am wenigsten die Sportler. Die Politiker waren ein Störfaktor, abgeschottet in einer VIP-Zone des Österreich-Hauses, die nicht einmal von allen Olympiateilnehmern betreten werden durfte. Der einzige Grund für ihre Reise war die erbärmliche Hoffnung, von den österreichischen Medien auf großer Reise gefeatured zu werden.

Womit wir beim Kern der Sache sind. Sport wird von der Politik instrumentalisiert, ganz oben und auch bei der Masse. Wie es an der Spitze läuft, zeigte Olympia. Da will der Volksvertreter vom Glamour der Pop-Star-Sportler profitieren. Fotos in der „Krone“, Bildfetzen im ORF. Sobald es nicht gut läuft, brechen die Ressentiments auf, und das entsprechend heftig. Querschüsse über die Parteigrenzen, Abrechnung im eigenen Lager.

Kein Zufall, dass der rote Darabos den schwarzen Stoss anpöbelt; Lagerdenken, das schnell mal persönlichen Hass gebiert. Aber auch offene Rechnungen in der eigenen Partei, Wittmann gegen Darabos zum Beispiel.
Nicht anders beim Massensport. Bis in den letzten Winkel der Republik muss die Bevölkerung von Kind an Farbe bekennen: Sozialdemokraten gehen in den ASKÖ, Volksparteiische zur Sportunion. Die Präsidenten der beiden Organisationen sind prominente Nationalratsabgeordnete; sie finden sich an der Spitze des Dachverbands Bundessportorganisation wieder. (Unbedeutend daneben der ASVÖ. Für die Deutschnationalen noch immer ein guter Anschluss der „Gut Heil“-Turnerbund.)

Warum das Ganze? Weil es um politische Macht geht. Weil diese Sportvereine nichts anderes sind als verkappte Vorfeldorganisationen der Parteien (egal, ob die Mitglieder das wahrhaben wollen oder nicht). Weil nirgends so viel Steuergeld (und Geld der Lotterien, was keinen Unterschied macht) an so viele Menschen verteilt werden kann.

Die Naturfreunde sind links, der Alpenverein ist konservativ, jeder hat seine eigenen Hütten. Der ÖAMTC erklärt feierlich, dass er mit der ÖVP nichts am Hut hat, der ARBÖ nichts mit den Roten. Die Caritas ist schwarz, die Volkshilfe wird von den Roten okkupiert. Der ORF ist großkoalitionär aufgeteilt. Das in seiner Gesamtheit als Anachronismus zu bezeichnen greift zu kurz. Parteipolitik bis in die letzten Lebenswinkel ist Teil des österreichischen Volksguts, hat Tradition, kann daher die Wortbedeutung von Anachronismus als fahrlässige Verwechslung der Zeiten nicht erfüllen.
Beim Sport ist diese Tradition freilich zum Missbrauch geraten. Hier vermag sich keiner zu entziehen. Hier existiert eine politische Parallelwelt, findet eine stille Anfütterung von Funktionären statt, werden Wähler herangezogen. Sport als heimliche Form der Parteienfinanzierung, nicht weniger.

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