Elfriede Hammerl: Große Autos

Na gut, Individualverkehr. Aber warum in zivilen Panzerkreuzern?

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Der Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen muss eingeschränkt werden. Was immer an neuartigen Vehikeln erfunden wird, wurscht ob mit Strom, Wasserstoff oder demnächst vielleicht mit Essig und Öl in Bewegung gesetzt – sobald sie sich millionenfach auf den Straßen drängen, sind sie ein Problem. Aus Platzgründen, aber auch, weil offenkundig jeder Treibstoff, wenn er in großen Mengen bereitgestellt werden muss, die Umwelt belastet, sei es durch einen hohen Energieaufwand (mit oder ohne Schadstoffemissionen) bei seiner Erzeugung, sei es durch großflächige Eingriffe in die Natur mit dem Bau von Kraftwerken oder mit der Abholzung von Wäldern zum Anlegen riesiger Pflanzen-Monokulturen.

Natürlich wird man auf den Individualverkehr nicht zur Gänze verzichten können, und schon gar nicht von heute auf morgen. Aber was um Himmels willen bringt die Leute dazu, sich in Zeiten wie diesen immer größere, höhere, breitere, bulligere, furchteinflößendere Autos zuzulegen? Jeder zweite Pkw eine Kreuzung aus Panzer und Omnibus, ausgestattet, um Wüsten zu durchqueren, Flüsse zu durchfahren, Geröllhalden zu bezwingen, Schneewände niederzuwalzen. Warum? Kommt der schlaffe Typ im Anzug, der ächzend aus seiner Kampfkarre steigt, nachdem er damit zwei Plätze in der Tiefgarage besetzt hat, gerade von einer Alaskaexpedition oder doch nur aus seiner Terrassenwohnung in Wien-Mauer? Ist die perfekt gestylte Shopping-Queen, die auf High Heels zum Fahrersitz ihres gigantesken SUVs hinaufklettert, im Nebenberuf Bergbäuerin und muss normalerweise mehrere Kinder, einen Hund sowie Lebensmittelvorräte für drei Monate in unwegsames Gelände transportieren? Ich glaub’s nicht.

Ich wohne im Süden von Wien, das Klima ist freundlich, die Hügel sind sanft und die Verkehrswege ausgebaut. Niemand muss sich hier von einem Ort zum anderen durchschlagen, weder sommers noch winters. Trotzdem dominieren auch hier Autos, deren Anblick vermuten lässt, dass es einer extrem unwirtlichen Gegend Rechnung zu tragen gilt.

Die Botschaft ist klar: Kusch! Platz da! Ich mach dich platt! Ich wichtig, du niemand!

Mein Wohnort selbst ist malerisch und seine romantischen Gassen sind schmal. In kleinen Autos könnte man sie spielend passieren. Aber wenn ich vorsichtig um die Ecken biege mit meiner unteren Mittelklasse auf vier Rädern, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mir ein Schlachtschiff entgegenwogt. Es füllt dann die gesamte Gassenbreite aus, und sein Fahrer erwartet, dass ich mich auf der Stelle in Luft auflöse oder doch zumindest eilends den Retourgang einlege, um seine Fahrbahn – die eigentlich auch die meine wäre – freizugeben. Die Botschaft ist klar: Kusch! Platz da! Ich mach dich platt! Ich wichtig, du niemand! Ich bedeutend, du eine Null!

Nun waren ja Autos schon immer auch ein Statussymbol. In meiner Jugend imponierten uns flotte Cabrios, und wir hätten unsere braven Käfer gern gegen einen kecken Triumph getauscht. Meine Klassenvorsteherin am Gymnasium, eine Dame kurz vor der Pensionierung und in puncto Outfit gefeit vor modischen Torheiten, träumte, wie sie uns gestand, von einem weißen Cadillac. (Natürlich hat sie nie einen besessen, ich weiß gar nicht, ob sie überhaupt einen Führerschein hatte.) Rolls-Royce war ein Synonym für Luxus, wenn man sich vorstellte, reich und berühmt zu sein, dann entstieg man in seiner Fantasie einem Rolls, um den jubelnden Fans zuzuwinken.

Derlei Autos waren teuer, glamourös, motorisch aufgebrezelt und unpraktisch, aber sie waren keine Kampfmaschinen. Auch den Limousinen, die gekauft wurden, wenn der finanzielle Aufstieg es zuließ bzw. dargestellt werden sollte, fehlte das Drohende, Martialische. Die Citroën- Flunder schwamm als harmloser Plattfisch im Verkehrsstrom, ihr breites Maul sah aus, als lächle es. Die Schlachtschiffe jetzt sind Kampfansagen, und wenn man ihnen ein Gesicht zubilligen wollte, dann ist es eines mit gefletschten Zähnen. Sie sind teuer und motorisch aufgebrezelt, aber nicht glamourös, und niemand kann sich darauf ausreden, dass er oder sie nicht weiß, was es für die Umwelt bedeutet, wenn zweieinhalb Tonnen Metall mit 160 Pferdestärken durch die Gegend gewuchtet werden.

Das ist der springende Punkt. Die Zeit der unschuldigen Ahnungslosigkeit ist vorbei. Mag sein, dass ein heutiger SUV im Vergleich weniger Sprit verbraucht und weniger Schadstoffe ausspuckt als ein Was-auch-immer seinerzeit, aber um den Vergleich mit früher geht es halt nicht. Sondern um den Vergleich mit anderen Autos, die man heute fahren kann, wenn man denn ein Auto braucht. Und dieser Vergleich zeigt den Fahrer/die Fahrerin des fetten SUV als Vertreter einer Spezies, denen Mitmenschen nur insofern nicht scheißegal sind, als sie sich dazu eignen, rücksichtslos abgedrängt zu werden. Das beliebte Sicherheitsargument „Ich fahre ja nur so einen Wagen, weil die anderen auch einen fahren, und zwar wie die Irren“ ginge ins Leere, sobald die Straßen nicht mehr voll wären mit zivilen Panzerkreuzern. Aber die passen halt zu gut zur Rüpelmentalität der angesagten Ellbogengesellschaft.