Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Die Staatsfeindin

Die Staatsfeindin

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Der Staat Österreich hat eine gefährliche Feindin. Sie ist 17 Jahre alt und bedroht unser Rechtssystem dadurch, dass sie hier weiterleben will. Als Zehnjährige ließ sie sich von ihrem Vater in unser Land einschleusen, lernte Deutsch, ging zur Schule, schloss Freundschaften und plante eine Zukunft als Mitbürgerin und Steuerzahlerin, als wäre sie ein junger Mensch wie unsere Kinder auch. Das lässt sich unser tapferer Staat aber nicht gefallen.

Seit zwei Jahren kämpft er unermüdlich gegen die Gefahr Arigona Zogaj. Bald soll der Kampf zu Ende sein und Arigona abgeschoben werden. Dann können siebeneinhalb Millionen ÖsterreicherInnen erleichtert aufatmen, weil unser Rechtsstaat gesiegt und nicht nur eine menschliche Zeitbombe in Gestalt einer gut integrierten Jugendlichen außer Landes geschafft, sondern auch ein Exempel statuiert hat. Es wird der Welt zeigen, dass wir uns weder durch Leistungswillen noch durch Anpassungsbereitschaft noch durch ein in prägenden Jahren entstandenes Heimatgefühl erpressen lassen, fremdes Blut bei uns zu dulden.

Wo kämen wir denn sonst hin! Andere ausländische ­Jugendliche würden am Ende glauben, sich durch Wohlverhalten einen Bonus erwerben zu können. Sie würden sich ebenfalls frech hier zu Hause fühlen, nur weil sie hier aufgewachsen sind. Durch Krieg und Flucht traumatisierte Kinder würden annehmen, dass sie ihr Schicksal einfach hinter sich lassen können, indem sie sich mitten im Frieden einnisten, so als hätte ihre Abstammung das für sie vorgesehen.

Wer eine Abschiebung Arigona Zogajs in den Kosovo für hartherzig hält, übersieht, dass sie damit auch die Chance bekommt, ihr Heimatland aufzubauen. Was ihr Heimatland ist, bestimmt nicht sie, das bestimmen wir, die wir unser Heimatland ebenfalls … na ja, nicht direkt aufgebaut, aber, äh, also eben akzeptiert haben. Wir haben pränatal in unsere Hände gespuckt und uns unser Heimatrecht durch mehr oder weniger schwere Geburten erarbeitet. So schaut’s aus. Und wer besonders umsichtig war, hat sich nicht damit begnügt, als armer Leute Kind auf die Welt zu kommen wie Arigona Z., sondern sich, wie zum Beispiel unsere Frau Innenministerin, eine ordentliche Unternehmerfamilie zum Hineingeborenwerden ausgesucht; so macht man das, wenn man es zu etwas gebracht haben will.

Nein, ich weiß, nichts von alldem ist lustig, und nichts davon ist lustig oder zynisch gemeint. Der Ton, der hier angeschlagen wird, spiegelt nur den unfassbaren Zynismus im Umgang mit der Familie Zogaj (und mit ähnlich gelagerten Fällen) wider, den sturen Justamentstandpunkt
der Behörden, die rechtspopulistische Unmenschlichkeit zuständiger PolitikerInnen, die deprimierende Missgunst, die einem aus Internet-Postings entgegenschlägt.

Zunächst war einiges anders. Am Anfang waren die ­Zogajs eine intakte Familie, die sich gut in Österreich eingelebt hatte und gegen deren Ausweisung die Gemeinde Frankenburg mit einer Unterschriftenaktion und einem Gemeinderatsbeschluss protestierte. Als die damals 15-jährige Arigona untertauchte, um der Abschiebung zu entgehen, und per Video ankündigte, dass sie sich umbringen werde, wenn sie nicht bleiben dürfe, war die öffentliche Stimmung noch auf ihrer Seite.

Heute ist Arigonas Vater unbekannten Aufenthalts, die älteren Brüder vegetieren im Kosovo dahin, die Mutter ist psychisch krank und sie selber suizidgefährdet. Die öffentliche Meinung hat sich gespalten, immer lauter werden die Stimmen derer, die, inspiriert von der Innenministerin und ihrem höhnischen Sager, sie lasse sich durch Rehleinaugen nicht erpressen, in Arigona nur einen hysterischen Teenager sehen, der den Staat unter Druck setzen wolle. Wie kommt das?

Unter anderem hat Arigona Z. das Glück und das Pech, ein hübsches Mädchen zu sein. Das hat zuerst bewirkt, dass ihr die Medien viel Aufmerksamkeit schenkten, sie wurde eine Art Promi unter den AsylwerberInnen. Weil aber jede Art von Berühmtheit den Neid aller erregt, die unbeachtet durchs Leben gehen müssen, nehmen ihr die Hohlköpfigen ihre Medienpräsenz mittlerweile ebenso übel wie ihr gutes Aussehen, sie wird als Wichtigtuerin abqualifiziert. Untergeht, dass sich Arigonas Bekanntheitsgrad keiner Rampengeilheit à la Paris Hilton verdankt, sondern dass dahinter die Verzweiflung eines jungen Mädchens steht, das nicht noch einmal gewaltsam entwurzelt werden will.

Dass die Solidarität der Frankenburger mit den Zogajs in ein österreichweites Misstrauen umgeschlagen ist, darf auf die bemerkenswerte Beharrlichkeit zurückgeführt ­werden, mit der Innenminister Günther Platter und nach ihm Innenministerin Maria Fekter jeden Gedanken an ein ­humanitäres Bleiberecht für die Familie verweigerten, in einem Ton und mit einem Vokabular, die suggerierten, dass es dabei um die Abwehr staatsgefährdender Invasoren gehe.

Ja, weite Bevölkerungskreise müssen nicht erst xenophob eingestimmt werden. Aber abgesehen davon, dass politischer Gestaltungswille etwas anderes sein sollte als Stimmenfang unter Verzicht auf moralische Aspekte, ist das Bemerkenswerte an diesem Fall und an ähnlich gelagerten Fällen das ursprüngliche Wohlwollen, mit dem einzelne Gemeinden hinter ihren gut integrierten Ausländern stehen. Erst bürokratische und politische Unerbittlichkeit machen aus beliebten MitbürgerInnen Geächtete. Toller Erfolg.

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