Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Muselmanie

Muselmanie

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Nehmen wir an, ein Meinungsforschungsinstitut würde mich anrufen und fragen: Manchmal wird gesagt, der Islam stellt eine Bedrohung für den Westen und unsere gewohnte Lebensweise dar. Halten Sie eine solche Behauptung für richtig oder falsch?

Was würde ich antworten? Sagen sollte ich (finde ich), dass ich derart generalisierende Aussagen nicht machen kann, weil es den Islam als einheitliche Bewegung nicht gibt.

Darauf würde ich jedoch zu hören bekommen, dass eine solche Antwort nicht vorgesehen ist, ich müsse mich auf Halte ich für richtig, Halte ich für falsch oder Unentschieden beschränken.

Jetzt könnte ich meine weitere Teilnahme an der Meinungsumfrage natürlich verweigern, aber nehmen wir an, ich bin eine Person, die ungern schroff ist. In diesem Fall würde ich halt überlegen, welche der vorgegebenen Antworten am ehesten meiner Meinung entspricht. Unentschieden? Nein, eigentlich denke ich mir ja was dazu. Vielleicht habe ich auch gerade etwas über Zwangsheiraten und Ehrenmorde gelesen. Oder darüber, dass in Teilen Kanadas die Scharia als paralleles Zivilrecht praktiziert werden kann, eine Rechtsprechung also, die – unter anderem – Töchter bei Erbschaften Söhnen gegenüber massiv benachteiligt.

Wäre es abwegig, wenn ich zu dem Schluss käme, dass der Islam unter bestimmten Umständen in erheblichem, ja sogar bedrohlichem Gegensatz zu meiner westlichen Lebensweise steht?

Das Linzer IMAS-Institut hat kürzlich eine Studie präsentiert, derzufolge die Mehrheit der ÖsterreicherInnen den Islam fürchtet. (Jedenfalls lautete so eine Zeitungsschlagzeile.) 71 Prozent der Befragten hielten ihn für unvereinbar mit den westlichen Vorstellungen von Demokratie, Freiheit und Toleranz. 54 Prozent antworteten auf die oben zitierte Frage mit: Halte ich für richtig. Und 72 Prozent finden laut Umfrage, dass sich die in Österreich lebenden Moslems zu wenig an unsere Lebensweise und die Regeln des Zusammenlebens anpassen.

Was schließen wir daraus? Nahezu drei Viertel der österreichischen Bevölkerung sind fremdenfeindlich und vorurteilsbeladen? Die Studie ist jedenfalls nicht dazu angetan, diese Befürchtung zu widerlegen. Aber bestätigt sie sie? Oder zeigt sie in erster Linie, dass einfache Fragen und noch einfachere Antwortmöglichkeiten keine halbwegs differenzierten Meinungsäußerungen generieren?

Umfragespezialisten werden einwenden, dass sie, wenn sie forschen, ja nicht bloß drei Antworten einholen, sondern mit einem ausgeklügelten System von (Kontroll-)Fragen arbeiten, um den wahren Ansichten der Befragten auf die Spur zu kommen. Als zeitweilig Befragte weiß ich allerdings, dass ich bisher noch immer unzufrieden war mit den allzu simplen Schlussfolgerungen, die mir abverlangt wurden. (Ein Grund, warum ich Befragungen mittlerweile verweigere.)

Mag sein, dass meine Skepsis dem Umfrageergebnis gegenüber Wunschdenken ist. Wäre aber auch möglich, dass in einem differenzierteren Gespräch tatsächlich eine andere Haltung der Befragten zutage treten würde.

Zum Beispiel, dass sie sich nicht von dem Islam bedroht fühlen, aber fundamentalistische Eiferer fürchten. Zum Beispiel, dass sie auch fundamentalistische Eiferer anderer Glaubensrichtungen als Bedrohung ansehen.

Zum Beispiel, dass sie bloß nichts von schwärmerischen Multikultibeschwörungen halten, die an der – durchaus konfliktträchtigen – Realität vorbeigehen. Zum Beispiel, dass sie Konflikte nicht ausschließlich mit der Xenophobie der Einheimischen begründet wissen ­wollen.

Doch selbst wenn pauschale Vorurteile so verbreitet sind, wie es scheint – wen bringt es weiter, wenn man sie ebenso pauschal abfragt bzw. den Befragten wieder nur pauschale Antworten, also Denkmuster anbietet? Im Grunde spiegelt die Umfrage wider, was ich nicht aufhöre zu beklagen: das starre Entweder-oder in der Migrations- und Integrationsdebatte. Wer der Zuwanderung Gutes abgewinnt und kulturellen Austausch für einen Gewinn hält, ist ein linkslinker Gutmensch, der die Heimat verrät. Wer sich darauf beruft, dass importierte Traditionen auch einmal abgelehnt werden dürfen, wird sofort ins rechte Eck gestellt und ist ein intolerantes Schwein. Richtig – falsch – meinungslos. Und schon wissen wir, wer gegen wen sein muss, basta.

In der leidigen Burka-Frage kriegen gerade alle die Faschismuskeule übergezogen, die in der Totalverhüllung von Frauen keinen zwar fremden, aber respektablen Brauch zu sehen vermögen. Indes ginge es jedoch gar nicht darum, mit einem Verbot einzelne Frauen zu diskriminieren oder zu bestrafen, sondern um das Postulieren klarer Grundsätze.

Geschlechtsspezifische Bekleidungsvorschriften, die – zumindest teilweise – unter Zwang durchgesetzt werden und den Aktionsradius der betroffenen Personen drastisch einschränken, sind weder mit den Menschenrechten noch mit unserem gesetzlich verankerten Gleichstellungsgebot zu vereinbaren. Das festzuhalten und dazu zu stehen wäre nur logisch. Denn: Intolerant sind die Bekleidungsvorschriften und nicht diejenigen, die sie untersagen wollen. Und: Ein Vergehen wird nicht erst dann zum Vergehen, wenn es häufig vorkommt. Manches, was zum Glück nur selten passiert, ist deswegen noch lange nicht erlaubt.

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