Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Weg mit dem Bankgeheimnis!

Weg mit dem Bankgeheimnis!

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Peer Steinbrück stellt die Republik Österreich auf eine Stufe mit Ouagadougou. Das darf scharf zurückgewiesen werden, und zwar von Burkina Faso. Denn das westafrikanische Land, deren Hauptstadt der deutsche Finanzminister da nennt, steht gar nicht im Kreuzfeuer der Kritik, ist nicht auf jener ominösen Liste von Ländern, denen die OECD Schurkerei im Umgang mit Steuersündern vorwirft. Österreich steht dort sehr wohl.
„Kein Handlungsbedarf“, sagt Steinbrücks Pendant Josef Pröll. Die Republik werde ohnehin von der Liste rutschen, sobald diverse Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet seien.

Beeilt hat sich die Republik damit nicht. Vor einem Jahrzehnt, im Jahr 2000, hatte die OECD 38 Länder als Steueroasen getadelt. Alle 38 haben sich inzwischen zu international akkordierten Regeln über Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten bekannt, acht davon erst heuer unter dem Druck der Finanzkrise. Österreich? War natürlich bei den letzten acht.

Nun ist Herr Steinbrück kein angenehmer Zeitgenosse, vielmehr ein typisches Ekel aus dem Nachschlagewerk über deutsche Arroganz. Doch diese Erkenntnis wird nicht recht weiterhelfen, zumal die OECD als Vollversammlung der ökonomisch und demokratisch entwickelten Welt in der Form höflicher, aber im Inhalt durchaus ähnlich über Österreich urteilt.
Und war es wirklich bloss ein Missgeschick, dass sich der Internationale Währungsfonds bei einer rezenten Evaluierung so zuungunsten Osteuropas verrechnet hat, dass vor ­allem Österreich in den Verdacht des drohenden Staatsbankrotts rücken musste?

Und gibt es vielleicht einen tieferen Grund, warum auch der Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman ebendiesen Insolvenzverdacht ohne Fakten, aber offensichtlich auf ­Basis latenten Misstrauens nährte? (Krugman hatte übrigens ­wiederum Peer Steinbrück „Starrköpfigkeit“ vorgeworfen, weil er nicht genug Geld in staatliche Konjunkturprogramme pumpen wollte. Aber das sollen die Herren sich selbst ausmachen.)

Vermutlich ist all das kein Zufall, sondern Ausdruck einer Haltung der Welt gegenüber Österreich, an der nicht ausschließlich die Welt Schuld trägt. Diese Haltung hat ausnahmsweise nichts mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun, nicht mit Jörg Haider und dessen Wiedergängern, auch nicht mit der etwas feigen Neutralität oder dem späten Beitritt zur EU. Vielmehr hapert es schlicht an Solidarität in Geldangelegenheiten.

Dagegen lässt sich etwas tun: Man schafft das Bankgeheimnis ab.
Was dieses Geheimnis ist, lässt sich nicht so genau sagen. In seiner österreichischen Urform handelte es sich um die Anonymität von Spar- und Wertpapierkonten, der zufolge nicht einmal die Bank die Identität ihrer Kunden kennen musste. Im Falle von Strafverfolgung oder simplen Rosenkriegen waren die Kontoinhaber auf der sicheren Seite. Die Anonymität wurde auf internationales Drängen abgeschafft (ohne dass der erwartete Putsch samt standrechtlicher Erschießung einzelner Regierungsmitglieder erfolgte). Heute bleibt das Bankgeheimnis bei Inländern so lange gewahrt, als kein richterlicher Auftrag in einem Strafverfahren vorliegt.

Ein schmaler Korridor, schmaler als etwa in Deutschland und daher auch wenig befriedigend für die Staatengemeinschaft. Diese ist nämlich der Meinung, dass es eben zu keinem Strafverfahren kommen könne, wenn die Geldbewegungen unbekannt sind. Österreich beschwichtigt, bei Ausländern werde ohnehin Auskunft gegeben.

Aber warum nicht bei Inländern? Worin besteht hier das schützenswerte Interesse eines Staatsbürgers? Es kann allenfalls um eine Form der Privatsphäre gehen, die geschützt werden soll, also etwa um das Wissen über Vermögen und Einkommen (und um diskrete Geldtransaktionen an die Anbieter von Cialis & Viagra oder gar – damit korrespondierend – an die heimliche Geliebte).

Diesem doch etwas leichtgewichtigen Wert steht also erstens das relative Standing Österreichs in der Welt gegenüber. Zweitens noch ein wenig mehr: Finanzakrobatik von der unversteuerten Nachhilfestunde bis zum großen Meinl-Coup wäre bei weitgehender Transparenz von Kontobewegungen lebensgefährlich. Drittes Argument gegen das Bankgeheimnis: die Vermögensteuern. Sie werden wohl in der einen oder anderen Form auf uns niederkommen. Aber um Vermögen, Vermögenszuwachs, Erbschaften oder Schenkungen gerecht zu besteuern, muss man diese zunächst kennen. Bei Immobilien ist das kein Problem: Das Eigentum an Grund und Boden ist per Grundbuch erfasst und sogar öffentlich zugänglich. Warum muss das bei Geldvermögen durch das Bankgeheimnis so ganz anders sein?

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