Die fehlende Pensionsreform gefährdet den sozialen Frieden

Immer weniger Junge arbeiten für immer mehr Ältere. Das geht sich schon jetzt nicht mehr aus: Weder finanziell noch emotional. Wut liegt in der Luft.

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Vor einer Woche hat der Nationalrat das Pensionsreförmchen beschlossen und sich damit zufrieden in die Sommerpause vertschüsst. Man hat angeblich gerade ganz Großes geleistet. Die Koalition sprach unisono über die „größte Pensionsreform seit 20 Jahren“. Ab 2026 soll älteren Beschäftigten ermöglicht werden, Teilzeit zu arbeiten und parallel dazu bereits einen Teil ihrer Pension zu beziehen. Die SPÖ freute sich, dass damit die „staatlichen Pensionen sicher bleiben“.

Das wäre doch wunderbar. Und ja, tatsächlich ist es die „größte Pensionsreform“ seit zwei Jahrzehnten – weil in dieser Zeit schlichtweg nichts passiert ist. Pensionisten und solche, die es bald sein werden sind die wichtigsten Wählergruppen für die Großparteien. Besser, man lässt sie also in Ruhe.

Aber was ist das Versprechen an die nächsten Generationen? Was soll sie motivieren, wofür arbeiten? Wenn sie alt sind, wird da auch noch irgendetwas „sicher“ sein? Wenn es so weiter geht, bestimmt nicht – denn wir stecken bereits mitten im Desaster. Ein Viertel des jährlichen Budgets muss für die Finanzierung von Pensionen zugeschossen werden. In nur wenigen Jahren soll dieser Beitrag auf ein Drittel anwachsen. Was meint die Politik also bitteschön damit, wenn sie sagt, die Pensionen seien „sicher“? „Sicher“ wären sie, wenn das System, so wie es ursprünglich aufgesetzt wurde, noch funktionieren würde. Nämlich, dass die Erwerbstätigen mit ihren laufenden Beiträgen die aktuell zu finanzierenden Pensionen tragen können. 

Der demografische Wandel hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es gibt immer mehr Alte und weniger Junge, die für sie aufkommen müssen: Für ihre Pensionen, ihre Pflege, ihre Gesundheitsbetreuung. Somit bleibt aus ihren Steuereinnahmen immer weniger für wichtige Investitionen in anderen Bereichen wie Wirtschaft oder Bildung. Dabei könnte man derartige Geldmittel gerade jetzt dringend brauchen, um aus der Rezession wieder herauszukommen. Wenn das nicht bald passiert: Welche Perspektive haben die Jüngeren? Keine rosige jedenfalls.

Schieflage

Das alles schlägt nicht nur aufs Budget, sondern auch auf die Arbeitsmoral. Wer heute beklagt, dass „die Jungen“ angeblich weniger Leistungswillen an den Tag legen, sollte sich fragen, welche Rolle sie in der auf ältere Semester fixierten Politik spielen. Momentan ruft diese Ignoranz bei den jüngeren Generationen Resignation, Desinteresse und Demotivation hervor. Das ist an sich schon ein großes Problem. Aber was, wenn Resignation in Widerstand umschlägt? Was, wenn sich der Wut über diese Ungerechtigkeit entfesselt? Wenn sich jene, die arbeiten, plötzlich mehr für sich und ihre Kinder fordern, statt überproportional für die Eltern- und Großelterngeneration zu leisten?

Die Politik gefährdet mit ihrer Nichtstuerei in Dingen Pension den sozialen Frieden. Sie sitzt auf einer demografischen Zeitbombe. Um diese zu entschärfen, wird auch ihre Lieblingswählergruppe etwas beitragen müssen. Und ja, das wird wohl eine Anhebung des Pensionsalters bedeuten – als einen Aspekt eines Bündels von Maßnahmen. Fast noch wichtiger wäre ein Umdenken in Dingen Erwerbstätigkeit: Denn nicht nur bei den Jungen mangelt es manchmal an Arbeitsmoral. Warum warten in Österreich eigentlich so viele nur auf ihre Pension? Warum gehen viele nicht gern arbeiten? Warum nicht gern länger? Warum ist es nicht sinnstiftend?

Dass nun ausgerechnet die konservativste Politikerin der Konservativen, Gudrun Kugler, den dringenden Handlungsbedarf erkennt und laut artikuliert, ist erstaunlich. Sonst steht die ÖVP-Abgeordnete für „Zurück zu den Wurzeln“, sie ist streng religiös, ihre Werte sind starr, ja manche in ihrer Partei behaupten, veraltet. Jetzt tritt sie als Reformerin auf. Der „Presse“ gab sie vor ein paar Tagen ein Interview. „Dass wir in dieser Legislaturperiode das gesetzliche Pensionsalter nicht erhöhen, ist eine verpasste Chance mit hohen Kosten für die nächste Generation“, sagt sie. Und, dass es eben nicht genüge, nur an die nächste Wahl zu denken. Die Neos applaudieren, die eigene Partei murrt, die SPÖ schreit empört auf. Wie immer. Leider.

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.