Elfriede Hammerl: Gewinnmaximierung

Elfriede Hammerl: Gewinnmaximierung

Drucken

Schriftgröße

Die Bank Austria sperrt einen Großteil ihrer Filialen zu, und andere Geldinstitute werden es ihr demnächst nachmachen. Die Fachleute begrüßen das, weil Österreich sowieso overbanked sei. Außerdem sind die PrivatkundInnen, heißt es, ein Verlustgeschäft, weswegen es genüge, wenn die Banken elektronisch mit ihnen verkehren. Beschämt ducke ich mich im Bewusstsein, ein übler Klotz am unternehmerischen Bein meiner Bank zu sein, und unterdrücke die Frage, warum es früher rentabel war, mein Geld entgegenzunehmen und für Bankgeschäfte zu verwenden. Ist mein Geld nicht mehr gut genug, um verspekuliert zu werden? Wenn ja, was hat diese Mutation bewirkt? Oder waren Bankfilialen von Anfang an eine Manifestation selbstloser Güte, die man sich aber heutzutage nicht mehr leisten will?

Meine schlechte Nachrede kränkt mich auch deswegen, weil ich mich ohnehin seit Jahren bemühe, meiner Bank nicht lästig zu fallen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich zum letzten Mal einen Schalter aufgesucht habe, um Geld zu überweisen, Kontoauszüge zu verlangen oder Bargeld abzuheben. Ich buche per Computer ab und um, meine Kontoauszüge spuckt eine Maschine aus, und Bargeld beziehe ich aus Automaten. Na gut, die müssen allerdings von den Banken zur Verfügung gestellt werden. Kein Wunder, dass sie das Bargeld langfristig abschaffen wollen.

Zugegebenermaßen sind die Banken nicht die Einzigen, die Dienstleistungen und/oder Geschäftslokale einsparen. Wir haben uns längst daran gewöhnt, in Läden ohne Assistenz nach der richtigen Ware zu suchen oder überhaupt online einzukaufen. Und für den Fall, dass uns was Unpassendes geschickt wird, den Krempel wieder einzupacken und damit zur Post zu traben, um ihn zwecks Umtausch zurückzuschicken. Was uns nur gelingt, wenn wir herausfinden, wo der nächste Postpartner ist und wann er zu amtieren geruht.

Was lerne ich aus all dem? Ich lerne, wie man Gewinne maximiert. Auch ich möchte ja nach Profit streben, wie es sich gehört, und suche deshalb nach vielversprechenden Geschäftsmodellen. Wichtig ist offenbar, das Preis-Leistungs-Verhältnis dahingehend zu optimieren, dass Bezahlung nicht automatisch einen Lieferungsanspruch nach sich zieht. Wenn der geschickte Kunde zum Beispiel imstande ist, Möbel selber zusammenzubauen, dann kann man doch eigentlich auch verlangen, dass er sich die Bauteile dafür selber bastelt. Ich überlege daher, eine Firma zu gründen, deren Einnahmen durch keinerlei Warenausgabe geschmälert werden. Bestellen Sie, was Sie wollen – Sie bekommen nichts, das aber pünktlich, nachdem Sie fürs Bestellen bezahlt haben! Auch Dienstleistungen nach diesem Prinzip sind denkbar, ich lasse Sie notwendige Arbeiten selber machen, und Sie danken es mir mit einem monatlichen Motivationsentgelt.

Noch besser gefällt mir freilich die Idee, auf den Privatisierungszug aufzuspringen. Die Privatisierung hat eine lange, ehrwürdige Tradition. Vormals hieß sie Landnahme (oder auch Landraub) und hat auf mehreren Kontinenten prächtig funktioniert. Ich für mein Teil plane, menschliche Körperteile zu privatisieren. Das heißt zum Beispiel, ich gründe ein Unternehmen, das sämtliche menschlichen Zähne zu meinem Privateigentum erklärt. Ja, Zahnraub, gewissermaßen. (Obwohl mir Zahnnahme lieber wäre.) Dafür, dass ich Ihre Zähne dann in Ihrem Mund lasse und Ihnen erlaube, sie zu benützen, haben Sie in Zukunft eine Gebühr an meine Firma zu entrichten. Schlau, was? Das Gleiche könnte ich auch mit Ihren Nieren machen. Damit wäre sogar ein schwungvoller Handel möglich. Aber keine Angst, vielleicht handle ich ja nur mit Ihren Nieren, ohne sie dann wirklich an einen Empfänger zu liefern. Weil: Gewinnmaximierung.

Falls Ihnen das jetzt etwas schräg vorkommt: Schauen Sie sich doch an, was in vielen Weltgegenden bereits mit dem Wasser passiert. Lebensnotwendige Ressource, aber: privatisiert. Konzerne pumpen Grundwasser ab, füllen es in Flaschen und verkaufen es dann denen, deren Brunnen sie mehr oder weniger zum Versiegen gebracht haben, gegen geschmalzene Preise.

Ein Schuft freilich, wer das edle Motiv dahinter übersieht. Es gehe darum, gedankenlose Wasserverschwendung zu verhindern, rechtfertigte sich Nestlé für dieses Vorgehen (unter anderem in Pakistan und in den USA), nur deshalb müsse Wasser einen ökonomischen Wert haben.

Sehen Sie, genauso ist es mit Ihren Organen: Ich möchte Sie lediglich davon abhalten, mit Ihren Zähnen leichtfertig Bierflaschen zu öffnen oder Ihre Nieren durch übermäßigen Salzkonsum zu strapazieren. Dadurch, dass ich Ihnen den ökonomischen Wert Ihrer Zähne bewusst mache, rege ich Sie an, sie zu pflegen und zu erhalten. Das ist doch weitblickend und verantwortungsbewusst von mir.

Fürs Zähneputzen werde ich Ihnen übrigens eine Extra­gebühr verrechnen müssen. Nein, natürlich putze ich Ihre Zähne nicht. Das müssen Sie schon selber tun. Der Bank zahlen Sie ja auch Kontoführungsentgelt, obwohl Sie sich mit Ihren Zahlscheinen selber plagen.

[email protected] www.elfriedehammerl.com