Christian Rainer: Zwischenbilanz. Skandalfrei.

Einige im Freizeitlook. Die anderen sehr geschäftig. Über diesen Kommentar wird sich niemand ärgern.

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Wir sind zu freundlich zu Kurz. Wir behandeln Kern mit Samthandschuhen. Wir klagen nicht genug über den Aufmarsch der Schlagenden Burschenschafter im Nationalrat. Warum haben wir Christoph Chorherr nicht gebasht, warum die Grünen nicht beweint? Weshalb covern wir nicht den beispiellosen Skandal rund um das Restaurant am Schwarzenbergpark? Warum wurde das Wetter von profil nicht kritisiert?

Aus all dem Gesumse des Universums und all dem Geballere in den sozialen Medien schließe ich: Wir bilanzieren ausgeglichen, und unsere Gebarung besteht aus einer Abfolge von Höhepunkten. Gut so.

Was tut sich? Der Kanzler pendelt zwischen Millstätter See und einem Nick-Cave-Konzert; Kurz und Strache verhandeln arbeitsam; Frau Lunacek ist für ein paar Tage auf Urlaub; Peter Pilz war es auch, bis wir ihn am Donnerstag verstörten; und Matthias Strolz möge auch irgendwo seine Akkus laden. Es sei allen vergönnt. Gehen wir es in dieser Woche daher auch einmal ruhiger an!

Was zum Beispiel ist von den Gesprächen zwischen ÖVP und FPÖ zu halten? An der äußeren Form dieser Verhandlungen wundert, dass die tägliche Tracht Prügel innerhalb weniger Tage durch Eintracht ersetzt wurde. Selbst nach Jahrzehnten in Schlagdistanz zur Politik erschließt sich mir nicht, wie inhaltliche Auseinandersetzung, persönliche Beleidigungen, Angriffe auf den intimsten Lebensbereich so mir nichts, dir nichts evaporieren. Die Behauptung, das sei doch eh alles nur Theater, greift mir zu kurz, weil sie nicht richtig ist. Wer Politiker kennt, der sieht, dass auch Theaterdonner verletzt. Aber offensichtlich sind Politiker eine eigene Gattung. Dennoch: Zumindest ein wenig Zurückhaltung in der Körpersprache hätte sich die Öffentlichkeit jetzt verdient (vor allem im Zusammenhang mit den Blauen).

In der Sache: Da ist weiterhin nichts zu beurteilen. Man bekommt den Eindruck, dass zwei Parteien Koalitionsverhandlungen spielen. So eingeübt wirken Worte und Gesten. Niveau? Semiprofessionell. Gehobenes Schülertheater will ich nicht sagen, dieser Eindruck entsteht bloß durch das Alter der Schausteller.

In der SPÖ kann die kühle Analyse der Stärken und Schwächen von Kern schnell gegenüber Partikularinteressen ins Hintertreffen geraten.

Wesentlich professioneller wirkt da der Umbau der Volkspartei, und das ist auch gut zu beurteilen. Der Stoffwechsel von Christoph Leitl zu Harald Mahrer im Wirtschaftsbund (und in der Folge in der Kammer) ist Sonderklasse, sowohl formal wie in der Person des Nachfolgers. Wer es nicht bemerkt hat: Ähnliches hat sich bereits beim ÖAAB und im Bauernbund begeben. Und in den Ländern Oberösterreich sowie Niederösterreich. Überall ein Generationswechsel und überall Sebastian-Kurz-Vertraute (in Niederösterreich die Ziehmutter).

Anders bei der SPÖ. (Nein, das ist keine Unausgewogenheit im Vergleichen der beiden großen Ks, das sind Fakten.) Wer wird die Sozialdemokratie mittelfristig führen? Man kann sich gut vorstellen, dass es Christian Kern ist. Wer sonst? Wenn sie Kern nur lassen: Das Machtgefüge (auch) dieser Partei ist verwinkelt, die Machtstränge laufen kreuz und quer. Da kann die kühle Analyse der Stärken und Schwächen von Kern schnell gegenüber Partikularinteressen ins Hintertreffen geraten.

Damit dicht verwoben die Nachfolgefrage im Reaktorraum der Sozialdemokratie, in Wien: Die Obersphinx Michael Häupl hat mit seinem Ausharren zugleich Wahlen gewonnen und Zukunft verloren. Da ist mehr Erbfolgekrieg als Nachfolgeplanung. Also wer soll es werden? Wäre Christian Kern ein guter Bürgermeister, ein besserer als Michael Ludwig zum Beispiel? Beim Auftreten vielleicht, beim Bürgermeistern vielleicht nicht. Würde er gewinnen, wenn er denn kandidierte? Ich kann’s genauso wenig sagen wie jeder andere.

Was sonst noch abseits von Höhepunkten geschieht und geschah? Richtig, das Wetter! Eine ausführliche Kritik vielleicht beim nächsten Mal.

[email protected] Twitter: @chr_rai