Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Wie geht es weiter?

Wie geht es weiter?

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Der aktuell meistgehörte Satz zur österreichischen Innenpolitik: „Der muss jetzt gar nichts tun.“ Der ist Heinz-Christian Strache, nichts zu tun hat er, weil seine Arbeit von den anderen erledigt wird, und am Endpunkt dieser Arbeit wird stehen, dass Straches Partei die Nummer eins im Land ist – bei den Nationalratswahlen 2013.

Das ist die übereinstimmende Meinung aller Menschen, mit denen man derzeit spricht. Der Durchmarsch der Freiheitlichen ist nun für jeden beschlossene Sache. Wer da vor Monatsfrist noch Zweifel hegte – nach dem Massaker in Norwegen und wegen geringer Präsenz der Parteiobmanns in den Medien –, hat inzwischen klein beigegeben. Die Indizien sind erdrückend, so würde es vor Gericht heißen.

Die da wären: Kanzler und Vizekanzler sind farblos. Die Zuschreibung „farblos“ kommt bei einem Politiker gleich nach „peinlich“. Werner Faymann wurde gerade wegen dieser Konturfreiheit SPÖ-Chef, nachdem es sein Vorgänger mit Ecken und kantigen Sprüchen ein wenig übertrieben hatte. Konturfreiheit heißt zum Beispiel, dass sich Faymann jahrelang gegen die Diskussion über eine Vermögensteuer gewehrt hatte, die ihm sein steirischer Obmann aufzwingen wollte. Ein Sozialdemokrat, der nicht über Verteilungsgerechtigkeit sprechen will, das ist ein eigenartiger Gedanke. Aber immerhin führt Faymann recht erfolgreich den politischen Kleinkrieg (was unter anderem verhindert hat, dass Europas bester Fernsehmanager an die Spitze des ORF treten wird).

Bei Michael Spindelegger kommt zur Farblosigkeit (ausgerechnet in der Außenpolitik, wo Typen vom Schlag eines Joschka Fischer Platz haben) Hilflosigkeit. Beim Nachfolger von Josef Pröll, der nicht bloß von Parteifreunden, sondern gleich vom eigenen Onkel massakriert worden ist, nimmt diese Hilflosigkeit nicht wunder. Auch am Beispiel der Vermögensteuer: Das Match ist für die ÖVP nicht zu gewinnen. Aber ein gewitzter Profi würde nicht kleinlaut Sympathie für die Reichen signalisieren, das Thema vielmehr per Arbeitsgruppen sterben lassen (was die SPÖ jetzt tun wird).

Hinzu kommt: die Telekom-Affäre. Sie wird zunächst der Volkspartei schaden. Der Rücktritt Wolfgang Schüssels ist vermutlich mehr Schuldeinbekenntnis, als die Partei Schuld auf sich geladen hat.

Verheerende Optik, durch des Altkanzlers Säure im Abgang nochmals verschlechtert. „20 Prozent“ prophezeit ein ÖVP-Politiker. Doomsday-Depressionen, oder weiß der Mann mehr über die Verstrickungen seiner Partei?

Aber – und auch da sind sich alle einig – profitieren wird von diesem Skandal nur die FPÖ. Die Bevölkerung nimmt bloß einen Systemfehler wahr. Eine Regierung hat mit den Spitzen eines Staatskonzerns gemauschelt, Geld ist in private Kassen geflossen. Machthabende sind Machthaber. Da braucht nicht differenziert zu werden. Dass ausgerechnet freiheitliche Politiker im Zentrum dieses Skandals stehen, spielt keine Rolle. ÖVP und SPÖ werden verlieren. Strache verhält sich ruhig und gewinnt.

Wie viel gewinnt er? Das hängt inzwischen weniger von den (nicht) handelnden Personen ab als von den Begleitumständen. Ein Double-Dip, ein nochmaliger Konjunktureinbruch wird immer wahrscheinlicher. Die Rezession würde die Wut auf Europa und die Mächtigen weiter anheizen. „Jedenfalls gewinnt er so viel, dass eine Dreierkoalition kommt“, meint ein ehemaliges prominentes Regierungsmitglied – SPÖ plus ÖVP plus Grüne. An Blau-Schwarz glaubt er nicht, obwohl die Volkspartei daran bastle: „Halbzeitlösung kann es wohl nicht werden, und Spindelegger ist kein Schüssel.“ Weitere Möglichkeit: „Strache versucht eine Minderheitsregierung.“

Die FPÖ mit der notwendigen Mehrheit für eine Minderheitsregierung – wer das vor fünf Jahren geschrieben hätte, wäre psychiatriert worden.
Hätte man die Dauer einer Legislaturperiode nicht unlängst um zwölf Monate verlängert, würden die Wahlen übrigens schon übermorgen stattfinden, also im kommenden Jahr. Was wäre dann die Leistungsbilanz dieser Regierung?

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