Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer: Wie geht es weiter?

Wie geht es weiter?

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Die Reaktionen auf meinen Leitartikel der vergangenen Woche bestärken mich darin, dass alles besser wird.

Sie werden sagen, schlimmer ginge es ohnehin nicht mehr. Ich sage: Es ginge. Schlimmer geht es nicht mehr, das hörten wir auch 1999. Damals waren Viktor Klima und Wolfgang Schüssel im Beziehungstief und mit ihnen ihre politische Arbeit. Mächtige Kreise in der Volkspartei und ein guter Teil der Bevölkerung wünschten sich eine schwarz-blaue Koalition. Die kam dann auch, und mit ihr kam es eben noch schlimmer. In der Rückschau ist das eindeutig: inhaltliche Inkompetenz, strafrechtlich ein Konvolut von Tatbeständen, dubiose Persönlichkeiten, das Experiment des Niederringens der FPÖ durch Einbindung ein faktisches und moralisches Desaster.

2014 ist die Situation anders und doch ähnlich. Jetzt wünscht sich jene Industrie- und Bürgerelite keine Regierung mit den Freiheitlichen mehr: Man hat dazugelernt; man war von Haider fasziniert, ist es aber nicht von Strache; oder man ist einfach als Schläfer unter eine Decke getaucht. Was die Bevölkerung heute, 15 Jahre später, will, ist mir unklar. Eindrücke bei einem Besuch in der Blauen Mark vor zwei Wochen lassen mich vermuten: Man will bloß rauen Radau; Clockwork Blau.

Ähnlich jedoch wie damals: Weil nicht die FPÖ niedergerungen wurde, sich vielmehr Sozialisten und Christlichsoziale niedergewrungen haben, würden die Rechten heute fast unweigerlich auf den Ballhausplatz gespült: Würde ein Bundespräsident wirklich umhinkommen, Heinz-Christian Strache mit der Regierungsbildung zu beauftragen, wenn der so deutlich vor den anderen läge wie bei den aktuellen Umfragen? Das wäre nicht argumentierbar. Würde sich stattdessen wie von Geisterhand eine Dreierkoalition von zwei Verlierern und den Grünen oder den NEOS bilden? Das wäre unwahrscheinlich und würde zu noch desaströseren Neuwahlen führen. Würde sich die Volkspartei einer Halbzeitlösung mit der FPÖ verweigern? Glaube ich nicht.

Heißt also: Es könnte durchaus noch schlimmer werden. Und es würde zwangsläufig, wenn sich nichts änderte.

Was also hat es mit den Reaktionen auf meinen Leitartikel auf sich, und warum bin ich positiv gestimmt?

Vergangene Woche hatte ich als Segen bezeichnet, dass Michael Spindelegger geht: wegen fortgesetzter Unehrlichkeit, wegen Amtsanmaßung im Finanzministerium, wegen mangelnder Kompetenz. Reaktionen darauf eher überraschend: zu 90 Prozent aus der ÖVP – auch aus der Parteispitze – und zu 90 Prozent zustimmend. (Sie werden sagen, das sei wieder mal typische ÖVP-Missgunst. Aber bleiben wir optimistisch!) Was Spindelegger vorgeworfen wird: Er habe ein fortgesetztes Problem mit der Wahrheit gehabt. Auch damit, Versprochenes einzuhalten. Seine fachliche Inkompetenz wird ihm als lässlich nachgesehen.

Meine Hoffnung einerseits: Reinhold Mitterlehner kann man einiges vorwerfen (tue ich jetzt aber nicht), aber mit Lügen und leeren Versprechungen hätte er in der Sozialpartnerschaft keine Woche überlebt. Gegenüber dem Koalitionspartner (selbst bisweilen virtuos im akrobatischen Umgang mit der Wahrheit) wird Mitterlehner im Handumdrehen ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Schwieriger: Gelingt ihm das auch innerhalb der ÖVP? profil-Erfahrungen nach zehn Tagen Mitterlehner (und Jahrzehnten mit seinen Vorgängern): Um reinen Tisch zu machen, muss er auch auf der zweiten und dritten Ebene putzen.

Andererseits: Man sollte nicht übersehen, dass diese Regierung die beste ist seit sehr langer Zeit. Die Minderleister sind in der Minderheit. Man muss sich nicht ständig schämen. (Schwachstellen: u. a. zu viel Parteikader auf der roten Seite.) Stellvertretend: Der Justizminister ist ein Experte mit gesellschaftspolitischer Agenda, der Außenminister im Auftritt Weltmann und in den Zielen inhaltsschwer, der Kanzleramtsminister ein schlauer Macher.

Vor allem aber: Mit Hans Jörg Schelling hat Österreich erstmals in diesem Jahrtausend einen Experten im wichtigsten Ministerium der Republik sitzen. Und erstmals seit Ewigkeiten einen Experten, bei dem wir uneingeschränkten Glauben an soziale Marktwirtschaft und fairen Wettbewerb vermuten dürfen. Das ist in Zeiten von globaler Finanzkrise, europäischer Bankenkrise, Österreichischer Hypo und Wirtschaftskrieg mit Russland nicht Nebensache.

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