Elfriede Hammerl: Haarig

Berufswarnung. Und warum sie leider notwendig ist.

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Warum sollen Mädchen nicht Friseurinnen werden wollen?, fragte Kollegin Rosemarie Schwaiger sinngemäß in profil 17/2017. Und sie kritisierte die Frauenpolitik, die versuche, aus jungen Frauen justament Gabelstaplerfahrerinnen zu machen, obwohl die sich mehr fürs Haarefärben interessierten. Fazit der Geschichte: Der Beruf der Friseurin sei besser als sein Ruf, er eröffne viele Möglichkeiten (vom eigenen Geschäft bis zur Arbeit fürs Fernsehen) und werde auch gar nicht so schlecht bezahlt, vor allem, wenn man die Trinkgelder mitberechne.

Ich stimme der Kritik insofern zu, als ich schon seit vielen Jahren schreibe, dass es nicht darum gehe, mehr Mädchen in sogenannte Männerberufe zu drängen, sondern die sogenannten Frauenberufe aufzuwerten. Wer sagt, dass sich Frauen gefälligst für Technik interessieren sollen, wenn sie was verdienen wollen, stimmt einem fragwürdigen Ranking zu, demzufolge technisches Know-how für eine Gesellschaft wertvoll, soziale Kompetenz (unter die in einem weiteren Sinn auch die Körperpflege fällt) hingegen vernachlässigbar ist. Dass sogenannte weibliche Interessen und Fertigkeiten geringer zu bewerten seien als sogenannte männliche, ist nicht einzusehen. Es wäre die Aufgabe der Politik, für eine generelle Neubewertung von Arbeit einzutreten.

Viele trauen sich noch immer nicht, eine unkonventionelle Ausbildung anzugehen

Nebenbei ist es freilich durchaus sinnvoll, Mädchen – und Burschen – zum Überdenken ihrer Berufswünsche zu ermuntern. Denn viele trauen sich noch immer nicht, eine unkonventionelle Ausbildung anzugehen, und auch Eltern müssen oft mühsam überzeugt werden, dass es nichts Anrüchiges ist, wenn Töchter Mechanikerin und Söhne Kindergartenpädagoge werden wollen. Brauchen tun wir die einen wie die anderen, weshalb es wiederum nicht nötig sein sollte, Töchtern die sogenannten Frauenberufe auszureden. Trotzdem sind die Warnungen davor leider berechtigt.

Zum einen ist da die Bezahlung. Gelernte Friseurinnen verdienen zwischen 1325 und 1700 Euro, war in profil zu lesen, ausgebildete Kfz-Mechaniker 1960 bis 2180 Euro. Das heißt, der Kfz-Mechaniker kriegt jeden Monat 480 bis 635 Euro mehr aufs Konto als die Friseurin. Vielleicht kein großer Unterschied für Nationalbankpensionisten, für die Friseurin hingegen schon. 600 Euro sind eine Monatsmiete. Oder eine Urlaubsreise. Oder zwei Drittel der Mindestrente von der Oma der Friseurin.

Aber das Trinkgeld? Kriegt auch der Automechaniker. Davon abgesehen ist es eine unsichere Einnahme, mit der man nicht kalkulieren kann.

Also: Im klassischen Frauenberuf gibt’s offensichtlich weniger Geld.

Also: Im klassischen Frauenberuf gibt’s offensichtlich weniger Geld. (Was einmal mehr zeigt, dass die Einkommensschere nicht ausreichend mit der höheren Teilzeitquote von Frauen erklärt werden kann.)

Zum anderen sind da die Arbeitszeiten. Schwaiger erzählt vom Inhaber einer Friseurkette, der dringend offene Stellen in seinen Geschäften besetzen wollte und fast nur auf Interessentinnen traf, die samstags – oder sogar schon am Freitag – frei haben wollten. Aus der Sicht des Unternehmers ärgerlich. Wieso wird eine Friseurin, wenn sie dann nur mit Einschränkungen als solche zur Verfügung stehen möchte?

Hm. Vielleicht, weil sie in einem klassischen Frauenberuf Verständnis für traditionelles Rollenverhalten erwartet hat, demzufolge das Wochenende einer Frau ihrer Familie (oder ihrem Freund) gehört?

Nein, keine falschen Vermutungen – wir müssen Töchtern die Friseurlehre nicht ausreden, weil Samstagsarbeit unzumutbar ist. Aber wir müssen sie darauf hinweisen, dass in diesem klassischen Frauenberuf ihre klassischen Wochenendpläne nicht zählen. Wie auch nicht im klassischen Frauenberuf der Verkäuferin.

Unorthodoxe Arbeitszeiten kommen in vielen Branchen vor, und man nimmt sie bereitwillig in Kauf, wenn man seiner Arbeit mit Leidenschaft nachgeht (wie beispielsweise WissenschafterInnen oder Kunstschaffende), wenn man ihre Dringlichkeit einsieht oder wenn sie gut bezahlt sind. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass man zwar Kundinnen gerne die Haare schneidet, von der Dringlichkeit dieser Aufgabe an einem Samstag aber nicht restlos überzeugt ist.

Frauen werden halt Friseurin oder Verkäuferin, weil man ihnen eingeredet hat, dass diese Berufe zu ihnen passen

Frauen werden halt Friseurin oder Verkäuferin, weil man ihnen eingeredet hat, dass diese Berufe zu ihnen passen, dass sie familienkompatibel sind und dass die bescheidene Bezahlung keine Rolle spielt, weil sie ja auf lange Sicht eh nur dazuverdienen müssen.

All das sollten wir ihnen ausreden. Weil’s nicht stimmt. Nicht, um sie zwangsweise an Werkbänke zu setzen, obwohl sie sich für Werkbänke nicht zu begeistern vermögen, sondern damit sie sich bewusst und informiert entscheiden können. Wenn sie dann immer noch Friseurin werden und es als solche weiterbringen wollen (zum eigenen Geschäft oder zum Fernsehen): na gut. Und viel Glück.

Themawechsel: In jedem Bericht über den französischen Präsidentschaftskandidaten Macron kommt vor, dass er mit einer um 24! Jahre! älteren! Frau verheiratet ist. Auch zwischen den Eheleuten Trump gibt es einen Altersunterschied von 24 Jahren. Kommt aber so gut wie nie vor. Warum nur?