Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Küchenhilfe gesucht

Küchenhilfe gesucht

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Also: Ein Wirt in Oberösterreich sucht eine Küchenhilfe. Er wendet sich an das AMS, dieses sucht 26 arbeitslos gemeldete Frauen aus, die sich bei ihm vorstellen sollen. Ja, nur Frauen, Männer kommen für niedrige (und niedrig entlohnte) Küchendienste offenbar nicht in Frage. Allerdings hat keine der angeschriebenen Frauen Interesse an der angebotenen Stelle. Der Wirt wendet sich daraufhin an die Wirtschaftskammer und bittet, dieses Rätsel zu untersuchen.

Die Wirtschaftskammer untersucht und findet folgendes heraus: Elf Kandidatinnen haben ihren Angaben zufolge keine Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder. Fünf davon sind freilich, wie ausdrücklich angemerkt wird, Mutter von nur einem Kind. Neun Frauen sind zwar als arbeitslos registriert, beziehen aber weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe, weshalb es ganz allein ihre Sache ist, ob sie einen Job annehmen. Drei sind Köchinnen und daher von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, eine Stelle anzutreten, die ihrer Qualifikation nicht entspricht. Sechs Kandidatinnen argumentieren damit, dass der Arbeitsplatz nicht gut erreichbar sei, obwohl er, so die Wirtschaftskammer, nur 20 Kilometer von Linz entfernt liegt und mit Bahn und Bus angefahren werden könne. Und einige der Frauen führen gesundheitliche Gründe ins Treffen. Nicht alle davon überzeugen, weshalb Gesundheitsprüfungen anstünden.

Was denken wir uns dazu? Ich denke mir zunächst, ja, Kinder sind ein Grund, nicht in einem Wirtshaus arbeiten zu können. Denn selbst wenn es im Wohnort einen Kindergarten oder Hort gibt, werden seine Öffnungszeiten bestimmt nicht kompatibel sein mit den Öffnungszeiten ­eines Gastronomiebetriebes. Und dabei ist es, denke ich mir, wurscht, ob mehrere Kinder oder nur ein einziges unbetreut zu Hause herumkugeln, während die Mama in der Wirtshauskuchl Erdäpfel schält.

Weiters denke ich mir: Wenn ich Köchin wäre, dann würde ich auch lieber warten wollen, bis ich wieder einen Posten als Köchin bekäme. Erstens, weil ich nicht Köchin gelernt hätte, um hinterher bloß Herdplatten zu putzen und Zwiebeln zu hacken. Zweitens, weil ich als Köchin besser verdienen würde. Drittens, weil der Hungerlohn, der mir als Küchenhilfe winkt, möglicherweise niedriger ist als das Arbeitslosengeld, mit dem ich jetzt schon – samt meiner betreuungsbedürftigen Brut – nur knapp über die Runden komme. Und viertens, weil ich, wenn ich als Küchenhilfe erneut arbeitslos werden sollte (was passieren kann, auch wenn ich fleißig bin), noch weniger Arbeitslosenunterstützung bekommen würde als bisher. Was die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes anlangt, so denke ich mir: Erreichbar wird er schon sein. Irgendwie. Aber wie umständlich? Mit welchem Zeitaufwand? Was, wenn nach Arbeitsschluss zwei Stunden auf den nächsten Bus gewartet werden muss? Und vielleicht sind die Fahrtkosten ja auch enorm geschmalzen, gemessen am erwartbaren Lohn?

All das fällt mir zu der rätselhaften Tatsache ein, dass 26 arbeitsuchende Frauen nicht unbedingt Arbeit als Küchenhilfe (in einem Landgasthaus) finden wollen. Ich halte es für möglich, dass einige von ihnen nicht gerade in die Kategorie arbeitseifrig fallen. Aber den Schluss, dass hier mehrheitlich Arbeitsunwillige mit faulen Ausreden operieren, den würde ich nicht ziehen.

Der oberösterreichische Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Trauner hingegen findet (in einem Kommentar auf der Homepage der WKOÖ), dass die Frauen „ein Vorstellungsgespräch aus zum überwiegenden Teil nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt“ hätten. „Wir müssen“, schreibt er, „die Zumutbarkeitsregeln an die Praxis anpassen, etwa, was die Wegzeit oder verwandte Beschäftigungen betrifft.“ Und: „Wo es nachweislich Arbeitsverweigerung gibt, muss konsequent sanktioniert werden.“ (Heißt im Klartext: Streichung des Arbeitslosengeldes.)

Na sicher, Arbeitsverweigerung geht nicht. Aber was fällt alles darunter? Und wieso ist es nicht nachvollziehbar, wenn Frauen mit Kindern sagen, dass sie ihre Kinder nicht allein lassen können? Ist es Arbeitsverweigerung, wenn sie verabsäumt haben, eine im Bedarfsfall verfügbare Oma bei sich einzuquartieren? Oder sollen sie die Kinder mitbringen in die Gasthausküche? Und ab wann dürfen die Wegzeiten eine Rolle spielen – erst dann, wenn sie die mögliche Schlafdauer auf drei Stunden verkürzen? Welcher ­Praxis sollen denn die Zumutbarkeitsregeln angepasst werden? Schon jetzt sind die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie oft eine rechte Zumutung, wie man weiß.

Auch die Frage, was verwandte Beschäftigungen seien, lässt viele Antworten zu. Spanisch haben S’ studiert? Na, da passen S’ doch bestens als Serviererin in die Bodega Hasta la Vista nach Bad Kleefeld am Anger!
Nein, im Ernst, natürlich ist der Arbeitsmarkt nicht verpflichtet, für jede Art von Qualifikation die passende Beschäftigung zur Verfügung zu stellen. Aber Köchin beispielsweise ist doch nicht wirklich etwas Ausgefallenes. Und wenn wir schon bei Unterstellungen sind: Natürlich wäre es billiger für Wirte, Köchinnen offiziell bloß als Küchenhilfen einzustellen. Aber soll man ihnen dazu die gesetzliche Handhabe liefern?

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www.elfriedehammerl.com