Elfriede Hammerl: Im Rentenalter

Arbeit als Lebenssinn? Für manche schon. Aber es gibt Jobs, die sind einfach öde.

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Und immer wieder die leidige (ja, doch: leidige!) Debatte um das Pensionsalter, mit besonderer Berücksichtigung der Frauen. Die Menschen in Österreich gehen zu früh in Rente. Das Pensionsantrittsalter gehört endlich hinaufgesetzt. Warum nicht arbeiten bis 67? Bis 75? Noch länger?

Diejenigen, die das fordern, haben in der Regel: einen interessanten Beruf, der ihnen Freude macht. Ein hohes Sozialprestige, das mit ihrem Beruf zusammenhängt. Ein gutes Gehalt. Ein großes Ausmaß an Selbstbestimmung bei ihrer Berufsausübung. Und häufig sind sie auch noch relativ jung und bei guter Gesundheit.

Sie verstehen nicht, dass sich jemand aus seinem Berufsleben verabschieden möchte. Sie können sich nicht vorstellen, mit dem, was sie tun, freiwillig aufzuhören. Sie sagen: Arbeiten ist doch so erfüllend! Wir brauchen doch alle eine Aufgabe!

Ihr Beruf gibt ihrem Leben Sinn, er belohnt sie mit ordentlich Zaster, er beschert ihnen das Gefühl, wichtig zu sein. Na klar träumen sie nicht von einem Renterdasein. Warum denn auch?

Aber nicht alle Berufstätigen sind in dieser glücklichen Lage. Menschen haben auch Jobs, die ihre Körper verschleißen. Menschen haben Jobs, die sie im Lauf der Jahre psychisch auslaugen. Menschen haben Jobs, die sie nicht befriedigen. Menschen haben Jobs, die ihnen weder gesellschaftliche noch finanzielle Anerkennung bescheren. Menschen haben Jobs, die sie schlicht als öde empfinden. Und nein, das liegt nicht an den Menschen, sondern an den Jobs. Es gibt Arbeiten, die gemacht werden müssen, aber öde sind sie doch. Menschen haben Jobs, die sie in ein enges Zeitkorsett pressen, tagaus, tagein. Menschen werden gekündigt und finden keinen neuen Job, vor allem, wenn sie älter, und schon gar, wenn sie ältere Frauen sind.

Na klar träumen die alle von einem – finanziell halbwegs gesicherten – RenterInnendasein. Davon, nicht mehr acht Stunden täglich fremdbestimmt zu sein. Davon, morgens ausschlafen zu können. Davon, sich nicht mehr vergeblich um einen Job bewerben zu müssen. Davon, sich endlich ihren ureigenen Interessen widmen zu können. Mag sein, dass diese Interessen für andere nicht immer nachvollziehbar sind, Stichwort Bierdeckelsammeln. Aber abgesehen davon, dass die meisten eh etwas Mehrheitstaugliches im Sinn haben (Wandern, Sporteln, Garteln zum Beispiel), sind auch schlichte Hobbys sinnvoll für diejenigen, die ihnen nachgehen.

Alle diese Leute, die mit 60 ihr Berufsleben beenden wollen, haben noch ein paar gesunde Jahre vor sich. Die möchten sie ein bisschen genießen, und zwar nach ihren Vorstellungen. Gestiegene Lebenserwartung heißt nämlich nicht, dass jede und jeder fit und vergnügt 95 wird. Häufig sind die letzten Lebensjahre von Schwäche und Verfall geprägt. Die Zeit, in der es einem noch gut geht, ist begrenzt. Und vor allem: Man kennt die Grenze nicht. Arbeiten bis 70 kann daher bedeuten: Arbeiten bis zum Umfallen. Das mag für die Führungspersönlichkeit, die Wissenschafterin, den Künstler nach spannender Herausforderung klingen. Die Person mit dem langweiligen Bürojob erschreckt es.

Nicht die Alten sind schuld an prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Kommt meistens eh ein wenig anders als ausgemalt. Kinder brauchen Unterstützung, Enkel Betreuung, Reisen sind zu teuer, beim Wandern streikt das Knie. Trotzdem: Man möchte wenigstens die Chance haben, ein bisschen was von dem zu realisieren, was man sich ein Berufsleben lang mehr oder weniger versagen musste.

Ja, aber sollen sich denn die Jungen zu Tode schuften, damit die Alten auf der faulen Haut liegen können, während sie selbst nicht einmal wissen, ob sie jemals in den Genuss von Ruhestandszahlungen kommen?

Nein, so soll es nicht sein. Jedoch: Nicht die Alten sind schuld an prekären Beschäftigungsverhältnissen, an jahrelangen, schlecht bezahlten Praktika, an befristeten Arbeitsverträgen, an Ich-AGs statt Arbeitsplätzen mit Sozialversicherung, an der Schere zwischen Arm und Reich, die sich immer weiter öffnet statt schließt.

Natürlich geht es nicht nur um Verständnis für das Ruhebedürfnis der Alten, sondern auch darum, wie man es finanzieren soll. Aber wenn es an grundlegendem Verständnis fehlt, dann laufen alle Finanzierungspläne darauf hinaus, dass die Alten nur noch als überflüssiger Kostenfaktor gesehen und behandelt werden.

Im Prinzip hängen Renten wie Gehälter an der erzielten Wertschöpfung. Um die ist es nicht so schlecht bestellt. Über die Aufteilung der Gewinne sollte freilich nachgedacht werden, im Interesse der Alten wie der Jungen.

Davon abgesehen machen sich die Alten ja eh nützlich. Innerfamiliär. Ehrenamtlich. Sie wollen doch gar nicht die ganze Zeit auf der faulen Haut liegen. Aber weniger Druck wollen sie. Mehr Lebenszeit für sich, solange sie noch über Lebenszeit verfügen.

Was die Frauen betrifft, so gehen sie tatsächlich, statistisch gesehen, bloß anderthalb Jahre früher in Pension als die Männer. Dafür gelten sie auf dem Arbeitsmarkt früher als schwer vermittelbar.

Altwerden geht schneller, als man glaubt. Wer einen Generationenkrieg ausrufen möchte, sollte aufpassen, dass er sich nicht unversehens in der falschen Generation wiederfindet.

[email protected] www.elfriedehammerl.com