Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Omas Küche

Omas Küche

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Schon wieder ein Lebensmittelskandal: Millionen Eier aus Legebatterien wurden als Bio-Eier deklariert und verkauft! Das ist auch insofern blöd, als diesmal nicht die geizigen KonsumentInnen zu Schuldigen erklärt werden können. Die KäuferInnen der Bio-Eier waren ja guten Willens, für Qualitätsware mehr Geld auszugeben. Leider haben sie keine Qualitätsware dafür erhalten. Was jetzt? Den Rat einer berüchtigten Expertin anwenden und künftig ­eigene Hühner auf der Terrasse halten? Hm. Wo führt das hin? Getreideanbau im Wohnzimmer, Fischzucht in der ­Badewanne, Kräutergarten unterm Bett?

Bis jetzt ließ sich die Ver­antwortung für gepantschte, verfälschte, minderwertige Nahrungsmittel ganz gut auf die Verbraucher abschieben. Wollen möglichst billig aussteigen, scheren sich nicht um Qualität, sind zu faul, um anständig zu kochen. Nun zeigt sich: Auch der Griff zu angeblich hochwertigen Produkten schützt nicht vor Beschiss, im Gegenteil, der Beschiss verdoppelt sich, weil das minderwertige Zeug auch noch mehr gekostet hat.

Vielleicht könnte man ja neue Argumente in die Debatte bringen? Zum Beispiel diese: Es ist nicht verwerflich, wenn Menschen sich scheuen, gut ein Drittel ihres monatlichen Einkommens allein für Lebensmittel auszugeben. Es ist nicht verwerflich, sich der lustvollen Tätigkeit des Kochens nicht täglich zu widmen, und man verdient es nicht, dafür einen frühen Tod infolge gesundheitsgefährdender Nahrungsbestandteile zu sterben. Es ist daher nicht verwerflich, wenn Menschen auf – ganz oder teilweise – vorgefertigte Produkte zugreifen wollen, und es ist vermeidbar, dass diese Produkte gesundheitsschädlicher Mist sind. (Wurst zum Beispiel muss nicht zwangsläufig aus fragwürdigem Abfall gemacht werden.) Und es ist nicht verwerflich, gesunde und leistbare Nahrungsmittel in der näheren Umgebung vorfinden zu wollen, statt zu diversen Bio­bauern hinter den sieben Bergen fahren zu sollen, von denen einer auf alte Erdäpfelsorten, ein anderer auf Wurzelgemüse und der dritte auf Lammfleisch spezialisiert ist.

Wir sollen, wird uns gepredigt, wieder zu Omas Küche zurückkehren. Um welche Omas und um welche Küchen handelt es sich dabei? Die heute Sechzigjährigen haben als junge Mütter bereits zu Tiefkühlgemüse gegriffen und Frankfurter Würstel arglos als kindgerechte Mahlzeit definiert. Die heute Achtzigjährigen haben als Kinder gehungert und als junge Hausfrauen Mayonnaiseei und Toast ­Hawaii für eine Bereicherung des Speisezettelts gehalten. Wer und was ist also gemeint? Ja, ich weiß schon, gemeint ist die Oma als zeitlose Symbolfigur, als mythische Protagonistin einer vergangenen heilen Welt, Brot backend, Kräuter züchtend, Gemüse einlegend, eine Kochkünstlerin von hohen Graden.

Tatsächlich war gesundes und wohlschmeckendes Essen für frühere Generationen jedoch keine Selbstverständlichkeit. In Arbeiter- und Kleinhäuslerhaushalten sowieso nicht, aber auch in bürgerlichen und bäuerlichen Familien gab es statt ausgewogener, vitaminreicher Mahlzeiten häufig einfallslose, kohlehydrat- und fettlastige Gerichte. Nockerl, Knödel, Sterz, Aufläufe. Zu Tode gekochtes, eingebranntes Gemüse. Dass Blattsalate kein Kaninchenfutter sind, ist eine relativ junge Erkenntnis.
Das Beschwören einer mehr oder weniger virtuellen Vergangenheit wird uns also nicht weiterhelfen. Was dann?

Selbstverständlich stehen auch unsere Essgewohnheiten zur Debatte. Dass wir Junk in uns hineinschaufeln, der von Weitem als solcher erkennbar ist, lässt sich vermeiden. Dass wir mehr Gemüse und weniger Fleisch essen sollen, ist ein vernünftiger Rat. Dass sich aus Gemüse relativ schnell einfache, aber gute Mahlzeiten herstellen lassen, stimmt. (Es wäre fein, wenn sich das auch zu den Gastro-Betrieben durchsprechen wollte, die unter dem Titel Unsere vegetarischen Spezialitäten hauptsächlich Kasnocken und Palatschinken anbieten.) Aber unsere Essgewohnheiten entlassen die Produzenten nicht aus ihrer Verantwortung, Nahrungsmittel zu produzieren, die diese Bezeichnung verdienen, und den Handel nicht aus der Verpflichtung, solche Nahrungsmittel in ausreichender Menge anzubieten. Gemüse zu ­essen bringt nämlich nichts, wenn es bloß pestizidverseuchtes Grünzeug zu kaufen gibt.

Kurzer Themawechsel: Die Borniertheit, mit der in der Debatte um die Adoptionswünsche schwuler und lesbischer Paare die Vater-Mutter-Kind-Familie zur einzig heilsspendenden erklärt wird, ist schwer erträglich. Wie sich gezeigt hat, können in nach außen intakten Familien Töchter in Kellerverliesen landen und inzestuös vergewaltigt werden. Ja, ein tragischer und dramatischer Fall, den man nicht zur Regel erklären kann. Er führt aber vor, dass die Konstellation Vater-Mutter-Kind keine Glücksgarantie für Kinder ist. Kinderglück hängt von der Liebe, vom Verständnis und von der Geborgenheit ab, die ein Kind von seinen Bezugspersonen kriegt, nicht von deren Geschlecht. Wenn man freilich meint, dass Kindern unbedingt biologistische Rollenbilder vorgelebt werden müssen, ist Besorgnis angebracht. Aber nur dann.

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