Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Fremde, maßgeschneidert

Fremde, maßgeschneidert

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1.
Die Fremden. Wir hätten sie ja eh gern, wenn sie so wären, wie wir sie gerne hätten. Ehrlich. Eine Zusammenfassung. Perfekt Deutsch müssen sie halt können, ehe sie zuwandern. Das ist das Mindeste, was man erwarten kann. Es kann doch nicht zu viel verlangt sein, dass man einen Deutschkurs belegt, ehe man an Flucht oder Auswanderung denkt.

Weiters sollen sie von gefälligem Äußeren sein, aber ­unter Vermeidung auffallender Attraktivität, weil Rehleinaugen oder Ähnliches den berechtigten Zorn aller Alteingesessenen erregen, die so was nicht haben. Mit Bedürftigkeit argumentieren, aber sich Rehleinaugen leisten, das geht nicht. Wenn Rehleinaugen, dann nur für echte ÖsterreicherInnen.
Sodann brauchen wir sie hoch qualifiziert. (Zu) wenige AkademikerInnen haben wir selber. Außerdem ist es viel praktischer, irgendwelche anderen Staaten zahlen die Ausbildung derjenigen, die wir nachher aufgrund ihrer Qualifikation gut verwenden können. Zwischenstaatliche Abkommen sind denkbar, die zum Beispiel darauf hinauslaufen, dass der Kosovo oder Burkina Faso bei uns anfragen, an welchen Qualifika­tionen wir Bedarf haben, ehe sie ihre Leute auf uns loslassen.

Natürlich müsste sichergestellt werden, dass die hoch qualifizierten AusländerInnen den Einheimischen keine Top-Jobs wegschnappen. Qualifiziert, aber in untergeordneter Position, das wäre die Lösung.
Und fleißig müssen sie sein, viel fleißiger als wir. Wir schätzen nämlich das Gefühl, dass bemühte Zugewanderte Tag und Nacht um unser Wohl besorgt sind: in kleinen ­Läden, die unseren Städten ein kosmopolitisches Flair verleihen, weil man in ihnen auch noch um Mitternacht mehr oder weniger exotische Waren erstehen kann, in Lokalen, die uns rund um die Uhr urbane Lebensqualität garantieren, als hart Arbeitende, die unser Wohlwollen erringen, indem sie sich für keine Art von Arbeit zu gut sind. Putzen, Schnee wegräumen, auf dem Bau hackeln, Kranke betreuen, Alte pflegen (inklusive Hinternputzen und pilzbefallene Fuß­nägel schneiden) – es gibt eine Menge Tätigkeiten, wofür wir die braven ausländischen Arbeitskräfte loben, oh ja.

Okay, im Ernst: Natürlich ist es gut gemeint, wenn zum Zweck der Xenophobie-Bekämpfung immer wieder einmal darauf hingewiesen wird, wie nützlich Zuwanderung für uns sein kann und tatsächlich längst ist. Trotzdem hat dieses Wohlwollen etwas von einem Dienstbotenlob, bei dem man sich nicht sicher sein kann, ob es nicht in eisige Ablehnung umschlägt, sobald die Dienstboten was anderes sein möchten als Dienstboten.
Parallelen zum Lob von Frauen drängen sich auf: So stark. So tüchtig. So sozial. Beschwörung und Wunschdenken. Einer an und für sich zu diskriminierenden Spezies wird die Chance gegeben, sich durch extra gutes Betragen für eine halbwegs normale Behandlung zu qualifizieren.
Aber so werden wir nicht weiterkommen. Fremde, die zu uns stoßen, egal, ob schutz- oder arbeitsuchend, sind Menschen und kein Geschenkpaket. Sie dürfen Schwächen und Fehler haben wie alle anderen auch. Wir müssen sie nicht bedingungslos akzeptieren, aber unsere Bedingungen sollten einigermaßen fair sein und unsere Erwartungen realistisch, auch in unserem Interesse.

2.
Die Pensionisten. Fressen den Jungen die Haare vom Kopf. Werden älter, als die Polizei erlauben möchte. Haben mächtige Lobbys. Kriegen eine Inflationsabgeltung, während an anderen Bevölkerungsgruppen gnadenlos gespart wird. ­Empörend, ungerecht, besorgniserregend.

Hm. Und jetzt einmal langsam und von vorn: Wer sind die Pensionisten? Es gibt Pensionisten, die cashen siebentausend Euro im Monat, und es gibt Pensionistinnen, die müssen mit siebenhundert über die Runden kommen. Es gibt welche, die kriegen bloß eine ASVG-Pension, und solche, die können ­zusätzlich auf (fette) Firmenpensionen zugreifen. Für die ­einen spielen 80 Euro mehr im Monat keine Rolle, für die anderen sind 20 Euro mehr oder weniger ein Riesenunterschied. Es gibt pensionierte BeamtInnen, die bekommen achtzig Prozent ihres Letztbezugs als Ministerialrat, und solche, die kriegen achtzig Prozent ihres Letztbezugs als C-Bedienstete. Es gibt Alte, die haben sich zeit ihres Erwerbslebens kein Bein ausgerissen, und Alte, die vierzig Jahre geschuftet haben, ehe sie in den – diesfalls wohlverdienten – Ruhestand gegangen sind. Binsenweisheiten? Genau. Aber warum finden sie so ­wenig Berücksichtigung?

Warum werden die Pensionisten immerzu als homogene Gruppe imaginiert? Warum ist der Modellpensionist immer einer, wie er in der Realität eher selten vorkommt, nämlich ein wohlhabender, rundum versorgter, sorgloser Glückspilz, der sich hedonistisch einem neiderregenden Faulenzer­dasein hingibt?

Weil er – oder sie, in Gestalt der ebenfalls gerne ­beschworenen Hofratswitwe – besser zum Feindbild und Sündenbock taugt als die pensionierte Sachbearbeiterin, die für ihre Kinder spart und deren nächste Luxusreise für eine Woche nach Gran Canaria führt, in ein Hotel nebenbei, um das ihre konsumroutinierten Enkel naserümpfend einen ­Bogen machen würden?

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