Christian Rainer: Wenn Trump Kurz trifft

Was besprechen die beiden Politiker in 30 Minuten?

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Sebastian Kurz versteht es, mit einfachen Symbolen zu hantieren. Monodimensionale Messages, farbenfrohe Fotos, feste Frisur, eleganter Einheitsanzug – you name it. Da ist er ein Kind seiner Zeit, und wer ein wenig älter ist, muss zumindest diese Disruption zwischen der Politik von gestern und der von heute zur Kenntnis nehmen.

Wenn der Bundeskanzler der Republik Österreich in der kommenden Woche den Präsidenten der Vereinigten Staaten besucht, dann ist das natürlich auch ein symbolischer Akt. Das Treffen mag sogar konventioneller Symbolpolitik entsprechen. Besuchsdiplomatie signalisiert subtil, wer mit wem gerade besonders gut ist oder besonders über Kreuz. Und im Fahrwasser der Politiker machen Unternehmen ihre Geschäfte. Wir dürfen allerdings davon ausgehen, dass in diesem Fall ein Übermaß an Aufwand betrieben wurde, damit der Termin eingesackt werden konnte: Trevor Traina, der amerikanische Botschafter in Wien, machte diesbezüglich aus seinem Herzen keine Mördergrube.

Was lässt sich bei diesem Besuch hinein- und was herausinterpretieren?

Über die nationalen und die egoistischen Motive des Bundeskanzlers hinaus, jenseits der Video- und Social-Media-Bilder: Was lässt sich bei diesem Besuch hinein- und was herausinterpretieren? Ist es irgendwie sinnvoll, die beiden so ungleichen Staatsmänner zu vergleichen? Oder simpler: Was haben die beiden einander bei einem halbstündigen Vieraugengespräch zu sagen? Ein Versuch.

Beim Interpretieren stoßen wir schnell an Grenzen. Es ist unwahrscheinlich, dass Donald Trump und seine Berater mit diesem Empfang im Weißen Haus spezifische Ziele verfolgen. Österreich ist nicht jene Brücke, die ein amerikanischer Präsident überquert (und schon gar nicht dieser), um mit Moskau, Peking oder Teheran zu kommunizieren. Österreich ist nicht einmal Nato-Mitglied, ohne jede militärische Bedeutung also. Durch Wien oder Linz oder Graz fließen auch keine Finanzströme, hier siedeln keine milliardenschweren Konzerne, keine wendigen Start-ups, die das amerikanische Bruttonationalprodukt vermehren könnten.

Unter dem Strich sind alle Interpretationen der Reise, die über Symbolpolitik hinausgehen, aber eine Fehlanzeige.

Umgekehrt fliegt Kurz nicht nach Washington, um der Welt zu beweisen, dass der Kniefall einer Außenministerin aus dem neutralen Österreich noch lange keinen russischen Trabanten macht (und die Regierungsbeteiligung einer extrem rechten Partei längst nicht mehr einen Paria). Allenfalls kann sich die österreichische Wirtschaft ein gewisses Wohlwollen vonseiten amerikanischer Investoren erhoffen, wenn der Bundeskanzler bei Ivanka Trump und Jared Kushner privat abendessen darf. (Tochter und Schwiegersohn werden die Amtszeit jedenfalls überleben – vermutlich im Gegensatz zum Außenminister, der ebenfalls ein Essen für Kurz gibt.)

Unter dem Strich sind alle Interpretationen der Reise, die über Symbolpolitik hinausgehen, aber eine Fehlanzeige.

Erlauben wir uns stattdessen den Spaß, die beiden Politiker zu vergleichen – Trump gegen Kurz! Da gewinnt zunächst einmal der viel Jüngere, wenn es um politische Erfahrung geht, beim öffentlichen Auftritt, beim Wissen um die Weltpolitik, auch bei der Frisur. Und zweifelsfrei wäre es eine Beleidigung für Kurz, wollte man auch nur versuchen, die moralische Integrität der beiden zu vergleichen. Beim Dealmaking, beim Verständnis und Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge liegt dann wieder Trump weit vorne.

Populistisch sind beide, wenn auch auf unterschiedliche Weise.

Etwas komplexer wird es beim Thema Populismus. Populistisch sind beide, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Wenn Populismus darin besteht, zu verstehen, was die Wähler bewegt und was sie wollen, dann waren beide ihren politischen Gegnern weit überlegen. Man kann auch behaupten, dass sich weder Hillary Clinton noch Christian Kern um diese Frage besonders scherten. Trump berief sich dabei wohl eher auf seinen Instinkt, Kurz auf Umfragen. Und wenn Populismus darin besteht, populäre Maßnahmen zu setzen, sind beide sicher keine Unschuldsfiguren.

Womit wir zu einem nicht unerwarteten Ende kommen: Der amerikanische Präsident wie auch der österreichische Kanzler sind Unilateralisten. Sie handeln primär im Interesse ihres eigenen Staates, ohne Rücksicht auf die Interessen anderer. Sowohl Trump wie auch Kurz haben ihre Wahlen mit Abgrenzung gewonnen. Der Amerikaner bastelt bis heute an seiner Mauer. Der Österreicher baut seine Festung Europa und hat alle möglichen Routen geschlossen. America first, Austria first – genug Gesprächsstoff für 30 Minuten.

[email protected] Twitter: @chr_rai