Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Daheimbleiben

Daheimbleiben

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Von der Politik wird inzwischen vernünftigerweise die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahrs diskutiert – verpflichtend, weil sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass Kindergärten keine Abschiebeanstalten sind, sondern pädagogische Institutionen, in denen Kinder etwas lernen, was ihnen das Elternhaus oft nicht mitgeben kann. (Dafür müssen sich die Elternhäuser übrigens nicht schämen. Man schickt ja seine Kinder später auch in Schulen, weil sie dort auf eine Art und Weise unterrichtet werden, die Mütter und Väter nicht gelernt haben.) Trotzdem wird in unseren Medien immer wieder so getan, als wäre Kinderbetreuung durch Nicht-Mütter etwas Unerprobtes und möglicherweise Gefährliches, von dem nicht gesagt werden kann, ob Eltern sich darauf einlassen sollen.

„Karrierefrau oder Superglucke – wer ist die bessere Mutter?“, lautete beispielsweise der Titel der „Im Zentrum“-Diskussion im ORF-Fernsehen am Muttertag, als ob Entwicklungspsychologie und/oder gesellschaftliche Realität Mütter vor diese Alternative stellten.

Und 3sat zeigte kurz darauf eine Schweizer Reportage über glückliche Menschen, eine davon eine junge Dreifach-Mutter, von der es hieß, dass sie nichts Schöneres kenne, als sich ganz ihren Kindern zu widmen. Gibt es denn das heutzutage überhaupt, dass sich eine Frau dazu bekennt, als Hausfrau und Mutter glücklich zu sein?, fragte der Magazingestalter mit geheucheltem Unglauben, um uns dann zu zeigen: Ja, das gibt es. Was wir zu sehen bekamen, war Hochglanz pur: eine perfekt gestylte junge Mutter mit perfekt gestylten Kindern in einem perfekt gestylten Haus (der Ehemann ist Architekt, erfuhren wir), die entspannt mit ihren Kindern spielte und Kuchen buk. Die Hightech-Küche blitzte und funkelte, das große Haus war tadellos aufgeräumt, schwer vorstellbar, dass da keine Haushaltshilfe im Hintergrund wirkte. Darüber wurde freilich geschwiegen. Erwähnt wurde jedoch, dass nebenan die Großeltern wohnen, sie übernähmen die Kinder, wenn die junge Hauptberufsmutter Zeit für sich haben wolle. Auch sahen wir den attraktiven Ehemann und Vater abends heimkehren, die Kinder bettfertig machen und niederlegen. Im Interview sagte er, wie glücklich er sei mit seiner Familie und der Hausfrauengattin und dass sie nie finanzielle Sorgen haben würde dank ihm.

Tusch, Vorhang, Beifall. Aber was wollen uns derlei Storys eigentlich sagen? Dass es schöner ist, reich geheiratet zu haben, als drei Kinder versorgen und dafür dringend Geld als Regalbetreuerin verdienen zu müssen? Oder aber, dass es reicht, daheim glücklich werden zu wollen, damit ein gut verdienender Architekt daherkommt und einen vor einem Schicksal als Regalbetreuerin bewahrt?

Karrierefrau oder Superglucke, das sind nicht die Lebensmodelle, zwischen denen Frauen zu wählen haben. Und berufstätig zu sein ist in der Regel keine Entscheidung gegen ein beschauliches Dasein in gesichertem Luxus.

Dennoch werden wir medial beharrlich mit verlogenen Bildern gefüttert, die uns falsche Alternativen vorgaukeln und unrealistische Vorstellungen von Hausfrauenglück und Mutterschaft transportieren. Allein die vielen, vielen Fotos diverser Stars inmitten ihrer (teils selbst geborenen, teils adoptierten) Kinderscharen, und dazu die (mehr oder weniger erfundenen) Zitate, denen zufolge alle diese Celebrities ganz und gar in ihrer Familie aufgehen – was bewirkt das in den Köpfen, vor allem in denen lebensunerfahrener Menschen? Und wem ist damit gedient, wenn falsche Erwartungen geweckt werden?

Immer wieder wird hierzulande zutiefst erstaunt ein Umfrageergebnis aus jüngerer Zeit zitiert, dem zufolge sich eine Mehrheit von Teenagern – vor allem weibliche, aber auch männliche – vorstellen könnte, später einmal daheimzubleiben, falls der Partner/die Partnerin genug verdiene.

Was ist daran erstaunlich? Auch für mich hat die Fantasie, ganz meinen Neigungen leben zu können, statt ans Geldverdienen denken zu müssen, was Bestechendes. Aber ich weiß, dass Abhängigkeit nicht Sorglosigkeit bedeutet. Ich weiß, dass Daheimbleiben nicht fröhlicher Müßiggang heißt.

Ich weiß, dass sich Ernährer vertschüssen können. Ich weiß, dass Kinderscharen nicht der Schlüssel sind, der einem die Tür zu Angelina Jolies Lebensstil öffnet. Ich weiß, dass Berufsausübung zutiefst befriedigend sein kann. Ich weiß, dass es frei macht, eigenes Geld zu haben. Ich weiß, dass Freude an der Erwerbsarbeit der Mutterliebe keinen Abbruch tut.

Woher sollen Teenager all das wissen? Teenager glauben an die große Liebe und daran, dass sie ewig halten wird, zumindest in ihrem Fall. Teenager sehen sich wie Stars mit Kindern posieren, aber nicht bei öder Hausarbeit. (Abgesehen davon wissen sie nicht, wie öd Hausarbeit sein kann, denn noch sind ihre Mütter dafür zuständig, und sie finden nicht, dass Hausarbeit nervt, sondern dass die Mütter nerven.) Teenager sind daran gewöhnt, Geld zugeteilt zu kriegen. Teenager haben höchst vage Vorstellungen von der Arbeitswelt, denn es fehlt ihnen an Berufserfahrung.

Teenager dürfen so sein. Aber Erwachsene? Realitätsverweigerung als Wahrnehmungsstrategie? Zu wessen Nutzen und zu welchem Zweck?

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