Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Girlie-Quote

Girlie-Quote

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Neulich in der „ZiB 24“: Streitgespräch darüber, dass der Wiener Burschenschafter-Ball, bekanntlich ein Spektakel mit hohem Rechtsradikalenaufkommen, heuer ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag stattfindet. Zwischen den Kontrahenten Ariel Muzicant und Martin Graf eine überforderte Moderatorin. Ihr Name sei hier mild beiseitegelassen, denn es geht nicht um sie persönlich, sondern um was Grundsätzliches. Jedenfalls: ein gewichtiges Thema, zwei kampferprobte Diskutanten, und die Gesprächsleitung bei einer Person, die leider weder leitet noch qualifizierte Fragen stellt, sondern hilflos von einem zum anderen ­lächelt. Das tut weh. Erstens grundsätzlich. Weil ja schließlich nicht die neuen Nagellackfarben oder die Vornamen von Heidi Klums Kindern zur Debatte standen.

Und zweitens wegen Frau. Es entsteht nämlich der Eindruck, dass männlicher Vehemenz nur mit weiblicher Orientierungslosigkeit begegnet werden kann. Dieser Eindruck ist falsch, denn selbstverständlich gibt es kompetente Frauen, die so eine Moderation souverän gepackt hätten, und dieser Eindruck ist zudem schädlich, weil er die Tatsache, dass männlicher Vehemenz auch weibliche Kompetenz entgegenstehen kann, überlagert. Was bleibt, ist: Die Moderatorin war inkompetent. Und, so werden viele daraus schließen: Das kommt davon, wenn man wichtige Jobs von Frauen machen lässt. Frauenquote nix gut.

Die richtige Schlussfolgerung müsste indes heißen: Das kommt davon, wenn man wichtige Jobs von den falschen Leuten machen lässt, egal, ob Frau oder Mann. Wie passiert es, dass die falsche Frau beim falschen (Fernseh-)Job landet? Das hat mit den Kriterien zu tun, nach denen Posten besetzt werden. Bei Männern zählt, nicht immer, aber einigermaßen häufig, Kompetenz mehr als Schönheit. An Frauen hingegen werden, nicht immer, aber häufig genug, Aussehen und Jugend unverhältnismäßig hoch bewertet.

Nun gibt es auch unter den jungen, gut aussehenden Frauen sehr kompetente. Aber sie stoßen oft auf Widerstand, jedenfalls auf wesentlich mehr Widerstand als die feschen Mädels, die Ehrgeiz durch (vielleicht auch nur vorgetäuschte) Minderkompetenz mildern, mildern für ältere Alpha­rüden, die heranwachsende Konkurrenz ein wenig unter Verschluss halten wollen.

Auch ehrgeizige junge Männer sehen sich Kleinhaltestrategien durch ältere Alpharüden ausgesetzt. Sie schauen nur anders aus als Kleinhaltestrategien für das weibliche Konkurrenzpotenzial.

Beim weiblichen Nachwuchs funktioniert die Konkurrenzminimierung so: Mann fördert die hübschen Harmlosen, das erfreut das eigene Auge und ist keine spätere Gefährdung der eigenen Position. Die weniger Harmlosen werden gern als zu hässlich für die Kamera oder so ähnlich diskreditiert. Das hat mit dem Aussehen der Betreffenden oft wenig zu tun. Allzu gscheit geht per se immer noch leicht als schiach durch, und überhaupt ist Schönheit Geschmackssache. Die Steine, die qualifizierten männlichen Jungkonkurrenten in den Weg gelegt werden, haben unter Umständen ebenfalls was mit dem Fehlen geschmeidiger Anpassung zu tun, aber sie schaden nur den Betroffenen. Das Hieven inkompetenter junger Frauen in Positionen, denen sie nur mäßig gewachsen sind, hat jedoch fatale Folgen für die Frauen insgesamt: Es festigt alte Geschlechtervorurteile und Rollenklischees.

Wobei – wenn wir im TV-Bereich bleiben – der Eindruck, dass es eine zu hohe Girlie-Quote bei Moderatorinnen gibt, nicht von allen TV-Sendern gleichermaßen erweckt wird. Bei den öffentlich-rechtlichen in Deutschland zum Beispiel haben immerhin Kaliber wie Sandra Maischberger und Anne Will eigene Diskussionssendungen. Im ORF hingegen, wo ebenfalls ausreichend qualifizierte Journalistinnen zur Verfügung stünden, ist das Prinzip Hauptsache herzig zumindest nicht ad acta gelegt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF haben sich erst kürzlich eindrucksvoll gegen feudalherrschaftliche Postenbesetzungen zur Wehr gesetzt. Vielleicht gelingt es ­ihnen ja, in Sachen ­Bewertungskriterien ebenfalls einen zeitgemäßen Kurs – soll heißen: den Grundsatz der Geschlechtergleichstellung – durchzusetzen. Das würde auch den jungen Frauen nützen, die jetzt verheizt statt vernünftig aufgebaut werden.

Themawechsel und doch keiner: Am 20. Jänner haben freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF mit einem offenen Brief an den Generaldirektor gegen ihre Arbeitsverhältnisse protestiert. Die sind tatsächlich miserabel. Obwohl ein überwiegender Teil des Programms von ihnen gestaltet wird („In vielen Sendungen liefern wir bis zu hundert Prozent der Sendeinhalte“, heißt es im Brief), verdienen sie mit Vollzeitarbeit gerade einmal tausend Euro im Monat, ohne bezahlten Urlaub, ohne Anspruch auf Krankengeld, ohne 13. und 14. Gehalt. Und während auf ihrem Rücken geknausert wird, sollten für andere – Stichworte: „technischer Vizedirektor“, „Koordinator der Landesstudios“ – neue hoch dotierte Posten geschaffen werden.

Schlimm. Noch schlimmer allerdings, dass solche Raubersgschichten inzwischen gang und gäbe sind auf dem Arbeitsmarkt. Die Schere geht stetig auf: Wenigen Abgesicherten und Gutverdienenden steht eine wachsende Zahl an Armutsgefährdeten gegenüber. Besorgnis ist angebracht. Mehr darüber nächstes Mal.

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