Elfriede Hammerl: Nasen putzen, Brote streichen

Elfriede Hammerl: Nasen putzen, Brote streichen

Care-Arbeit ist kein bizarres Hobby, sondern eine Notwendigkeit.

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Mit Care-Arbeit wird man nicht reich. Oder richtiger: wird frau nicht reich. Frau, weil vorwiegend Frauen unbezahlte Care-Arbeit leisten. Care-Arbeit, Sie wissen schon: Nasen putzen, Brote streichen, zuhören, trösten, Vokabeln abfragen, den Opa zum Arzt fahren … All das ist meistens Weibersache. Der partnerschaftliche Mann verliert sein Partnerschaftsgen oft beim Hinaufklettern auf der Karriereleiter, irgendwie verhakt es sich auf den unteren Sprossen, da muss er es dann zurücklassen, bevor er abrutscht. Das Vereinbarkeitsdilemma, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist weiblich. Warum wohl arbeiten so viele junge Mütter Teilzeit?

Das wirkt sich nicht nur auf ihr jeweils aktuelles Einkommen, sondern in der Folge auch auf ihre Vermögensbildung aus. Sie bilden keins. Über Vermögen verfügen zu können ist bzw. wäre jedoch wichtig. Nicht, weil gebunkerter Reichtum einen per se glücklich macht wie Dagobert Duck, wenn er in seinem Geldspeicher herumtollt, sondern weil finanzielle Reserven entscheiden, wie man Krisen – Arbeitslosigkeit, Krankheit, plötzlich notwendige hohe Ausgaben – übersteht und wie man im Alter lebt. Frauen verfügen in der Regel über weniger Reserven als Männer, sehr oft über gar keine. Es gibt nicht nur eine Einkommens-, sondern auch eine Vermögensschere.

Frauen kümmern sich und zahlen drauf.

Untersucht haben das vier junge Wissenschafterinnen der Wirtschaftsuniversität Wien. (1) Eine von ihnen, Katharina Mader, wurde für ihre Forschungsarbeit erst kürzlich vom Wirtschaftsministerium mit dem Käthe-Leichter-Preis ausgezeichnet. Ihre Studien belegen: Ein wesentlicher Grund, dass Frauen sich bei der Vermögensbildung erheblich schwerer tun als Männer, ist die Tatsache, dass sie mehr unbezahlte Reproduktionsarbeit übernehmen. Und, Achtung, Reproduktionsarbeit heißt nicht Geschlechtsverkehr zum Zweck der Fortpflanzung, sondern familiäre und häusliche Versorgungsarbeit. Ein soziologischer Begriff. Ich schreibe es deswegen, weil mir frühere Leserreaktionen auf dieses Wort gezeigt haben, dass es eine gewisse Verwechslungsgefahr in sich birgt. Und weil ich es für symptomatisch halte, dass Menschen die familiären Versorgungstätigkeiten von Frauen einfach nicht mit dem Begriff Arbeit in Zusammenhang bringen (wollen). Die Ökonomie verfährt da übrigens genauso. Für die Wirtschaft zählt nur, was bezahlt wird. Junge, feministische Ökonominnen wollen allerdings erreichen, dass sich das ändert. Auch unbezahlte Arbeit, deklarieren sie, sei wirtschaftliches Handeln und schaffe Mehrwert. Sie sei eine „Kette an Vorleistungen“ für die Entwicklung und Entstehung von Produkten.

Wird aber bis jetzt nicht so gesehen. Deswegen: Frauen kümmern sich und zahlen drauf. (2) Sechs Milliarden unbezahlte Arbeitsstunden leisten österreichische Frauen im Jahr, haben Wissenschafterinnen berechnet, das bedeute 100 Milliarden entgangene Bezahlung. Was umso schwerer wiegt, als Frauen (auch das ein Ergebnis der Vermögensstudie) entgangene Einnahmen nicht durch Einnahmen aus Erbschaften kompensieren können. Die großen Vermögen werden nämlich häufiger an männliche Nachkommen vererbt, spezielle Konstruktionen machen es möglich. Frauen sind beim Anlegen von Reserven meistens auf das angewiesen, was sie von ihrem Verdienst abzweigen können.

Die Welt ist voll von stillen Heldinnen und auch etlichen Helden des Alltags, die finanziell bedürftig sind.

Nun ist es ja kein Geheimnis, dass Teilzeit-Erwerbstätigkeit ein sicherer Fahrschein in die Altersarmut ist. Aber was ist die Konsequenz daraus? Die Konsequenz ist, dass Politik und Wirtschaft so tun, als wäre Care-Arbeit ein bizarres Hobby, das Frauen pflegen, weil sie nicht wissen, dass sie sich damit schaden. Dringlich wird ihnen empfohlen, sich auf bezahlte Erwerbsarbeit zu konzentrieren, wenn sie nicht in die Armutsfalle schlittern wollen. Stimmt ja. Aber, hallo, die Notwendigkeit der Care-Arbeit bleibt, auch wenn man sie links liegen lässt. Sie löst sich nicht in Luft auf. Jemand muss sie leisten. Für gewöhnlich tritt an dieser Stelle ein wackerer, durch gut bezahlte Erwerbsarbeit finanziell abgesicherter Mann vor und sagt: Man muss die Frauen mehr ehren. Die stillen Heldinnen des Alltags. Das haben sie verdient.

Aber von dieser Art Verdienst können sie nicht abbeißen. Die Welt ist voll von stillen Heldinnen und auch etlichen Helden des Alltags, die finanziell bedürftig sind. Weil das, was sie machen, zwar notwendig ist, aber schlecht bis gar nicht bezahlt wird. Sie mehr zu ehren würde ihnen zwar auch guttun, aber ohne Kohle wird das leicht zum Pflanz.

Wie kommt es, dass Frauenpolitik so gar kein Thema ist?

Also, was brauchen wir? Nein, kein Hausfrauengehalt. Und auch nicht Einrichtungen, in denen Kinder zwölf Stunden am Tag fremdbetreut werden. Aber, siehe oben, möglicherweise eine andere Auffassung von Wirtschaft. Eine generelle Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, bei ausreichender Bezahlung. Und Männer, die weniger Erwerbsarbeitszeit dann in Familienzeit umsetzen und nicht in mehr persönliche Freizeit. Nur so als Anregung.

Und, übrigens: Wo bleiben denn frauenpolitische Ansagen der KoalitionsverhandlerInnen? Man/frau hört so gut wie nix. Wie kommt es, dass Frauenpolitik so gar kein Thema ist?

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(1) Katharina Mader, Alyssa Schneebaum, Katharina Hollan, Patricia Klopf: Vermögensunterschiede nach Geschlecht. Hg.: Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien

(2) Buchtipp: Elisa Tomaselli (Hg.): Wen kümmert’s? Die (un-)sichtbare Sorgearbeit in der Gesellschaft. ÖGB Verlag

[email protected] www.elfriedehammerl.com