Elfriede Hammerl: Kinder haben

Wirkt Elternschaft persönlichkeitsbildend? Na ja, eigentlich schon.

Drucken

Schriftgröße

Gelegentlich bin ich in makellosen Wohnungen zu Gast. Sie gefallen mir. Ich würde jederzeit in sie einziehen. Nur dass sie nicht makellos blieben, wenn ich sie bewohnte. Die makellosen Wohnungen sind perfekte Selbstdarstellungen geschmackvoller, kultivierter Persönlichkeiten. Gepflegte Fußböden aus schimmerndem Holz. Edle Sofabezüge. Mit Bedacht gehängte Bilder an fleckenlosen Wänden. Spiegelnde Fensterflächen. Kunstwerke, mit Sorgfalt platziert. Die Gebrauchsgegenstände von renommierten Designern entworfen.

Wow.

Ich halte mich eigentlich ebenfalls für eine geschmackvolle, kultivierte Person. Wie kommt es, dass sich bei mir Kitsch und Tand zwischen die Kunstwerke geschummelt haben, dass am Kühlschrank ausgebleichte Kinderzeichnungen kleben, dass sich auf der alten Truhe Spielzeugautos, Legosteine und Batmanfiguren türmen und dass die frischgeputzten Glastüren in den Garten schon wieder den fettigen Abdruck einer kleinen Hand zeigen? Na gut, vielleicht bin ich ja nur zu faul oder zu geizig, um die cremefarbenen Sofas zu kaufen, die in meinem makellosen Heim stünden, wenn ich eines hätte – vielleicht habe ich aber auch bloß keine Lust, meinen Enkelsohn permanent zu beäugen und zu ermahnen, damit er die cremefarbene Pracht nicht befleckt?

Makellose Domizile stehen meiner Erfahrung nach in einem gewissen Widerspruch zur Lebensweise von Kindern und Jugendlichen. Mit Kindern und Jugendlichen zu leben heißt: weniger Selbstinszenierung, mehr Pragmatik. Und: weniger Selbstbestimmung, mehr Kompromisse.

Sie wolle nicht von lauter kinderlosen Karrieristen regiert werden, sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kürzlich in einem Interview mit der „Kronen-Zeitung“. Ui, das hat ihr aber Empörung von allen Seiten eingetragen! In den sozialen Medien, in Postings und in Zeitungskommentaren wurde sie durch die Gegend gewatscht. Kinder zu haben sei keine Qualifikation! Kinder würden PolitikerInnen nicht automatisch zu besseren Menschen machen! Meinl-Reisingers Sager sei eine Beleidigung für alle Kinderlosen, schon gar für diejenigen, die Kinder wollten und keine bekommen könnten. Politikerinnen lebten in privilegierten Verhältnissen, wenn sie Kinder hätten, führe das nicht zwangsläufig zu mehr Verständnis für die ganz normale Durchschnittsmutter. Und: beinharte Karrieristen mit Kindern seien jetzt auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Grundsätzlich hat es was für sich, dass ein Leben mit Kindern Eigenschaften und Verhaltensweisen hervorruft, die man nicht braucht, wenn man nur sich selbst und allenfalls einem erwachsenen Partner/einer erwachsenen Partnerin verpflichtet ist.

Ach, Leute. Um all das ist es Meinl-Reisinger doch bestimmt nicht gegangen. Was sie gesagt hat, war erstens, dass es trotz Elternpflichten möglich sein muss, sich ins politische Geschehen einbringen zu können. Und zweitens, dass unter den Regierenden auch Menschen mit Kindern sein sollten.

Ja, das inkludiert durchaus die These, dass Elternschaft eine persönlichkeitsbildende Wirkung hat. Aber so ist es ja auch. Die Wirkung ist nicht immer gleich stark. Nicht alle Väter und Mütter nehmen die Verantwortung gleichermaßen an, die mit Kindern verbunden ist, und andererseits können hingebungsvolle Väter und Mütter ansonsten ganz schön ekelhafte Mitmenschen sein. Aber grundsätzlich hat es was für sich, dass ein Leben mit Kindern Eigenschaften und Verhaltensweisen hervorruft, die man nicht braucht, wenn man nur sich selbst und allenfalls einem erwachsenen Partner/einer erwachsenen Partnerin verpflichtet ist.

Der Baby Blues, der viele Mütter auch nach der Geburt eines Wunschkindes vorübergehend befällt, hängt mit der Erkenntnis zusammen, dass nichts mehr so ist, wie es war. Ein Kind zu bekommen, bedeutet Aufgabe von Selbstbestimmung, bedeutet, auf die Bedürfnisse einer anderen Person nicht nur einzugehen, sondern sie, wenn nötig, über die eigenen zu stellen, bedeutet, für einen Menschen verantwortlich zu sein, der für eine ganze Weile hilflos und von einem abhängig sein wird. Das ist eine gewaltige psychische Umstellung. Mit einem Kind zu leben bedeutet, Geduld zu entwickeln, das eigene Tempo zu drosseln und sich damit abzufinden, dass man Vorhaben nicht unbedingt sofort zielstrebig in die Tat umsetzen kann. Das ist nicht immer leicht auszuhalten, schon gar nicht, wenn man gewohnt war, zügig und effizient vorzugehen. Der Alltag mit Kindern ist nur begrenzt planbar und straff organisierbar. Aber in der Regel erwirbt man dabei Flexibilität und Frustrationstoleranz. Und man übt, Erwartungen der Realität anzupassen. Lauter Lernprozesse, die PolitikerInnen nicht schaden würden. Nein, Kinder machen aus Eltern keine besseren Menschen, aber sie verändern sie, weil Elternschaft spezifische Erfahrungen mit sich bringt.

Natürlich gibt es auch Menschen, die zwar Kinder in die Welt gesetzt haben, aber nichts daraus lernen,Väter, die in patriarchaler Tradition auf ihre Karriere fixiert sind und das Leben mit den Kindern ihren Frauen überlassen, oder Mütter, die den Nachwuchs an Personal und in Internate auslagern. Die sind nicht gemeint. Aber die anderen sollten, jawohl, in einer Regierung unbedingt vertreten sein.

[email protected] www.elfriedehammerl.com