Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Worüber ich nicht schreiben will

Worüber ich nicht schreiben will

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Ich will in dieser Woche nicht darüber schreiben, dass die Ernennung eines 24-jährigen Distributeurs von „Geilmacher-Gummis“ zum Integrationsstaatssekretär ein Risiko darstellt. Sie stellt nämlich kein Risiko dar, sondern erfüllt den Tatbestand der vorsätzlichen Allgemeingefährdung. Darüber hinaus ist diese Ernennung vielleicht ein Ablenkungsmanöver, und ich will mich nicht ablenken ­lassen.

Ich will in dieser Woche auch nicht schreiben, Johanna Mikl-Leitner wurde nur deshalb Ministerin, weil der niederösterreichische Landeshauptmann es so wollte. Wenn ich das schriebe und mich folgerichtig darüber alterierte, dass es Frau Mikl-Leiter möglicherweise nicht nur an der für eine Innenministerin besonders wünschenswerten Integrität fehlt, sondern mit Sicherheit an jeder fachlichen Qualifikation, dann würde ich übersehen, dass sie nicht das einzige Mitglied der Bundesregierung ist, welches von seinem spezifischen Ressort keine Ahnung hat.

Ich will in dieser Woche dennoch nicht darüber schreiben, dass Maria Fekter von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen wenig weiß und sich ihr Wissen über Betriebswirtschaft auf die Führung eines Familienbetriebs beschränkt. Ich will also nicht darauf hinweisen, dass im wichtigsten Ministerium des Landes wiederum kein Experte sitzt, wie es etwa Stephan Koren gewesen wäre, sondern ein Laie. Ich will es nicht schreiben, denn damit würde ich übersehen, dass die Logik der österreichischen Innenpolitik gar nicht nach Experten verlangt, vielmehr nach Personen und Persönchen, die ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen Vertretern der Stände und der Bundesländer aufrechterhalten.

Ich will in der Folge jedoch nicht darüber schreiben, wie sehr die neue Besetzung der ÖVP-Ministerien nach genau diesen Kriterien tariert wurde. Denn schriebe ich das, würde ich vernachlässigen, wie stark andere sachferne Faktoren die Nominierungen bestimmt haben, zum Beispiel die Zugehörigkeit zu CV oder MKV bei allen männlichen ÖVP-Ministern und Staats­sekretären. Ebenso bliebe unberücksichtigt, dass die Auswahl auch einer gequälten Unterscheidung nach Geschlechtern, also einer stur verwirklichten Frauenquote, geschuldet ist.

Ich will freilich ebenso wenig darüber schreiben, dass es den Regierungsmitgliedern grundsätzlich an Fachwissen fehlt. Würde ich darüber schreiben, bliebe unberücksichtigt, wie sehr der Wechsel von Beatrix Karl aus dem Wissenschafts- ins Justizressort und von Maria Fekter vom Innen- in das Finanzministerium jedes Fachwissen und jedes spezifische Netzwerk vernichtet, welche sich die beiden Politikerinnen in den vergangenen Jahren angeeignet ­haben.

Ich will auch deshalb nicht über das erwartbare Mindestmaß an einschlägiger Vorbildung schreiben, weil eine solche Erwartungshaltung davon ablenkte, dass in der Materie vorgebildete Quereinsteiger wie der neue Wissenschaftsminister nichts als Annäherungsversuche an bestimmte Wähler- und Pressure-Groups sind. Ein alsbaldiges Scheitern derartiger Gag-Nominierungen – wie jener von Claudia Bandion-Ortner oder Andrea Kdolsky – ist vorherbestimmt.

Ich will in dieser Woche ebenso wenig darüber schreiben, dass man Michael Spindelegger eine Schonfrist zugestehen und daher ergebnisoffen argumentieren sollte. Das würde von der Bedeutung der aktuellen Entscheidungen des Vizekanzlers für die Volkspartei und für die Republik ablenken.

Folgerichtig will ich in dieser Woche auch nicht darüber schreiben, dass Heinz-Christian Strache angesichts der politischen Zustände in Österreich bald Kanzler sein wird. Denn das habe ich bereits in der vergangenen Woche geschrieben.

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